Der Künstler Byung Chul Kim mit einem Plakat. Foto: Peter-Michael Petsch

Der Künstler Byung Chul Kim bietet Kunstanleihen an - Käufer „bekommt mehr zurück“.

Stuttgart - Aus der Not hat er Kunst gemacht. Um sein Überleben als Künstler zu sichern und  die Finanzkrise künstlerisch zu beackern, bietet Byung Chul Kim in dem Projekt International Sunshine Club  Kunstanleihen an - und er verspricht  hohe Renditen.

Herr Kim, International Sunshine Club, das klingt wie der Name einer billigen Hotelkette. Tatsächlich heißt so Ihr neues Kunstprojekt. Klingt der Name so?
Nun, ich wollte immer ein Projekt zur Kunstförderung machen. Jetzt ist es so weit: Ich als Künstler will andere Künstler fördern. In Korea gibt es ein Sprichwort: „Es wird der Tag kommen, an dem der Sonnenschein auch in das Mauseloch kommt.“  Darum der Name International Sunshine Club.

Fühlen Sie sich als Künstler wie eine Maus?
Für einen Künstler ist das Leben meist schwierig: Wer füttert ihn, wer unterstützt ihn, wie lebt er - und wie geht  es weiter?  Künstler müssen meist  neben ihrer kreativen Tätigkeit auch noch einem Brotjob nachgehen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Kunst bringt kein Geld. Kunst bringt Spaß. Und hat für viele Menschen eine Bedeutung: Sie dokumentiert, was in der Welt, was in der Zeit passiert.

Sie wollen nun von der Maus zum Versuchskaninchen werden – und das Projekt an sich selbst testen. Wie soll das aussehen?
Viele Menschen, die Macht und Geld haben, unterstützen Künstler. Aber  es gibt dennoch  so viele gute Künstler, die niemand finanziell fördert. Ich selbst habe das Problem zu spüren bekommen. Während meines Studiums bekam ich kein Stipendium, weil eine Förderung nur bis zum 30. Lebensjahr möglich ist. Nach meinem Studium war es das gleiche Spiel: Da war das Maximalalter 35 Jahre.  Ich war jeweils knapp darüber.

Wie wollen Sie da konkret Abhilfe schaffen?
Ich wollte allen Menschen die Chance geben, einen Künstler zu unterstützen. Selbst ein Kind hat theoretisch die Möglichkeit, Künstlern mit fünf Euro im Monat zu helfen. 

Was für Menschen, denken Sie, werden ansonsten noch Kunstanleihen kaufen?
Viele.

Auf Ihrer Homepage nennen Sie ein Beispiel: Wenn Herr XY jeden Monat zehn Euro investiert, haben Sie nach einem Jahr 120 Euro. Welche Summe brauchen Sie, um sorgenfrei im Sonnenschein arbeiten zu können?
Mir geht es eigentlich darum, dass möglichst viele Menschen mitmachen und Anteil an meiner Arbeit nehmen. Als Mitglied im International Sunshine Club hat man das Privileg, meine Arbeit auf einem Blog zu verfolgen. Wie viel der Einzelne spendet, ist zweitrangig, wenn genügend Leute mitmachen.

Aber für was geben Sie es aus?
Fürs Leben, Wohnen und Essen, und natürlich stecke ich es auch in Arbeitsmaterialien und Ausstellungen.

Ein gutes Stichwort: Nach einem Jahr soll es eine Jahresendausstellung geben. Dort kann der Anleiher seinen Gutschein im 1,25-fachen Wert seiner Zahlung  gegen ein Kunstwerk eintauschen. Sie müssen also mindestens so viel Werke fertigen, wie es Anleiher gibt?
Wenn man mich unterstützt, muss ich dafür auch arbeiten. Und es ist klar, dass ich eine Auswahl anbieten muss. Aber davon hat letztlich jeder etwas.

"Sie können gute Kunst für wenig Geld kaufen"

Sie versprechen den Kunstanleihern „sagenhaft günstige Konditionen“. Was heißt das?
Es ist für die Menschen eine gute Chance, dem International Sunshine Club jetzt beizutreten: Sie können gute Kunst für wenig Geld kaufen. Wenn ich etwas berühmter werde, steigen meine Werke im Wert.

Was macht Sie da so sicher? Sind Sie denn ein guter Künstler?
Ich glaube, meine gute künstlerische Idee hat Sie hierher gebracht, oder? Heißt es dann nicht, dass ich ein guter Künstler bin?

Sie versprechen auch, dass man nicht spendet, sondern sogar mehr zurückbekommt. Aber wer bestimmt den Wert von Kunst?
Ich habe Erfahrungen gesammelt: Das Kunstmuseum Stuttgart hat einige meiner Kunstwerke gekauft. Daher habe ich eine Vorstellung, was ich verlangen kann. Und deshalb darf ich mich auch nicht zu billig verkaufen. Es gibt meinen Wert als Künstler.

Ihre Sachen hängen also im Kunstmuseum?
Sie hängen noch nicht, aber das Museum sammelt meine Sachen.

Es ist freilich eine gute Marketingstrategie, sich das Überleben zu sichern und das zur Kunstaktion zu erklären.
Es ist derzeit ein wichtiges Thema in der Kunstszene, was der Künstler in der Finanzkrise macht. Und es ist gut, das Thema auch künstlerisch aufzugreifen. Das ist einfach ein Kunstprojekt, bei dem jeder mitmachen kann und merkt, dass es neben dem Geld noch andere wertvolle Dinge gibt, etwa Kunst.

Sie sprechen davon, dass Ihre Kunstanleiher „Teil am Wertschöpfungsprozess der Kunst“ haben. Widerstrebt es Ihnen nicht, Kunst und Ökonomie so eng zu verquicken?
Auch das ist gerade ein wichtiges Thema in der Kunstszene. Früher haben Sammler und Museen nur Kunstwerke gesammelt. Derzeit spielt die Performancekunst, also die künstlerische Darbietung,   eine immer größere Rolle. Da ist es noch schwerer als bei einem Bild, den Wert zu bestimmen. Außerdem hat man als Künstler nicht unbedingt die Wahl, an der Ökonomie vorbei zu denken, man braucht  auch Geld zum Leben. Da ist es sinnvoll, sich aktiv mit der Ökonomie auseinanderzusetzen, künstlerische Alternativen zu bieten.

Sie selbst machen vorrangig Performancekunst. Heißt das, die Anleiher bekommen gar kein handfestes Kunstwerk mit nach Hause, sondern Sie machen eine Performance für sie?
Es war einmal ein Künstler, der hatte einen Wettbewerb gewonnen. Er sollte eine Skulptur bauen, aber er hat stattdessen von dem Geld einen kleinen Diamanten gekauft. An dem Ort, wo er die Skulptur hätte bauen sollen, hat er ihn hingeschmissen, mitten auf  eine Wiese. Seitdem kommen Menschen dorthin und suchen danach. Bis heute aber ist er noch nicht gefunden worden.

Und die Skulptur?
Das war die Skulptur. Der Gedanke ist die Skulptur. Und ich glaube, sie ist weitaus größer als eine drei Meter hohe Skulptur.

"Im Moment brauche ich erst einmal Anleiher"

So etwas könnte Ihren Kunstanleihern also auch ins Haus stehen?
Ja. Wenn man ein Bild bekommt, hat man dieses nur in der Hand. Es bleibt immer eine Distanz zu diesem Bild –  und damit zu mir. Eine Performance oder der Gedanke daran bleibt für immer, bis zum Ende. Deswegen habe ich angefangen, die Konzepte meiner Performances auf Leinwand zu malen oder als Comic zu zeichnen, so wird das Konzept nochmals zur Verhandlung gestellt.

Wenn das Projekt gut läuft, wollen Sie auch andere Künstler an der Idee teilhaben lassen. Gibt es bereits Interessenten?
Im Moment brauche ich erst einmal Anleiher. Ein paar habe ich bereits. Wenn das dann läuft, werde ich gute Künstler an dem Projekt beteiligen - gute Künstler, die aber in einer schlechten Situation sind.

Und Sie bewerten, wer ein guter Künstler ist?
Also ich denke, ich bin selbst ein Künstler und außerdem der Gründer des International Sunshine Club. Daher kann ich auch andere Künstler bewerten.

Sie haben derzeit noch ein weiteres Kunstprojekt, das sehr wirtschaftsorientiert klingt: die Win win Company.
Das ist ein neues Projekt, das ich gerade in Fellbach präsentiert habe. Ich habe eine Künstler-Firma gegründet. (Es klingelt an der Tür. Der Fotograf kommt. Byung Chul Kim hat eine Idee für ein Fotomotiv. Er geht in sein Arbeitszimmer, holt ein weißes Plakat und einen Stift, schreibt „Hallo Sonne“ darauf, hängt sich damit aus dem Fenster und lässt sich fotografieren. Dann kommt er lächelnd zurück in die Küche.)

Sind Sie zufrieden?
Wenn das Foto in der Zeitung gedruckt wird, steigt mein Plakat im Wert . . .  Aber zurück zur Win win Company. Das ist eine Agentur, bei  der man Künstler ausleihen kann.

Sie meinen, in der man Kunst ausleihen kann? Wie in einer Bibliothek?
Nein, nicht Kunst, sondern Künstler kann man sich dort leihen. Zu einer Hochzeit kann man sich etwa einen Videokünstler ausleihen, der dann eine gute künstlerische Videodokumentation anfertigt. Ein anderes Beispiel: In vielen Restaurants hängen nur Kunstdrucke an den Wänden. Der Besitzer kann sich bei uns einen Maler mieten, der ihm Bilder malt. Dann hängen dort nur Originale.

Wenn ich heiraten würde, könnte ich Sie auch für eine Hochzeitsperformance mieten?
Natürlich.

Und inwieweit hätte ich Mitspracherecht?
Sie könnten sich überraschen lassen - oder mit mir diskutieren. Eine Diskussionsperformance . . .