Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Foto: dpa

Was brauchen Frauen? Ganz sicher keine neue Nationalhymne, kommentiert unser Redakteur Tim Schleider anlässlich des Internationalen Frauentags.

Stuttgart - Am Donnerstag ist Internationaler Frauentag, und damit es zu diesem Anlass und an dieser Stelle auch einmal ein Mann zu Protokoll gegeben hat: Die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau ist einer der zentralen Dreh- und Angelpunkte, wenn es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht. Das ist kein schmückendes Ornament am Bau. Das ist Basis.

Die Frage, wie sich die verfassungsrechtliche Gleichstellung der Geschlechter real verwirklichen lässt, und zwar in gleichen Bildungs- und Aufstiegschancen, in gleicher gesellschaftlicher Teilhabe und in einem partnerschaftlichen, von gegenseitigem Respekt geprägten Rollenverständnis von Männern und Frauen – all das ist keineswegs Politik-Gedöns, wie es ein früherer Bundeskanzler mal glaubte, vor Männerwitz glucksend, ausdrücken zu dürfen. Es ist schlicht Pflichtprogramm jeder Politik, die den westlichen Werten verpflichtet ist. So wie andersherum keine Partei, kein Staat, keine Religion wirklich Respekt und Tolerierung erwarten darf, welche die Gleichberechtigung von Frauen systematisch missachten.

Warum werden Frauen und Männer unterschiedlich bezahlt?

Aus Anlass des Internationalen Frauentages 2018 ist darum zu fragen: Warum gibt es immer noch so viele Fotos von Unternehmens-Vorständen ohne eine einzige Frau? Warum schafft es die CSU noch immer nicht, eine einzige ordentliche Bundesministerin zu stellen? Warum werden Frauen und Männer für gleiche Arbeit noch immer unterschiedlich bezahlt? Warum trauen sich viele Frauen nicht, ungebetene sexuelle Anmache anzuprangern? Warum prägt die Familienarbeit die Biografien von Frauen noch immer viel stärker als jene der Männer? Warum wird das enorme Ausbildungspotenzial von Frauen nicht endlich von Staat und Unternehmen in Gänze genutzt? Warum, warum, warum? Beim Thema Gleichberechtigung der Geschlechter geht es um exakte Fragen nach gesellschaftlichen Chancen und Optionen. Kein Gedöns: Es geht um Macht!

Gedöns ist leider viel eher, was man regelmäßig von manchen Gleichstellungs-Beauftragungs-Stellen serviert bekommt – wie jetzt gerade von zentraler Stelle aus Berlin, wir müssten bitte ganz dringend unsere Nationalhymne umdichten und zum Beispiel die Begriffe „Vaterland“ und „brüderlich“ durch „Heimatland“ und „couragiert“ ersetzen, sonst werde das mit der Diskriminierung von Frauen noch ewig so weitergehen. Nun ist gar nicht zu bezweifeln, dass Sprache und Symbole stets auch ein Ausdruck von Macht sein können. Und es ist – anderes Beispiel – keineswegs abwegig zu fragen, ob tatsächlich, wie gern behauptet, immer das weibliche Geschlecht „mitgemeint“ ist, wenn von „interessanten Kandidaten“, „aussichtsreichen Bewerbern“ oder „geeigneten Nachfolgern“ für wichtige Positionen die Rede ist.

Hymnendebatten sind ein Ersatzschauplatz

Und dennoch bleiben solche Hymnendebatten oder Silbenmeditationen, wenn sie als Selbstzweck betrieben werden, immer nur ein Ersatzschauplatz, auf den alle Beteiligten viel zu viel Energie verwenden. Wenn daher an dieser Stelle zum 8. März 2018 ein Mann etwas raten dürfte, dann ist es dies: Konzentrieren wir uns in Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur auf den Kern – wer hat gute Ideen und kann sie nicht umsetzen? Wer hat Kraft und Energie und wird trotzdem ausgebremst? Wo deckelt und verschenkt unsere Gesellschaft das Potenzial ihrer Mädchen und Frauen, anstatt gemeinsam die großen Ziele anzustreben? Hört endlich auf mit den ewigen Symboldebatten. Und gebt den Frauen, was den Frauen gebührt: Respekt – und die Hälfte der Macht. Im Übrigen: Die bessere Hymne war schon immer „Freude, schöner Götterfunke – Tochter (!) aus Elysium“. Europa!

tim.schleider@stzn.de