Will den Klang seiner Ensembles neu formen: Hans-Christoph Rademann Foto: Holger Schneider/IBA

Schon beim Amtsantritt von Hans-Christoph Rademann 2013 war klar, dass er als Leiter der Internationalen Bachakademie Stuttgart den Chor und das Orchester künstlerisch neu orientieren und entsprechend umbesetzen würde. Am Freitag hat er bei der Vorstellung des Musikfest-Programms seine Pläne öffentlich gemacht.

Stuttgart - Klingt so die Zukunft? Hans-Christoph Rademann ist seit je unermüdlich auf der Suche nach dem Klang, der zu Bachs Zeiten die Kirchen Mitteldeutschlands erfüllt haben könnte. „Ein bisschen wuchtiger“ als bei anderen Alte-Musik-Ensembles solle dieser Klang sein, erklärte der Dirigent 2014 in einem Interview mit unserer Zeitung, „und dennoch elegant und sensitiv“. Nun soll ein kleines Instrument, dessen Nachbau im Juli abgeschlossen sein wird, diesen Klang von September an nach Stuttgart bringen: Die Rekonstruktion einer erst kürzlich entdeckten Truhenorgel aus der legendären Werkstatt des barocken sächsischen Orgelbauers Gottfried Silbermann soll das Zentrum eines neuen Klangideals der Bachakademie sein. „Stuttgart“, sagt der künstlerische Leiter der Internationalen Bachakademie selbstbewusst, „soll ein Zentrum für Alte Musik werden.“

Die Idee, aus den Ensembles Bach-Collegium und Gächinger Kantorei Formationen zu machen, die in historischer Stilistik musizieren, ist nicht neu. Rademann hat mit seinem Ideal eines schlanken, jungen Chors und eines durchsichtigen Instrumentalensembles seit seinem Amtsantritt 2013 nie hinter dem Berg gehalten – und er hat ihm selbst mit den modernen Ensembles zugearbeitet, die er von Helmuth Rilling übernommen hat. Dass er 2014 das Freiburger Barockorchester zum Residenz-Ensemble des Musikfests machte, war ein deutliches Zeichen. Auch mit der Akademie für Alte Musik hat Rademann als Leiter des Rias-Kammerchors und seines Dresdner Kammerchors häufig zusammengearbeitet. Dass es nun ein eigenes Ensemble sein soll, hat nicht nur mit dem Wunsch nach einer kontinuierlichen künstlerischen Arbeit zu tun, sondern zuallererst mit Markt und Marke.

„Die Bachakademie der Zukunft muss mit der Frage umgehen, wie Bachs Musik zu Lebzeiten des Komponisten geklungen haben könnte“, sagt Rademann. Der Intendant der Institution, Gernot Rehrl, spricht von einem „Alleinstellungsmerkmal“, von der „großen Erwartungshaltung“ der Veranstalter, die heute bei Konzerten mit Alter Musik die Beteiligung eines „authentischen“ Instrumentariums voraussetzten. Dass die beiden Klangkörper, die sich erstmals beim diesjährigen Musikfest im September präsentieren, unter dem Namen Gaechinger Cantorey firmieren, soll deutlich machen, dass es bei der Bachakademie „nicht um Entwurzelung, sondern um Veränderung“ gehe. Der antikisierende Name beschreibe nicht nur den neuen Umgang mit einem alten Klangideal, sondern auch „eine Stuttgarter Erfolgsstory, die in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb begonnen hat“.

Wer aber wechselt nun von den alten Ensembles ins neue? „Jeder hat eine Chance“, beteuert Rademann. Die Mitglieder des Chors lässt er einzeln vorsingen, „aber natürlich stelle ich die Besetzungen so zusammen, dass der Klang optimal ist“. Unter den Instrumentalisten gelinge sicherlich nur einer Minderheit die Umstellung von modernem auf historisches Instrumentarium und auf die entsprechende Stilistik. Langfristig habe man zwar die Absicht, „möglichst viele Musiker aus der Region“ in den Reihen zu haben, aber da der Anfang überzeugend sein müsse, habe man zunächst renommierte Fachleute für die wichtigen Positionen verpflichtet, so zum Beispiel die Konzertmeisterin des English Concert. „Da müssen wir jetzt Geld in die Hand nehmen“, ergänzt der Intendant.

Auch das Musikfest selbst, das vom 1. bis 11. September unter dem Motto „Reichtum“ stehen wird, setzt auf die Zugkraft der neuen Marke – und wird Hans-Christoph Rademanns schon früh geäußertem Wunsch gerecht, „wegzukommen vom Gemischtwarenladen“. Auch hier setzt die Bachakademie auf die Verbindung von Neuem mit der Tradition des Hauses: Ab 2017 wird die Bachwoche und mit ihr das international besetzte JSB-Ensemble in das Musikfest integriert. Ein bisschen ist das dann wie in der guten alten Rilling-Zeit.