Aller Anfang ist schwer: Allein im Integrationskurs sind für den Erwerb der deutschen Sprache mindestens 600 Stunden Unterricht angesetzt. Foto: imago

Wenn es nach der Politik geht, ist bei Menschen mit Migrationshintergrund der zügige Erwerb von Sprachkompetenz der wichtigste Schlüssel zur Integration. Doch bei der Vergütung knappst der Bund. Die Volkshochschulen rufen um Hilfe.

Wenn Vladimir seinen Kurstermin morgens verschläft, Ayşegül ihre Kinder nicht allein daheim lassen will und Amadou lieber die Enten am Ufer der Rems füttert als sich mit deutscher Orthografie zu plagen, leidet nicht nur das Tempo bei der Vermittlung von Sprachkompetenz. Den Veranstaltern von Deutschkursen geht durch die plötzliche Abwesenheit Geld durch die Lappen. Wenn Teilnehmer unentschuldigt fehlen, überraschend verhindert sind oder schlichtweg schwänzen, wird die Vergütung für den Sprachunterricht dem Bildungsträger abgezogen – auch wenn der nichts für das unerwartete Fehlen kann.

Die fünf Volkshochschulen im Rems-Murr-Kreis wenden sich wegen der aus ihrer Sicht höchst ungerechten Regelung jetzt mit einem Hilferuf an die Politik. „Wir leiden bei Sprachkursen nicht nur unter der aufgeblähten Bürokratie, sondern auch an den großen Finanzierungslücken“, sagt Stefanie Köhler, Leiterin der Volkshochschule Unteres Remstal. Denn die nicht überwiesenen Honorare für die unentschuldigten Fehlzeiten sind nur ein kleiner Baustein im Problempaket. Weitaus mehr fällt für die Bildungsträger ins Gewicht, dass die gewährte Vergütung nicht ausreicht und der Verwaltungsaufwand laut dem Schorndorfer VHS-Chef Oliver Basel geradezu „kafkaeske Züge“ erreicht hat.

Jeder zweite Integrationskurs im Rems-Murr-Kreis in der Volkshochschule

Mit jährlich mehr als 100 Integrationskursen bilden die Volkshochschulen das Rückgrat der Sprachförderung im Rems-Murr-Kreis. Mehr als 2000 Menschen mit Migrationshintergrund nehmen an den ortsnahen Angeboten teil, die Volkshochschule deckt zwischen Murrhardt und Urbach mehr als die Hälfte aller Bildungsprogramme für Flüchtlinge im Landkreis ab. Mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist der Bedarf an Sprachförderangeboten massiv gestiegen, um die Platzkapazität zu erhöhen werden teilweise externe Räume angemietet.

Denn wenn sich Flüchtlinge neben der Sprache auch mit dem Lesen und Schreiben schwer tun, ist vor den Integrationskursen erst mal ein Alphabetisierungsunterricht notwendig. Außerdem gibt es Fachkurse für berufsbezogene Sprachvermittlung: Um sich im Job verständigen zu können, muss ein Maler schließlich andere Begriffe beherrschen als ein Metzger oder ein Metallbauer. Bis die 600 Unterrichtseinheiten etwa für den Integrationskurs absolviert sind, geht mindestens ein halbes Jahr ins Land. Muss auch noch das Alphabet gelernt werden, sind pro Teilnehmer mindestens 900 Unterrichtseinheiten angesetzt.

Für eine Unterrichtseinheit stehen 4,58 Euro zur Verfügung

Die Schwierigkeit der Volkshochschulen ist, dass das Bundesamt für Migration bei der Bezahlung knappst. „Das zügige Erlernen der deutschen Sprache gilt als erster und wichtigster Schritt für eine erfolgreiche Integration. Doch bei der Bewerkstelligung dieser Aufgabe lässt die staatliche Unterstützung sehr zu wünschen übrig“, sagt Stefanie Köhler. Für jede Unterrichtseinheit erhalten die Volkshochschulen laut Monika Eckert, der Leiterin der Volkshochschule Backnang, den seit Jahren kaum erhöhten Satz von 4,58 Euro pro Teilnehmer. Ungleich stärker sind seit der Flüchtlingskrise 2015 die Honorare der Sprachlehrer gestiegen – was dazu führt, dass Volkshochschulen aufpassen müssen, mit ihrem Integrationsangebot nicht rote Zahlen zu schreiben. Aus Sicht von Landrat Richard Sigel ist es kein Zufall, dass sich Privatanbieter in den vergangenen Jahren aus dem Sprachförderunterricht verabschiedet haben – ein deutliches Signal, dass sich das Geschäft mit der Integration nur schwer rechnet.

Exakt 36 Prozent mehr Vergütung, das haben die Volkshochschulen jetzt errechnet, müssten sie für das Kursprogramm erhalten. Zum finanziellen Balanceakt kommt eine Formularwut, die aus Sicht der lokalen Bildungsträger weit über die Grenzen des Erträglichen hinausgeht. Selbst die mögliche Fahrtkostenerstattung der Teilnehmer, beklagen Basel, Eckert und Köhler, müssen die Volkshochschulen mit Auszügen aus dem Routenplaner belegen. „Es bleibt viel zu viel Zeit in der Verwaltung stecken. Wir kommen kaum noch hinterher“, heißt es vor Ort.