Der Dreck wird nicht weggefegt, sondern weggespült und aufgesaugt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In der Nacht zum Donnerstag beginnt der Test, mit einer intensiven Straßenreinigung die Feinstaubbelastung am Neckartor zu reduzieren. Dabei wird der Dreck nicht weggefegt, sondern weggespült und eingesaugt.

Stuttgart - „Ich arbeite mit rotierenden Düsen für porentiefe Sauberkeit“ – so steht es auf einem der Straßenreinigungsfahrzeuge, die am Mittwoch auf dem Marktplatz vorgestellt wurden und die erstmals in der Nacht auf Donnerstag die Straßenzüge rund um das Neckartor reinigen. Wenn in der Realität das eintritt, was die Aufschrift verspricht, dann könnte sich die Hoffnung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) im Kampf gegen die Feinstaubbelastung erfüllen. „Wir kämpfen um jedes Mikrogramm“, sagte Kuhn, „das Testprojekt Straßenreinigung ist ein relevanter Versuch, die Spitzenwerte zu senken und Tage mit knappen Überschreitungen der Grenzwerte zu verhindern“. Immerhin sei an 15 der 63 Überschreitungstage im Jahr 2016 den Grenzwert von 50 Mikrogramm nur um bis zu fünf Mikrogramm überschritten worden. Deshalb könne die Reinigung ein „wichtiger Baustein im Kampf gegen Feinstaub“ sein.

Fahrzeuge sind nachts unterwegs

Im März werden in den Nächten von Sonntag bis Freitag von 22 bis 5 Uhr spezielle Reinigungsmaschinen der Firmen Reuther, Kärcher und Faun Abschnitte der Cannstatter Straße, Heilmannstraße und der Straße am Neckartor reinigen. Die Straßen werden dafür nicht gesperrt, allerdings sind die Maschinen langsam unterwegs und werden deshalb von Sicherungsfahrzeugen des Abfallwirtschaftsbetriebs der Stadt (AWS) mit Warnleuchten begleitet. Die Reinigungsfahrzeuge setzen unterschiedliche Techniken ein, denen gemeinsam ist, dass nicht gekehrt wird, sondern unter hohem Druck mit Wasser gespült und dann der Dreck aufgesaugt wird. Ergebnisse des Versuchs sollen im Frühsommer vorliegen.

Auslöser für den Versuch war ein Interview des Dekra-Vorstandsmitglieds Clemens Klinke mit dieser Zeitung. Darin hatte der Experte angesichts des im Vergleich zum Reifen- und Bremsenabrieb geringen Anteils der Abgase an der Feinstaubbelastung eine solche Reinigung angeregt. Daraufhin hatte Kuhn Gespräche mit der Prüforganisation und den Firmen aufgenommen. „Es ist toll, dass die Unternehmen ihre innovative Technik zum Wohl der Stuttgarter Luft einsetzen wollen“, sagte Kuhn. Die Firmen finanzieren den Einsatz selbst, Dekra übernimmt die Koordination, misst an mehreren Stellen und analysiert die Ergebnisse. „Wir erhoffen uns nicht nur Angaben über die Entwicklung der Feinstaubbelastung, sondern auch über die Zusammensetzung des Feinstaubs“, sagte das Dekra-Vorstandsmitglied Clemens Klinke. Wenn man wisse, welche Partikel wie stark vertreten seien, könne man auch Aussagen über die Herkunft machen. Dekra arbeite bei der Analytik auch eng mit der Landesanstalt für Umwelt und Messungen zusammen, die die offiziellen Luftschadstoffwerte ermittelt und die Messstelle am Neckartor betreibt. Weitere Messstellen werden von Dekra am Marienplatz und im Schlossgarten eingerichtet.

Stadt und Dekra setzen auf bessere Technik

Die Stadt hatte bereits 2006 einen Kehrversuch unternommen, damals „nicht sonderlich erfolgreich“, wie Kuhn am Mittwoch sagte. Die Hoffnung auf bessere Ergebnisse beruht nun vor allem darauf, dass „die Technik vorangeschritten ist und wir mit höheren Wasserdrücken und stärkerer Saugleistung arbeiten können“, sagte AWS-Geschäftsführer Thomas Heß, der auch einen Fahrer abstellt. Bevor sie sich zu Feinstaub entwickeln und aufsteigen, sollen die Partikel gebunden und beseitigt werden. Die Firma Reuther setzt in ihren Fahrzeugen Spezialdüsen ein, die das Wasser mit einem Druck von bis zu 800 bar verteilen und dann das Wasser mit den Schmutzpartikeln aus den Poren des Straßenbelags aufsaugen. Die Firma Faun schafft durch 20 Flachstrahldüsen eine Art Saugglocke rund um ihr Fahrzeug und leitet so den durch die Reinigung aufgewirbelten Staub an die am Heck angebrachte Sauganlage. Dabei werden 70 Prozent der angesaugten Luftmenge immer wieder zur Schmutzpartikelaufnahme genutzt. Kärcher setzt als Weltmarkführer in der Reinigungstechnik auf eine kleine Kehrmaschine, die vor allem am hoch belasteten Straßenrand und auf Gehwegen eingesetzt wird: Sie sprüht Wasser auf die Straße, die mit drei großen Tellerbürsten geschrubbt wird, anschließend wird das Gemisch abgesaugt.

Die wichtigsten Informationen zum Thema Feinstaub gibt es in unserem Video: