Ausländische Kinder sollen Deutsch lernen. Das ist das oberste Ziel der Kultusministerin. Foto: Dieter Roosen

Nicht nur einheimische Politiker sehen den türkischen muttersprachlichen Unterricht kritisch und befürchten Indoktrination. Die Zahlen zeigen: Das Interesse der jungen Türken lässt nach.

Stuttgart - Der Konsulatsunterricht verliert bei türkischen Kindern stetig an Attraktivität. In diesem Schuljahr besuchen in Baden-Württemberg 19 023 Schüler den türkischen muttersprachlichen Unterricht. Das sind 3470 oder 15 Prozent weniger als im vergangenen Schuljahr. Vor zwei Jahren nutzten sogar noch 24 426 junge Türken das freiwillige Angebot, wie aus einer Auflistung des Kultusministeriums hervorgeht. Im Schuljahr 2008/09 zählte das Ministerium 29 470 Teilnehmer im türkischen Konsulatsunterricht.

Trend seit Jahren rückläufig

Der Trend rückläufiger Teilnehmerzahlen am muttersprachlichen Unterricht sei bereits seit vielen Jahren deutlich, erklärte eine Sprecherin von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Vor zehn Jahren waren 54 483 Kinder mit ausländischen Wurzeln dabei, jetzt sind es 35 417. Der Konsulatsunterricht wird von den Herkunftsländern der Kinder angeboten. Der Inhalt und die Organisation liegt in ihrer Verantwortung. Der muttersprachliche Unterricht beruht auf der sogenannten EU-Wanderarbeiterrichtlinie von 1977. Er war gedacht als Hilfe bei einer etwaigen Rückkehr der Familien in ihre Herkunftsländer.

Heute bieten in Baden-Württemberg 14 Länder muttersprachlichen Unterricht an: Bosnien-Herzegowina, Griechenland, Italien, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Polen, Portugal, Serbien, Slowenien, Spanien, Türkei, Tunesien und Ungarn. Die meisten Kurse belegen Kinder türkischer Herkunft. An zweiter Stelle liegt Italien, gefolgt von Griechenland und Kroatien.

Während im griechischen muttersprachlichen Unterricht die Teilnehmerzahl seit dem vergangenen Schuljahr um 343 auf 2403 anstieg, ging sie bei den Italienern leicht zurück. In diesem Jahr besuchen 6655 italienischstämmige Schüler einen der Kurse, im vergangenen Jahr waren es 6987.

Differenzen um staatliche Aufsicht

Auch das Bundesland Berlin hatte jüngst gemeldet, dass 30 Prozent weniger Schüler den Konsulatsunterricht besuchten. Dort gibt es allerdings auch muttersprachlichen Unterricht in staatlicher Trägerschaft. Besonders am türkischen Konsulatsunterricht waren auch im Südwesten Bedenken aufgekommen. Es wird befürchtet, dass die Lehrer in türkischen Diensten die Schüler in Deutschland indoktrinieren. Grüne, SPD und FDP wollten den Unterricht unter staatliche Aufsicht stellen.

Das lehnt Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann nach wie vor ab. Jetzt kostet der muttersprachliche Unterricht das Land jährlich gut eine Million Euro. In Eigenregie wäre er deutlich teurer. Änderungen an dem freiwilligen Angebot seien nicht geplant, bekräftigt Eisenmann ihre Haltung vom vergangenen Sommer. Die rückläufigen Zahlen würden zeigen, „dass die Intention der alten EU-Wanderarbeiterrichtlinie immer weniger greift.“ Eisenmann setzt mehr auf die deutsche Sprache. Sie ist dafür, „beim staatlichen Angebot den Akzent auf eine frühzeitige Förderung deutscher Sprachkompetenzen zu legen.“