Die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) Foto: dpa

Baden-Württemberg soll nach dem Willen seiner grün-roten Regierung ein Gesetz für mehr Teilhabe und Integration bekommen. Berlin und NRW könnten Vorbilder sein. Aber es geht eher mühsam voran.

Baden-Württemberg soll nach dem Willen seiner grün-roten Regierung ein Gesetz für mehr Teilhabe und Integration bekommen. Berlin und NRW könnten Vorbilder sein. Aber es geht eher mühsam voran.

Stuttgart - Zu spät, zu unverbindlich - so lautete das Urteil von Grünen und SPD in Baden-Württemberg im Jahr 2011 über die Integrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte. Die CDU-geführten Regierungen hätten damals Integrationshemmnisse aufgebaut, und das im Flächenland mit dem höchsten Migrantenanteil von gut einem Viertel. Auch hier sollte der Politikwechsel zu Grün-Rot spürbar werden.

„Unser neuer Ansatz soll seinen Ausdruck in einem Partizipations- und Integrationsgesetz finden“, hielten die beiden Parteien im Koalitionsvertrag fest. Nun - fast drei Jahre später - hat Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) die Erarbeitung eines Eckpunktepapiers angestoßen.

Die Mehrzahl der Bundesländer habe die Voraussetzungen für eine aktive und strategisch ausgerichtete Integrationspolitik in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, heißt es in einer kürzlich präsentierten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Folge: immer mehr Leitlinien, Aktionspläne und Konzepte, die sich jedoch erheblich in der Themenbreite, Verbindlichkeit und finanziellen Ausstattung unterscheiden. „Das Spektrum reicht von projektorientierten Förderprogrammen bis zu Versuchen, strategische Ziele für alle Integrationsbereiche zu formulieren, Maßnahmen auszuweisen und sie mit Hilfe von Indikatoren und Evaluationen zu überprüfen.“

Die größte Verbindlichkeit attestiert die SPD-nahe Stiftung Berlin und Nordrhein-Westfalen, die als einzige Länder Integrationsgesetze verabschiedet haben. Die beiden Beispiele hat auch der frühere Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) für ein Gutachten im Auftrag des Stuttgarter Integrationsministeriums untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass den Bürgern ohne Migrationshintergrund in den zwei Ländern durch die Diskussionen über die Gesetze deutlich geworden sei, dass es „einen Problembereich gibt, der im Interesse des inneren Frieden eines Landes geregelt werden muss“.

Zum anderen hätten Migranten erkannt, dass man sich ihrer besonderen Probleme annimmt. Allerdings seien hierbei die Erwartungen vor allem der Interessenverbände häufig zu hoch. „Aus gutachtlicher Sicht empfiehlt es sich deshalb, bei der Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens und schon vor der Diskussion mit Interessenverbänden deutlich zu machen, welche Eckpunkte ein solches Gesetz beinhalten könnte.“

Die Einbürgerungspraxis im Südwesten wurde modernisiert

So will Öney schon in dem noch sehr frühen Stadium des Prozesses die Öffentlichkeit beteiligen. Vor allem der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen und der Landesarbeitskreis Integration sollen Vorschläge einbringen. „Da es beim Thema Partizipation um mehr Teilhabe geht, müssen wir gemeinsam mit den anderen Akteuren erfassen, wo noch Nachholbedarf existiert“, sagt die Ministerin. Es könne um interkulturelle Öffnung und Kompetenz gehen oder auch um nicht-christliche Feiertage.

„Baden-Württemberg hat in den vergangenen drei Jahren viele Initiativen angestoßen und Maßnahmen ergriffen, um Teilhabe und Chancengerechtigkeit in einer vielfältigen Gesellschaft zu verbessern“, so Öney. Die Einbürgerungspraxis wurde modernisiert, die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse geregelt und die Flüchtlingspolitik humanisiert.

Gemeinsam haben die vier Landtagsfraktionen eine Gesetzesänderung zur Aufhebung der Sargpflicht auf den Weg gebracht, so dass Muslime ihrem Glauben gemäß im Leinentuch bestattet werden können. Und Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland mit einem Ministerium, das sich ausschließlich um Integration kümmert. Warum da nicht einfach weitermachen, wenn es doch gut läuft?

Zumal mit dem geplanten Partizipations- und Integrationsgesetz ein Dilemma verbunden ist. Laut Koalitionsvertrag soll es „messbare Ziele“ definieren. Verbindliche Vorschriften beispielsweise zu Integrationsbeauftragten in den Kommunen könnten aber dazu führen, dass diese das dafür benötigte Geld beim Land einfordern. Angesichts des Sparzwangs kann sich die Regierung das eigentlich nicht leisten. Alternative zwei ist eine wachsweiche, wohlklingende Absichtserklärung, die aber wohl wenig bringt.