Dieses Plakat verkörpert gleich mehrere Netztrends aus dem vergangenen Jahr. Foto: imago images/Müller-Stauffenberg

Das Internet schläft nicht – Nutzer weltweit haben Tag und Nacht Zeit, sich über Dinge lustig zu machen, zu ärgern oder generell das Weltgeschehen zu kommentieren. Was das Netz im Jahr 2019 mitunter bewegt hat, fassen wir Ihnen in diesem Jahresrückblick zusammen.

Stuttgart - Herzerwärmend, lustig, politisch und gesellschaftskritisch: Die digitale Gesellschaft gilt als Spiegelbild der analogen Welt. Es lohnt sich also, auf die zahlreichen und oft weltweiten Trends im Jahr 2019 zurückzublicken, die im Netz begonnen, aber teils gravierend auf das tägliche Leben der Menschen in Deutschland Einfluss genommen haben. Angefangen von witzigen Memes, die für reale Lacher sorgten, bis hin zu politischen Videos, wie die „Zerstörung der CDU“ von Youtuber Rezo, das große Teile einer jungen Generation gegen die etablierten Parteien aufbrachte.

So zeigt sich auch im Jahr 2019, dass das Internet für viele Menschen kein Neuland mehr ist. Eine Onlinestudie von ARD und ZDF im Oktober 2019 belegt, dass von den knapp 83 Millionen Einwohnern Deutschlands, etwa 63 Millionen Menschen das Internet nutzen – und das, obwohl sich die Erhebung lediglich auf Internetnutzer ab 14 Jahren beschränkt. Was Menschen 2019 im Netz posteten, teilten, liebten oder hassten, präsentieren wir Ihnen in diesem unvollständigen und nicht chronologisch angeordneten Jahresrückblick.

Ein Ei geht um die Welt

Das Jahr 2019 begann mit einer skurrilen Sensation: Am 13. Januar wurde die Platzhalterin der meisten Likes für ein Bild auf dem beliebten sozialen Netzwerk Instagram, Kylie Jenner, vom Thron gestoßen. An ihre Stelle trat nicht etwa ein anderer Promi, sondern ein Ei. Der Post überflügelte binnen weniger Tage die etwa 18 Millionen Marke Jenners und liegt zum Zeitpunkt dieses Artikels mit 54 Millionen Likes mit weitem Abstand auf Platz „Ei“ns der meistbewerteten Bilder auf Instagram.

Wer hinter der Aktion steht? Drei Mitarbeiter einer Londoner Marketingagentur, die wohl einfach wissen wollten, ob der Rekord von einem Ei gebrochen werden könnte. Gegenüber den New York Times legte einer der drei Unternehmer noch eine tiefere Bedeutung in die Wahl des Eis: „Ein Ei hat kein Geschlecht, keine Ethnie, keine Religion. Ein Ei ist ein Ei, es ist allumfassend.“

„Ok, Boomer“

Der kurze und prägnante Ausspruch „Ok, Boomer“ gehört im Gegensatz zum Ei wohl zu den kontroverser diskutierten Netztrends im Jahr 2019. Seinen Ursprung nahm das Meme, das zum Kampfspruch einer ganzen jungen Generation angewachsen ist, in einer Rede der neuseeländischen Politikerin Chloe Swarbrick. Die 25-Jährige führte gerade ihre Gedanken zur Klimakrise aus und verwendete den Ausspruch gegen wütende Zwischenrufe ihrer politischen Kontrahenten.

Kurz zusammengefasst beschreibt „Ok, Boomer“ ein Gefühl der Resignation. Meist junge Menschen fühlen sich von meist älteren Menschen in ihren Argumenten nicht verstanden und falschen Anschuldigungen ausgesetzt. Eine ausführlichere Erklärung lesen Sie hier: Millennials gegen Babyboomer – „Ok Boomer“ wird zum Schlachtruf einer Generation

Aufräumen für eine saubere Umwelt

Die besten Beispiele für Trends, die im Netz beginnen und Konsequenzen im analogen Leben haben, sind Challenges – Herausforderungen zu deutsch. Eine der 2019 erfolgreichsten Herausforderungen war die sogenannte Trashtag-Challenge. Unter dem viralen Hashtag posteten weltweit Menschen Bilder von verdreckten Orten, die sie vom Müll gereinigt hatten. Das obligatorische Vorher-Nachher-Bild stellten sie dann ins Netz.

Ob in indischen Innenstädten, kalifornischen Stränden oder tiefen Wäldern: Die Anstrengungen vieler Nutzer hatten zumindest optisch eine inspirierende Wirkung. Die Aktion reihte sich in den weltweiten Trend für mehr Klimaschutz ein. Was genau es mit der Trashtag-Challenge auf sich hat, lesen Sie hier: Ein Hashtag gegen die Müllverschmutzung

Artikel 13 und das Urheberrecht

Ja, reichweitenstarke Youtuber wie Peter Smits von PietSmiet haben bereits Ende 2018 auf die mittlerweile durchgesetzte EU-Urheberrechtsreform aufmerksam gemacht und vor möglichen Gefahren für die Freiheit im Netz gewarnt. Doch 2019, vor allem rund um den Abstimmungstag am 26. März im EU-Parlament, spitzte sich der deutschlandweite Widerstand gerade jüngerer Menschen gegen die Reform drastisch zu.

