Freude über den zweiten Preis: links Heiningens Bürgermeister Norbert Aufrecht mit Mitarbeitern des beteiligten Lichtstudios und des Leuchtenherstellers, Mischa Allgaier von Netze BW (hintere Reihe rechts) und Doktorand Samuel Fiedelak (vorne Bildmitte links). Foto: Gemeinde Heiningen

Die Voralbgemeinde Heinigen im Kreis Göppingen holt mit ihrem Versuch für eine intelligente und insektenfreundliche Straßenbeleuchtung den zweiten Preis für Nachhaltigkeit beim Wettbewerb des Bundeswirtschaftsministeriums.

Das hat man sich in Heiningen nicht träumen lassen. Die Voralbgemeinde bekommt für ihren Versuch einer optimal an die Verkehrsdichte angepassten und insektenfreundlichen Straßenbeleuchtung bundesweit den zweiten Platz für Nachhaltigkeit. Genauer gesagt: Für Nachhaltigkeit in „Reallaboren“, in Städten und Gemeinden, die etwas Neues versuchen. Und solche Versuche sollen künftig leichter möglich sein.

 

Mehr als hundert Städte und Gemeinden beteiligten sich

Heiningens Bürgermeister Norbert Aufrecht ist überwältigt vom Erfolg. In 18 Amtsjahren ist er noch nie nach Berlin gefahren, um einen Preis in Empfang zu nehmen. Jetzt war es soweit. Das Wirtschaftsministerium hatte den Preis ausgelobt, und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gratulierte den Teilnehmern via Bildschirm. Die Überraschung hätte für Aufrecht nur größer sein können, wenn es zum ersten Platz gereicht hätte. Dieser Gedanke verbietet sich für ihn – bei einer solchen Konkurrenz. „Bei über hundert Bewerbungen“, sagt er, Städte und Gemeinden aus ganz Deutschland waren im Rennen. Dass Heiningen überhaupt in Berlin dabei sein werde, „habe ich nie erwartet“.

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Und jetzt lag nur noch eine Kommune vor ihm – auch aus Baden-Württemberg. Esslingen hat ihn geholt, mit einem städtebaulichen Projekt, das eine große Nummer ist. Auf dem ehemaligen Güterbahnhof soll das nachhaltige Vorzeigequartier „Neue Weststadt – Klimaquartier“ mit etwa 480 Wohnungen, Büro- und Gewerbeflächen sowie einem Neubau der Hochschule Esslingen entstehen.

Esslingen hat die Nase beim Publikum vorne

Und: Es war dann gar nicht die Jury, die Heiningen auf den zweiten Platz gesetzt hat. In den anderen Kategorien wurden alle drei Nominierten jeweils mit einem ersten Preis geehrt. Hier aber, bei diesem Sonderpreis, auf den Habeck übrigens besonderen Wert gelegt habe, gab es ein Publikumsvoting. Dabei unterlag Heiningen Esslingen.

Natürlich: Heiningen hatte Triftiges zu bieten. Es hat gestochen, dass die Gemeinde mit der Technischen Universität Berlin und mit Fachfirmen etwas untersuchen will, was allen nutzt und bisher noch Neuland ist: Wie kann man die Straßenbeleuchtung so einstellen, dass sie genau so hell ist, wie es die aktuelle Verkehrsdichte erfordert? Dass sie weiß, wie viel Verkehr im Anrollen ist und sich darauf einstellt. Das wird mit feinstem Instrumentarium gemessen. Für Heiningen ist ein Doktorand der TU Berlin daran, der die ganze Palette der LED-Lampen auf dem Schirm hat und versucht, „das Optimale rauszuholen“, sagt Aufrecht. Und der gleichzeitig die Lampen herausfinden will, die Insekten möglichst nicht anziehen.

Erkenntnisgewinn auch für Leuchtenhersteller

Das hat auch Erkenntniswert für Leuchtenhersteller. Von denen ist auch einer im Boot, aus Stuttgart übrigens. Er will wissen: Was sagt die Wissenschaft, was ergibt sich daraus für sein Angebot. So ist das „Reallabor“ in Heiningen einerseits ein technischer Versuch, andererseits auch ein wirtschaftlicher. Und für die Kommune Heiningen, und alle, die dann davon profitieren, soll es den wirtschaftlichen Nutzen – weniger Stromverbrauch – und den Nutzen für den Artenschutz bringen. Weniger nächtliche Lichtbelastung für die Anwohner in der Ortsdurchfahrt, wo der Versuch mit neuen Lampen läuft, und möglichst keinen Schaden für die Insekten, die man für eine intakte Natur braucht.

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Was Aufrecht darüber hinaus noch begeistert: Robert Habeck habe angekündigt, dass er ein Gesetz für „Reallabore“ herausbringen will. Ein Gesetz, das die Experimentierfreudigkeit für neue Ideen fördert. Es solle „Experimentierkästen” für alle Bereiche unseres Lebens zulässig machen, nicht nur für technische Versuche wie in Heiningen. Sondern: sogar für die öffentliche Verwaltung, betont Aufrecht. Das heißt dann auch: „Man darf auch scheitern.“ Aufrecht ist überzeugt, dass Heiningen das nicht passieren wird.

Preisverleihung mit Blick in die Zukunft

Ideen
 Der Heininger Bürgermeister Norbert Aufrecht sagte, er habe bei der Preisverleihung in Berlin „unglaublich tolle Projekte“ gesehen. Dazu gehörten Ideen zur Wasserstoffversorgung, Lieferdrohnen für Medikamente, ein elektrisch angetriebener Helikopter namens „Multikopter“ mit mehreren Rotoren. Mit letzterem sollen Notärzte künftig schneller zum Einsatzort kommen.

Technologien
 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz will mit seinem Wettbewerb für Reallabore herausragende Testräume für Innovation und Regulierung würdigen. Dabei würden digitale Technologien wie etwa Künstliche Intelligenz zur Anwendung gebracht, um echten Mehrwert zu schaffen, besonders auch für den Klima- und Umweltschutz.