Die Jordanierin Rand Beiruty will Frauen in ihren Filmen nicht als Opfer zeigen. Foto: Trickfilmfestival Stuttgart

Von Dienstag bis Sonntag bietet das Internationale Trickfilm-Festival in Stuttgart viele Höhepunkte: auch das Arab Animation Forum. Dort stellen neun Talente aus dem arabischen Raum ihre Werke vor.

Stuttgart - Was sind schon vierundfünfzig Sekunden? Während allein die morgendliche Mundhygiene drei Minuten verschlingt, spielen sich in manchmal noch viel kürzeren Werken beim Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart (ITFS) komplette Dramen ab. Im Trailer für das Event etwa massakrieren einander zwei Piratenbanden – während hoch oben in den Mastkörben zwei zu Feinden Bestimmte ihre Freundschaft mit einem schmatzenden Kuss besiegeln.

„Animation without Borders – Grenzenlose Animation“ lautet denn auch das diesjährige Motto der Schau, die zwar Kurz- und Langfilme aus der ganzen Welt für Kinder und Erwachsene präsentiert, sondern auch Filmemachern und Fachleuten Gelegenheit bietet, sich über nationale Grenzen hinweg auszutauschen und zu vernetzen. Besonders wichtig ist diese Möglichkeit für junge Künstler aus den Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga. Während es in Europa, den USA und Kanada inzwischen zahlreiche Ausbildungsgänge an Filmhochschulen gibt, fehlt es etwa in Saudi-Arabien, Jordanien oder im Sudan an vergleichbaren Institutionen.

Im Rahmen des Arab Animation Forum stellen neun Talente aus Tunesien, Syrien, dem Libanon, aus Jordanien und Ägypten in Stuttgart bisher noch nicht realisierte Kurzfilm-Projekten einer Gruppe von Experten und Produzenten vor. Schon zum zweiten Mal präsentiert die aus Jordanien stammende Rand Beiruty, ausgebildet in Mainz und Weimar, eine Projektidee. Ihre Geschichte über Nudar, die als Flüchtling nach Deutschland kommt und Ärztin werden will, basiert auf Gesprächen mit einer jungen Frau, die Beiruty in einem Weimarer Flüchtlingscamp kennenlernte. „In den Medien werden arabische Frauen meist als Opfer von Unterdrückung dargestellt“, erklärt sie. „In meinem Film möchte ich eine Frau zeigen, die eben nicht Opfer der Umstände sein will“.

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Im Verlauf des viertägigen Branchentreffs entstehen also Kooperationen zwischen Filmemachern und Produzenten, die sich schließlich um den Filmförderpreis der Robert-Bosch-Stiftung für Internationale Zusammenarbeit bewerben. Doch zunächst müssen die Teams im Forum während einer sogenannten „Pitching Session“ eine Jury überzeugen; eine wichtige Vorbereitung auf zukünftige Bewerbungssituationen.

Jurymitglied Ahmad Saleh, im letzten Jahr selbst Teilnehmer des Forums, hat eine ähnliche Vision wie Rand Beiruty. „Ich möchte Projekte finden, die Geschichten aus einer Region erzählen, die in den Medien oft einseitig dargestellt wird“, sagt er. Der 1980 in Saudi-Arabien geborene Regisseur studierte an den Kunst-Hochschulen in Bremen und Köln und gewann mit seinem Abschluss-Film „Ayny – Mein zweites Auge“ 2016 sogar den Studenten-Oscar für den besten Animationsfilm. Das poetische Märchen über zwei Brüder, die in einem nicht näher bezeichneten Krieg erst ihr Zuhause verlieren, sich ein neues erschaffen, jedoch durch ein weiteres Unglück schwer verwundet werden, wird im Kurzfilmprogramm „Young Animation 1“ (2. Mai, 23 Uhr) sowie im „Internationalen Wettbewerb 2“ (3. Mai, 21 Uhr) gezeigt.

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Die Idee hinter „Ayny“ basiert auf einem traumatischen Erlebnis Salehs in einem Flüchtlingscamp in Palästina, wo er einen Bombenanschlag hautnah miterlebte. Auf dem Weg ins Krankenhaus mit zwei schwer verwundeten Kindern sei ihm die Geistesgegenwärtigkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen aufgefallen. „Es war erstaunlich, wie schnell sie in den Notfall-Modus wechselten. Jeder wusste, was zu tun war, jeder versuchte zu helfen.“ Deshalb handele „Ayny“ nicht von der Verwundung der Menschen durch den Krieg, sondern von deren Stärke, den Schrecken zu überwinden.

„Ich möchte allerdings auch ganz normale, grundsätzliche Geschichten erzählen, die nicht immer mit den Problemen der arabischen Welt zu tun haben. Nur bekommt man für solche Projekte kaum finanzielle Mittel. Da ist die Erwartung, dass die Filme etwa von der Rolle der Frau in der islamischen Gesellschaft oder von Gewalt handeln sollen. Es ist traurig, dass Menschen über die Region, in der sie leben, kategorisiert werden“, findet Saleh. „So bleibt doch der Abstand zwischen uns bestehen.“