In besonderer Kritik stand und steht immer wieder der berüchtigte Artikel 13, der jetzt Artikel 17 heißt. Was es damit auf sich hat, sehen Sie in diesem Video:

Während der hitzigen Diskussion entpuppte sich ein EU-Abgeordneter als personifiziertes Feinbild der Kritiker: Der CDU-Politiker Axel Voss, der als mitunter stärkster öffentlicher Verfechter der Urheberrechtsreform gilt. Zahlreiche Memes über Voss dominierten wochenlang vor allem das deutschsprachige Internet.

Youtuber erreicht 100 Millionen Abonnenten

Nach dem Ei auf Instagram verzeichnete auch ein User der Plattform Youtube einen neuen Rekord. Videoproduzent Felix Kjellberg, besser bekannt unter seinem Internetnamen PewDiePie, erreichte vor wenigen Monaten als erster Mensch überhaupt die Marke von 100 Millionen Abonnenten auf Youtube. Nur ein Kanal hat weltweit mehr Follower: das indische Musiklabel T-Series.

Traurig darüber dürfte Kjellberg aber nicht sein – hat er den Erfolg von T-Series doch raffiniert für sein eigenes Wachstum genutzt. Nicht nur er, sondern auch zahlreiche andere Youtuber animierten ihre Follower, kein Unternehmen auf den ersten Platz der meist abonnierten Youtube-Contentproduzenten zu lassen. Die Videoplattform sei ursprünglich, so das Argument, für einzelne kreative Köpfe geschaffen worden.

Kjellberg produziert auf seinem Kanal hauptsächlich Videos zu Computerspielen, Memes und alltäglichem Netzgeschehen. Übrigens: In Deutschland verzeichnete 2019 der Kanal „Gewitter im Kopf – Leben mit Tourette“ den größten Zuwachs an Abonnenten. Zwei junge Männer zeigen dort in unterschiedlichen Videos, wie es ist, mit dem Tourettesyndrom zu leben.

Ausziehen wie... bei Tetris?

2019 gab es nicht nur die Trashtag-Challenge. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie verschiedene Berufsstände und Institutionen ausgestattet sind, wird unter dem Hashtag Tetris-Challenge im Internet fündig. Ob Feuerwehrleute, Polizisten oder der Präsident der USA: Sie alle zogen sich für ein schickes Bild aus, um wie ordentliche Tetrisfiguren die eigene Ausstattung zu präsentieren.

Geschossen sind die Fotos meist aus der Vogelperspektive und beinhalten nicht nur Menschen, sondern wie im Falle der Ludwigsburger Feuerwehr auch ganze Einsatzfahrzeuge. Einen Artikel dazu lesen Sie hier: Tetris-Challenge in Ludwigsburg – So viel Equipment passt in ein Feuerwehrauto

„Hey Rezo, du alter Zerstörer!“

„Noch nie hab ich so ein langes Video ohne zu skippen geschaut...“, schreibt ein User unter einem Youtube Video, das vor fast genau sieben Monaten online gegangen ist. Das Video trägt den Titel „Die Zerstörung der CDU“, stammt von Youtuber Rezo und hat mittlerweile mehr als 16 Millionen Aufrufe. Es ist knapp 55 Minuten lang und hebt sich damit deutlich von den üblicherweise zehn- bis 20-minütigen Videos anderer Youtuber ab.

In „Die Zerstörung der CDU“ kritisiert Rezo hauptsächlich die Politik der CDU, argumentiert aber auch gegen SPD, CSU und AfD. Einen ausführlichen Artikel dazu lesen Sie hier: 55 Minuten gegen die CDU

Die Reaktion der Christdemokraten? Eigentlich sollte Philipp Amthor vorangeschickt werden und als ebenfalls junger Mensch versuchen, in einem Antwortvideo auf die Kritik Rezos einzugehen. Die Verantwortlichen in der CDU entschieden sich allerdings dagegen und so gab Amthor bei einem Talkshow-Abend mit Markus Lanz lediglich einen kleinen Einblick in das angedachte Antwortvideo. Der Start: „Hey Rezo, du alter Zerstörer!“ Ein neues Meme war geboren.

Keanu Reeves erwärmt die Herzen

Die Video- und Computerspielmesse E3 ließ 2019 viele Gamer-Herzen höherschlagen. „The Legend of Zelda – Breath of the Wild 2“, „Watch Dogs – Legion“ und „Cyberpunk 2077“ waren nur einige der angekündigten Spieleneuheiten. Die Präsentation von letzterem Spiel übernahm Matrix-Schauspieler Keanu Reeves. Bei seiner Vorstellung bekam der ohnehin schon berüchtigte Fan-Liebling von einem Zuschauer ein „You are breathtaking“, zu deutsch „Du bist atemberaubend“, entgegengeworfen.

In gewohnt sympathischer Reeves-Manier lautete seine Antwort: „You are breathtaking. You are all breathtaking.“, also „Du bis atemberaubend. Ihr seid alle atemberaubend.“ Tausende Herzen im Raum und vor den Live-Streamingbildschirmen erwärmte Reeves mit seiner unnachahmlichen Art und schuf gleichzeitig neues Material für Memes.