Das Interkulturelle Fest: Am Anfang gab es ein überschaubares Menschenkickerturnier. Foto: privat

Was als Kickerturnier in Lebensgröße begann, ist nun ein großes buntes Fest mit 65 Vereinen. Doch das Interkulturelle Fest in Ludwigsburg hat in politisch aufgeheizten Zeiten auch eine größere Bedeutung.

Ludwigsburg - Polani aus Afghanistan, polnisches Piroggi oder tibetische Momo: Wer in den vergangenen Jahren die verschiedenen Speisen auf dem Interkulturellen Fest auf dem Ludwigsburger Marktplatz probiert hat, konnte sich buchstäblich durch die ganze Welt essen. Das wird in diesem Jahr nicht anders sein. Und doch hat sich etwas geändert: Seit den Ereignissen von Chemnitz, bei denen Rechtsradikale in großer Schar aufmarschiert sind und Jagd auf Migranten gemacht haben, ist auch der Blick auf das Ludwigsburger Fest, das Migration und Integration feiert, ein anderer geworden.

Schon immer habe das Fest eine politische Dimension gehabt, sagt Hendrik Rook, der Regionsleiter der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz, die die Veranstaltung einst ins Leben gerufen hat. „Aber aus meiner Sicht ist diese Dimension in den vergangenen Jahren wichtiger geworden denn je“, sagt er. Rook meint konkret seit 2015, als die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entschied, gut eine Million Flüchtlinge an der Grenze nicht abzuweisen, sondern ins Land zu lassen. Seitdem habe sich die Debatte über Migration und Integration verändert: Von begeisterter Willkommenskultur hin zu einer Sicht, die Migration nur noch als Problem diskutiere. „Es gibt mittlerweile wirklich Leute, die glauben, dass Migration die Mutter aller Probleme ist“, sagt Rook.

40 Prozent der Ludwigsburger haben Migrationshintergrund

Natürlich verleugne man nicht, dass es dabei Probleme gebe, „sonst gäbe es ja unsere Sozialdienste nicht“. In der politisch aufgeheizten Stimmung sei es aber wichtig zu zeigen, dass Migration auch Chancen biete – und hier sei das Interkulturelle Fest wichtig. „Dort zeigen wir, welche Potenziale Menschen haben, die zu uns kommen“, sagt er. Rook ist überzeugt: „Ein Teil des Wohlstandes hier im mittleren Rhein-Neckar-Raum wäre nicht denkbar ohne die Zuwanderer.“

Ludwigsburgs Oberbürgermeister Werner Spec (parteilos) sieht das ähnlich, „Migration und Integration sind eine große Chance.“ Ludwigsburg sei seit seiner Gründung vor 300 Jahren interkulturell geprägt. Damals kamen italienische Baumeister, um die Stadt mit aufzubauen. Heute sehe man die kulturelle Vielfalt vor allem an der Gastronomie. Der Ausländeranteil in der Stadt betrage nominell 20 Prozent. Zähle man aber jene mit Migrationshintergrund dazu, wären es mehr als 40 Prozent der Einwohner. „Die sind aus unserer Stadt nicht mehr wegzudenken“, sagt Spec.

Am Anfang war das Fest ein kleines Fußballturnier

Spec hat einen entscheidenden Anteil daran, dass das Interkulturelle Fest inzwischen so groß ist. 2006 war es noch eine kleine Veranstaltung auf dem Rathausplatz, erinnert sich Monika Miller, die Fachleiterin Soziale Hilfen bei der Caritas in Ludwigsburg. Auf ihren Vorschlag geht das Fest zurück – wobei es zu Beginn noch ganz anders aussah: Die Caritas hatte eingeladen zum „interkulturellen Menschenkickerturnier“. Jugendmannschaften unterschiedlicher Herkunft wurden dabei an Stangen gebunden und spielten so eine Art Tischkicker in Lebensgröße. Das Event für Jugendliche zog ein paar hundert Leute an, Kulturvereine waren noch kaum beteiligt. Als Spec zu Besuch kam, habe er vorgeschlagen, die Veranstaltung mehr ins Herz der Stadt zu verlegen – also auf den Marktplatz, wo das Fest nun seit 2007 stattfindet. Seitdem ist auch die Stadt Mitveranstalter. Nach ein paar Jahren wurde das Menschenkickerturnier abgeschafft zugunsten eines größeren Programms für Kinder: Das Familienfest war geboren.

Mittlerweile nehmen 65 Vereine daran teil, und zahlreiche Ehrenamtliche engagieren sich für das Gelingen der Veranstaltung. Einen irakischen oder syrischen Kulturverein gibt es noch nicht als Teilnehmer, „aber das wird bestimmt bald kommen“ ist sich Monika Miller sicher. Dass die Themen Migration und Flüchtlinge die Ludwigsburger Bevölkerung spalten, sehen Miller und Rook nicht, im Gegenteil: „Wir sehen viele Ludwigsburger auf dem bunten Fest“, sagt Rook. Und nicht jeder Stand repräsentiert weit entfernte Kulturen: Der schwäbische Heimatverein war hier auch schon vertreten. In Ludwigsburg werde die aktive Bürgergesellschaft gelebt statt einer „passiven Koexistenz nebeneinander her“, sagt Rook. „Wenn es nur ein Fest für die Hälfte der Bevölkerung wäre, wäre das ja kontraproduktiv.“

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Jubiläum
In diesem Jahr gibt es gleich mehrere Anlässe zu feiern: 100 Jahre Caritasverband Rottenburg-Stuttgart, 60 Jahre Bücherbus der Stadtbibliothek und 300 Jahre Stadt Ludwigsburg. Traditionell eröffnet wird das Interkulturelle Fest bereits am Freitag, doch das eigentliche Hauptprogramm läuft am Samstag von 12 bis 22 Uhr auf dem Marktplatz.

Programm
Um 12 Uhr führt eine Parade der Kulturen durch die Ludwigsburger Innenstadt auf den Marktplatz. Dort eröffnet ein Basar der Kulturen mit Kunsthandwerk, Kulinarischem und Kreativem aus aller Welt. Tagsüber gibt es ein Familienprogramm mit Malen und Basteln, Kinderschminken und Spielmobil. Um 13 Uhr beginnt die Eröffnungsshow der Tanz- und Theaterwerkstatt. Danach liefern sich zwei Caritas-Chöre einen Gesangs-Wettstreit. Von 14 Uhr an präsentieren sich die Vereine mit Tanz- und Gesangseinlagen auf der Bühne.

Musik
Am Abend wird der Marktplatz zum Festplatz. Um 18.30 Uhr eröffnet das Weltmusik-Ensemble Ses der Jugendmusikschule das Abendprogramm. Um 19 Uhr tritt dann die deutsch-türkische Musikgruppe Limanja aus Ludwigsburg auf und präsentiert „Oriental Fusion Rock“. Und um 20 Uhr starten La Severa Matacera in die Jubiläumsnacht. Die kolumbianische Gruppe mixt Ska, Reggae und Rock zu einem eigenen Sound. Der Eintritt zum Fest ist den ganzen Tag über kostenfrei.