Auf dem Sprung: Immer mehr Firmen setzen auf Interimsmanager. Foto: Fotolia

Gewerkschaften kämpfen gegen befristete Arbeitsverhältnisse – anders als Interimsmanager.

Stuttgart - Brigitte Kimpel-Koch bewegt sich am Stuttgarter Flughafen wie andere in ihrem Wohnzimmer. Zwischen sechs und zwölf Monaten bleibt sie an einem Ort – und bei einem Arbeitgeber. Dann zieht sie zum nächsten. Die 54-Jährige ist Einkaufsmanagerin auf Zeit. Die Firmen setzen immer stärker auf sogenannte Interimsmanager.

Ihre Heimat bezeichnet Brigitte Kimpel-Koch lediglich als einen „guten Ort zum Urlaubmachen“. Ruhig ist es dort und grün – ihr erster Wohnsitz ist in Walldürn im Odenwald. Dort lebt sie mit ihrem Mann, einem Zahnarzt, Kinder haben sie keine. „Mit Kindern wäre mein Job wohl kaum möglich“, sagt sie. Und auch nicht ohne eine stabile finanzielle Grundlage. „Falls ich keine Aufträge bekommen würde, könnte mich mein Mann durchfüttern“, sagt sie. Die Vorstellung ist für sie so abwegig, dass sie lachen muss. Momentan läuft es für die Chefs auf Zeit noch gut: Das Honorarvolumen sei 2011 auf 850 Millionen Euro gestiegen, sagt Jens Christophers (47), Chef der Dachgesellschaft Deutsches Interim-Management (DDIM).

Das war nicht immer so: 2002 lag diese Zahl noch bei 80 Millionen. „Es hat seine Zeit gebraucht, bis es das Interimsmanagement aus der Schmuddelecke geschafft hat“, sagt Christophers. In den ersten Jahren war dieser Berufszweig geprägt von in die Jahre gekommenen ehemaligen Geschäftsführern, die ihren Arbeitsplatz verloren und einen Grashalm zum Festklammern gesucht haben. Inzwischen sei die Zahl der Interimschefs auf 5500 gewachsen, sagt Christophers. Die meisten würden sich aus freien Stücken gegen ein festes Arbeitsverhältnis entscheiden. So wie Brigitte Kimpel-Koch.

Firmen käme die Lösung günstiger als eine festangestellte Führungskraft

Nachdem sie jahrelang als Einkaufsmanagerin bei Klosterfrau und Kneipp gearbeitet hatte, wollte sie sich selbstständig machen. „Ich wollte mich nicht mehr dauerhaft an bestimmte Unternehmen mit ihren Reglementierungen binden“, sagt Kimpel-Koch. Aus finanziellen Gründen würde sich keiner für das Interimsmanagement entscheiden, sagt sie. Der Tagessatz für einen Chef auf Zeit beträgt zwischen 1100 und 1500 Euro. Das durchschnittliche Jahresgehalt liegt laut Christophers bei 137.000 Euro. Den Firmen käme die Lösung günstiger als eine festangestellte Führungskraft, sagt Christophers.

Man könne sich beispielsweise leichter von einem Chef auf Zeit trennen, sagt er. Ihre Verträge sähen meistens zwischen einem Tag und zwei Wochen als Kündigungsfrist vor, sagt Kimpel-Koch. „Teure Abfindungen können sich Firmen in diesem Fall sparen“, sagt Christophers. Außerdem müssen die Arbeitgeber keine Sozialbeiträge zahlen – diese machen immerhin 20 Prozent des Gehalts aus.

Doch bei der Belegschaft kommt ein Interimsmanager nicht immer gut an. „Unsere Themen sind Effizienzsteigerung und Umsatzgenerierung, aber auch die Einführung von neuen Produkten, die Weiterentwicklung von Standorten“, sagt Christophers. In der Krise jedoch rücke das Thema Krisenmanagement in den Vordergrund.

„Krise bedeutet jedoch auch, dass ich weniger Aufträge bekomme“, sagt Brigitte Kimpel-Koch. Planen kann sie ihr Jahr ohnehin nicht. Doch wenn die Aufträge wegbleiben, wird ihr Berufsalltag noch unsicherer. Etwa ein Drittel der Mandate werden laut DDIM über sogenannte Provider und Sozietäten vermittelt.

Wie lange die Zeiten so glänzend bleiben, ist fraglich

Rund 25 bis 30 professionelle Vermittlungsfirmen zählt der DDIM im deutschen Markt. Atreus bezeichnet sich in diesem Bereich als Marktführer. Das Geschäftsjahr 2011 habe Atreus mit einem Umsatzwachstum von 55 Prozent abgeschlossen und weise nun einen Jahresumsatz von 25 Millionen Euro aus, teilt das Unternehmen mit.

Wie lange die Zeiten so glänzend bleiben, ist fraglich. Als Auswirkung des Krisenjahrs 2009 sei das Honorarvolumen im ersten Quartal 2010 um 60 bis 70 Prozent eingebrochen, sagt Christophers. Obwohl derzeit nicht klar ist, wann die Auswirkungen der Euro- und Schuldenkrise Deutschland voll erwischen, rechnet Christophers auch für 2012 mit einem wachsenden Markt. Dieses Jahr werde zum ersten Mal die Milliardengrenze geknackt, so seine Prognose. Er geht sogar von einem Wachstum von bis zu 30 Prozent aus.

Kimpel-Koch schrecken Krisenszenarien wenig. Sie ist die Ungewissheit gewohnt. Dass es immer mehr Interimsmanager gibt, liegt ihrer Meinung nach an einer Werteverschiebung. „Die Menschen haben heute nicht mehr so stark das Bedürfnis danach, ein ganzes Leben lang in einem Unternehmen zu bleiben“, sagt sie. „Sie wollen herumkommen und flexibel sein.“ In diesen Tagen läuft Kimpel-Kochs aktuelles Mandat in einem baden-württembergischen Pharmaunternehmen aus. Wie es danach weitergeht, weiß sie nicht. „Grundsätzlich bin ich ungefähr 70 bis 75 Prozent des Jahres ausgelastet“, sagt sie. Oft wird sie gefragt, ob sie nicht bleiben möchte. Aber Kimpel-Koch kommt, um zu gehen. „Wenn ein Projekt erfolgreich abgeschlossen ist und die Aufgaben zur Routine werden, packe ich wieder meine Sachen“, sagt sie. Sie zieht einen kleinen Rollkoffer hinter sich her, als sie auf dem Flughafen in Richtung Ausgang steuert.