Geht es nach Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD), sollen eingebürgerte Aramäer, Armenier und Kurden Familiennamen annehmen können, die ihre Vorfahren in der Türkei aufgeben mussten. Foto: dpa

Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) rüttelt an dem in Deutschland streng geregelten Namensrecht: Eingebürgerte Aramäer, Armenier und Kurden sollen Familiennamen annehmen können, die ihre Vorfahren in der Türkei aufgeben mussten.

Stuttgart - „Die Namenserteilung ist kein gleichgültiges Anliegen und sollte nicht vom Zufall abhängen.“ Dieser Satz stammt nicht aus dem deutschen Namensrecht. Urheber ist der Philosoph Platon (427–347 v. Chr.). Darin zeigt sich die zeitlose Bedeutung von Namen. Keinesfalls sind sie, wie in Goethes „Faust“ behauptet, nur Schall und Rauch.

Der Name ist Teil der Persönlichkeit und deshalb auch besonders geschützt; in Deutschland noch stärker als anderswo. Es gilt der Grundsatz der Unabänderlichkeit. Ausnahmen sind möglich. „Aus wichtigem Grund“ (und gegen einen mittleren dreistelligen Betrag) können Namen im Einzelfall geändert werden. Als „wichtige Gründe“ gelten etwa eine Namenshäufung im engeren Umfeld oder Anstößigkeit.

Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney will diese Liste jetzt erweitert sehen. Als „wichtiger Grund“ sollen auch zwangsweise eingeführter Familiennamen gelten, „die Sinnbild für Verfolgung oder Unterdrückung sind“. Dieses Thema stellt sich aus ihrer Sicht bei den hier lebenden Aramäern, Armeniern und Kurden mit deutscher Staatsbürgerschaft. Der Großteil von ihnen trägt Namen, die von einer politischen Laune abhingen, mit Platon gesprochen von einer Art Zufall.

„Hintergrund ist, dass diese Minderheitengruppen aus der Türkei durch das (dort) am 21. Juni 1934 in Kraft getretene Gesetz Nr. 2525 zwangsweise türkische Familiennamen annehmen mussten“, schrieb Bilkay Öney jetzt in einem Brief an Bundesinnenminister Peter Friedrich (CSU): „Danach hatten die auszuwählenden Familiennamen aus der türkischen Sprache zu stammen. Ihre bisherigen Familiennamen durften sie nicht weiterführen.“

„Wer gezwungen wurde, seinen Namen zu ändern, sollte seinen Namen ändern können“

Die türkischen Namen tragen sie bis heute. Viele von ihnen, so hat die Ministerin in Gesprächen mit Vertretern von Aramäern, Armeniern und Kurden entnommen, haben „den dringenden Wunsch, den türkischen Nachnamen abzulegen und den früheren Familiennamen wieder führen zu dürfen“. Öney kann dies nachvollziehen: „Wer gezwungen wurde, seinen Namen zu ändern, sollte seinen Namen ändern können.“ Im Brief an Friedrich formuliert sie: „Ich unterstütze dieses Anliegen nachdrücklich.“

Diridur Sardaryan, Gemeindepfarrer der 5000 in Baden-Württemberg lebenden Armenier, bestätigt, dass der Wunsch nach den alten Namen bei vielen Familien ausgeprägt sei. Die Unterschiede seien erheblich: „Aus Philiposyan wurde beispielsweise Yanar.“ Eine willkürliche Setzung. Der Geistliche sieht in dem Wunsch auf Namensänderung auch einen Ausdruck dafür, dass die Familien Deutschland inzwischen als ihren Lebensmittelpunkt sähen, denn: „Eine Rückkehr in die Türkei mit geändertem Namen wäre problematisch.“

Daniyel Demir spricht für die ebenfalls christliche Minderheit der Aramäer. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Aramäer in Deutschland weist darauf hin, dass die Namensänderung regional unterschiedlich gehandhabt wird. „Deutschland ist in dieser Hinsicht ein Flickenteppich.“ Das findet man in Zahlen bestätigt. So sticht der Regierungsbezirk Stuttgart heraus, wo aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart von 2011 bereits neun Namensänderungsanträge von Aramäern genehmigt wurden. Aus Nordrhein-Westfalen weiß Demir, dass Anträge in bestimmten Regionen größtenteils abgelehnt wurden. Die insgesamt niedrigen Fallzahlen erklärt er damit, dass viele Familien vor dem Rechtsweg zurückschreckten. Würde die Umbenennung grundsätzlich erleichtert, würden nach seiner Einschätzung „sehr viele Familien davon Gebrauch machen“.

Bundesinnenministerium schweigt

Ob es jedoch so weit kommt? Das von Öneys Parteifreund Reinhold Gall geführte baden-württembergische Innenministerium reagiert betont zurückhaltend. Auf Anfrage teilte das Ministerium am Freitag mit, es sei nicht Aufgabe des Namensrechts, Namensänderungen in ausländischen Staaten rückgängig zu machen, noch dazu, wenn diese Änderungen bereits bei den Vorfahren der Antragsteller erfolgt seien. Der persönliche Wunsch, einen alten Familiennamen wiederhaben zu wollen, begründe für sich genommen noch kein schutzwürdiges berechtigtes Interesse, argumentiert das Ministerium. Auch sei für deutsche Behörden nicht in jedem Einzelfall festzustellen, ob der Name zwangsweise geändert wurde.

Das Bundesinnenministerium äußerte sich zu der Thematik nicht. Auf Anfrage teilte es lediglich mit, eine Referentengruppe von Bund und Ländern habe sich diese Woche unter anderem auch mit dieser Frage befasst.

Öney lässt sich in ihrer Forderung nach einer Korrektur des Namensänderungsgesetzes nicht beirren. Alternativ könnte das Ganze durch eine Verwaltungsvorschrift geregelt werden, meint sie. Die Unterstützung der eingebürgerten Aramäer, Armenier und Kurden ist ihr gewiss. Hüseyin Makbul, ein Vertreter der kurdischen Minderheit, sagt: „Wir freuen uns, dass die Ministerin sich für uns starkmacht. Wichtig ist doch, dass die Menschen zufrieden sind.“