Livysche Kriegsversehrte treffen im Simmer 2013 in Stuttgart ein. Foto: Leif Piechowski

In der Debatte über die Ursachen für den Skandal in der Auslandsabteilung des Stuttgarter Klinikums hat der amtierenden Krankenhausbürgermeister erneut schwere Vorwürfe gegen den früheren Geschäftsführer erhoben. Dieser habe die Stadt über die Vorgänge bewusst getäuscht. Einige Ratsfraktionen sehen aber beim früheren Fachbürgermeister eine politische Verantwortung.

Stuttgart - Es war eine „sehr intensive“ Auseinandersetzung, darin sind sich alle Teilnehmer der Sondersitzung des Krankenhausausschusses zur International Unit (IU) einig. Was die Klärung der Sachverhalte und der Rolle des früher zuständigen Bürgermeisters Werner Wölfle (Grüne) angeht, der jetzt dem Sozialreferat vorsteht, gehen die Meinungen aber nach wie vor auseinander.

Der jetzige Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU) ist überzeugt, seinem Vorgänger seien „keine wesentlichen Versäumnisse“ im Zusammenhang mit der IU des städtischen Klinikums zu machen. Als im Frühjahr 2015 die ersten Unregelmäßigkeiten bekannt wurden, habe Werner Wölfle „unverzüglich die Aufklärung eingeleitet“.

Föll sieht in der Betriebssatzung ein Problem

Zur Erinnerung: Gegenstand der Untersuchung ist ein Geschäft mit Patienten aus Libyen, bei der das Klinikum auf Forderungen von 9,5 Millionen Euro sitzen geblieben ist und bei dem Millionenbeträge in die Taschen von dubiosen Vermittlern geflossen sind. Wegen eines problematischen Beratervertrags zum Aufbau einer orthopädischen Klinik in Kuwait, bei dem ebenfalls bei Nebenabsprachen Millionenbeträge an Vermittler gezahlt wurden, hat das Klinikum neun Millionen Euro zurückgestellt.

Michael Föll sieht die Hauptverantwortung für die Vorgänge beim früheren Klinikgeschäftsführer Ralf-Micheal Schmitz, von dem sich die Stadt vor einem Jahr getrennt hat. Diesem sei in der Betriebssatzung eine „sehr weitgehende Eigenständigkeit“ zugestanden worden, dem Referat dagegen „keine eigenen Steuerungs- und Eingriffsrechte“. Diese Struktur fuße somit „auf Vertrauen und Aufrichtigkeit“.

„Bewusst in die Irre geführt“

Nach heutigem Kenntnisstand aber sei das Krankenhausreferat „sehr selektiv, mit großer Zeitverzögerung, zum Teil irreführend“ über die Vorgänge in der IU unterrichtet worden, mitunter seien Informationen „absichtlich unterschlagen worden“, so Föll. „Da ist nach dem Prinzip des Tarnens und Täuschens verfahren worden.“ Bis zum Frühjahr 2015 seien auch die Berichte der Wirtschaftsprüfer stets positiv ausgefallen, auch zur Risikobewertung. Doch gegenüber den Prüfern seien ebenfalls „wissentlich und mit voller Absicht falsche Angaben gemacht worden“, betonte der Finanzbürgermeister.

Zur Kritik mehrerer Fraktionen am Aufhebungsvertrag mit dem früheren Geschäftsführer, der diesem im März 2016 eine Summe von 900 000 Euro eingebracht hat, sagte Föll, dass „aus heutiger Sicht“ eine fristlose Kündigung „sehr richtig“ gewesen wäre. Man habe damals aber nicht den heutigen Kenntnisstand gehabt, auch Rechtsexperten hätten Zweifel geäußert und davon abgeraten. Sollten sich weitergehende Erkenntnisse ergeben, werde man versuchen, den Vertrag „wegen arglistiger Täuschung anzufechten“. Nach wie vor ermitteln Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung. Im Fokus steht derzeit der frühere Leiter der IU, Andreas Braun, wegen Steuervergehen.

SPD und SÖS-Linke-plus sind unzufrieden

SPD und SÖS-Linke-plus sind nicht zufrieden mit der erfolgten Aufklärung. SPD-Fraktionschef Martin Körner findet, was den Aufhebungsvertrag angeht, „da sind wir doch gar nicht schlauer als vor einem Jahr“. Er sieht bei Werner Wölfle für die Vorgänge „eine besondere Verantwortung, die ihm niemand nehmen kann“. Und Körner ist der Meinung, dass Wölfle dem Gremium den Kuwait-Vertrag hätte vorlegen müssen. Der enthielt allerdings die problematischen Nebenabsprachen gar nicht, die Vorlage war eine Abwägungsfrage. Die SPD erwägt nun, in der Sache einen „Akteneinsichtsausschuss“ zu beantragen.

Thomas Adler von SÖS-Linke-plus wirft Wölfle vor, für ein „System intensiven und angestrengten Wegschauens und Nicht-Wissen-Wollens“ verantwortlich zu sein. Wölfle sei seiner Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden, kritisierte Adler.

Zu wenig für einen Rücktritt

Klaus Nopper (CDU) ist zwar persönlich der Meinung, dass der Posten des Krankenhausbürgermeisters nicht Werner Wölfles Sache war. Sein Verschulden etwa wegen des nicht vorgelegten Kuwait-Vertrags sei aber nicht so groß, dass die Forderung nach einem Rücktritt gerechtfertigt wäre.