Immer weniger Menschen engagieren sich für geflüchtete Menschen. Das aber ist wichtig für die Integration. Der Kreisdiakonieverband in Ludwigsburg möchte mit einer besonderen Aktion wieder mehr Menschen für das Ehrenamt motivieren.
Ein Satz, der Hoffnung macht: „Viele Menschen haben uns hier geholfen.“ Die Sprache zu lernen, Unterstützung bei Behördenterminen und schlicht anzukommen. Guesh und Wezam Gebretensae sind aus Eritrea geflohen und leben seit neun Jahren in Deutschland. Sie fühlen sich hier mittlerweile zu Hause. Deutschland sei ihre zweite Heimat geworden. Sie haben Arbeit gefunden und die Sprache gelernt. Bei ihrer Integration haben sie aber auch viel Unterstützung bekommen, wie sie sagen.
Immer seltener engagieren sich Menschen für Geflüchtete
2015 mussten viele Millionen Menschen aus Syrien, Irak, Libanon, den Sudan, Eritrea und anderen Ländern ihre Heimat verlassen und flüchteten nach Europa. Daraufhin schlossen sich hier viele Freiwillige zusammen, gründeten Arbeitskreise und halfen bei der Integration, sagt Martin Strecker, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverband Ludwigsburg. Er verantwortet die Ökumenische Fachstelle Asyl, die das Engagement der Freiwilligen im Landkreis Ludwigsburg betreut. 20 bis 25 Arbeitskreise Asyl gebe es aktuell im Landkreis Ludwigsburg. 2015 hätten sich aber besonders viele engagiert. Strecker spricht hier von einer Krisensituation. Die Ehrenamtlichen begleiten die Geflüchteten zu Ämtern oder Arztterminen, helfen beim Ausfüllen von Formularen, unterstützen bei der Wohnungssuche oder dabei, Deutsch zu lernen.
Viele, die sich lange engagiert haben, seien heute ausgebrannt und erschöpft, sagt Strecker. Immer seltener seien Menschen dazu bereit, sich längerfristig zu engagieren und zu binden. Gemeinsam mit der Ökumenischen Fachstelle Asyl habe er überlegt, wie sie wieder mehr Menschen für die Arbeit mit Geflüchteten begeistern können. Dabei hatten sie eine besondere Idee, aus dem das Projekt „Schmeck nei!“ entstand.
Italiener haben die Pizza importiert ...
Italiener haben die Pizza nach Deutschland gebracht, Vietnamesen Pho und türkische Einwanderer sollen in Berlin den Kebab erfunden haben. „Essen ist häufig das Erste, das von Migranten in Deutschland sichtbar wird“, sagt Steffen Benzler von der Ökumenischen Fachstelle Asyl in Ludwigsburg. Sein Vorschlag: Er will geflüchtete Menschen mit Einheimischen bei einem Essen zusammenbringen. Dabei sollen die Geflüchteten etwas aus ihren Heimatländern kochen. Er hat Menschen, die nach Deutschland geflohen sind und jetzt hier leben, animiert. Im Gemeindezentrum St. Paulus haben sie dann zu einem Essen eingeladen.
Das erste gemeinsame Mahl fand am Freitag statt. Das Datum haben sie bewusst gewählt. Einen Tag später sollte ein Treffen einer rechtsextremen Gruppe in Ludwigsburg stattfinden. „Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen“, sagt Benzler. Er ist davon überzeugt, dass Vorurteile und Hass nur verschwinden, wenn man aufeinander zu geht und sich kennenlernt.
Das glauben auch Guesh und Wezam Gebretensae. Zwar haben sie bisher überwiegend freundliche und nette Menschen in Deutschland kennengelernt. Jedoch bekommen auch sie mit, dass rechtspopulistische Äußerungen zunehmen. Ihr Asylantrag ist zwar schon lange genehmigt, Angst vor einer Abschiebung haben sie dennoch.
Geflüchtete aus Eritrea erzählen von ihrer Flucht, Ankunft und Leben in Deutschland
Im Gemeindezentrum bereiteten sie Zigni zu. Einen Eintopf aus Eritrea mit Lamm, Tomaten, roter Zwiebel und Gewürzen. Dazu Injera, ein fluffiges Fladenbrot. 18 Menschen sind gekommen, um sie kennenzulernen und stellten interessiert Fragen. Wieso musstet ihr fliehen? Wieso wolltet ihr nach Deutschland, und was vermisst ihr am meisten?
Sie erzählten von ihrer Flucht, wie sie von Eritrea über Libyen und das Mittelmeer nach Italien gekommen sind. Darüber wie es für sie war, in Deutschland anzukommen und jetzt hier zu leben. Guesh war Lehrer für Mathematik, arbeitet aber jetzt im Lager einer Firma. Seine Frau Wezam arbeitet in der Küche eines Restaurants. Ihre Eltern leben nach wie vor in Eritrea. Seit zehn Jahren haben sie sich nicht mehr gesehen.
Kinder sollen ihre Träume leben
Ihre drei Kinder, die in Deutschland geboren sind, konnten sie nie kennenlernen. Das Paar wünscht sich sehr, dass auch sie nach Deutschland kommen. Das sei aber nicht möglich. „Der Weg ist viel zu hart“, erklärt Guesh. Seine Kinder sollen aber einmal hier ihre Träume verwirklichen. Meine Tochter möchte mal Ärztin werden, erzählt er stolz.
Geflüchtete im Landkreis Ludwigsburg
„Schmeck nei!“
zwei weitere Termine für einen Kochabend mit Geflüchteten stehen bereits fest. Der nächste „Schmeck nei!“ -Abend soll im März stattfinden. Die Teilnahme ist kostenlos.
Geflüchtete im Landkreis Ludwigsburg
Bis 2023 stieg die Zahl der Geflüchteten deutlich an. Während der Landkreis Ludwigsburg 2021 noch 962 Geflüchtete vorläufig untergebracht hatte, erhöhte sich die Zahl 2022 auf 1753 und erreichte 2023 schließlich 2302 Menschen, wie ein Sprecher des Landkreises mitteilte. In diesem Jahr hingegen ging die Zahl deutlich zurück, und es wurden 1089 Geflüchtete aufgenommen. Diese Zahlen umfassen nicht die Geflüchteten aus der Ukraine. Laut dem Sprecher stammen die meisten Schutzsuchenden aus der Türkei, Syrien und Afghanistan.