Junge Flüchtlinge bauen in Stuttgart-Degerloch einen Spielplatz. Die Fähigkeiten sollen ihnen auch bei der späteren Ausbildung zugute kommen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Vielen jungen Flüchtlingen fehlen Grundlagen, um eine Ausbildung beginnen zu können. Das Projekt „Joblinge Kompass“ in Stuttgart hilft ihnen mit ungewöhnlichen Maßnahmen.

Stuttgart - inen Spielplatz mit einer Rutsche bauen, damit Kinder darin spielen – so hat Mohammad Farhani sich die Qualifizierung für den deutschen Arbeitsmarkt nicht vorgestellt. „Eigentlich will ich mit Autos arbeiten“, sagt der 23-Jährige, der in Iran Elektrotechnik studierte und von dort nach Deutschland geflohen ist. Jetzt schleift er mit einer Flex Holzplatten und streicht Farbe auf das Metalgerüst in Stuttgart-Degerloch. Dass die Arbeit ihn dennoch seinem Traumberuf näher bringt, davon ist er überzeugt: „Bevor ich mit meiner Ausbildung anfangen kann, brauche ich viele Vor-raus-setz-un-gen“, sagt Mohammad und betont vorsichtig jenen schwierigen Schlüsselbegriff, der bei der Integration von Flüchtlingen in Deutschland oft vernachlässigt wird. Denn damit aus jungen Menschen engagierte Bürger und fleißige Fachkräfte werden, müssen sie in Berufsschulen bestehen können. Diese Vorausetzungen aber bringen nur wenige Flüchtlinge im Alter von 18 bis 25 mit.

Durch eigene Projekte tanken Jugendliche Selbstvertrauen

„Lernen über Bande“ – so bezeichnet Janina Germann-Sentner, Leiterin des Qulifizierungsprogramms „Joblinge Kompass“ in Stuttgart, das Projekt, bei dem Mohammad und 79 andere geflohene Jugendliche in der Region Stuttgart seit Januar Grundlagen schaffen, um hier eine Ausbildung oder ein Studium beginnen zu können. „Vielen Flüchtlingen fehlen Sprach- und Kulturkenntnisse. Aber auch ein generelles Gefühl, in Deutschland angekommen zu sein“, sagt Germann-Sentner. Das sei wichtig, damit Jugendliche sich nicht schon nach kurzer Zeit frustriert von ihrem Ziel abwenden.

Mit Deutschkursen, aber auch Sport- und Kulturprogramm sowie Aktionen, wie dem Bau des Spielplatzes, hilft das bundesweite Projekt Flüchtlingen, in Deutschland dauerhaft Fuß zu fassen. „Wenn Jugendliche sehen, wozu sie in der Lage sind, steigert das ihr Selbstwertgefühl und sie können auch längere Durststrecken überwinden“, sagt Germann-Sentner.

Privatwirtschaft unterstützt Projekt

Auch der 20-jährige Ibrahim, der vor knapp zwei Jahren aus Syrien geflohen ist, hat am Spielplatz in Stuttgart Degerloch mitgewerkelt. Die Arbeit mit Holz fiel ihm schwer. „Ich bin kein guter Handwerker, das weiß ich jetzt“, sagt er lächelnd. Nun will er etwas anderes ausprobieren. Krankenpfleger vielleicht oder Verkäufer will er werden, so ganz sicher ist er sich noch nicht. Aber dafür ist die „Orientierungsphase“ des Projektes, in der Ibrahin sich befindet, geschaffen worden. Hier lernen die Jugendlichen verschiedene Branchen kennen, spielen im Deutschunterricht Situationen nach, die etwa im Einzelhandel oder allgemein bei der Bewerbung auftreten können. Anschließend durchlaufen sie die Qualifizierungsphase, wo sie sich speziell für einen Beruf vorbereiten und Fachausdrücke lernen, ohne die selbst ein Schnupperpraktikum unmöglich wäre. Erst danach geht es im Rahmen von Praktika für die erste richtige Berufserfahrung in den Betrieb.

Das Projekt profitiert auch von der Nähe und den direkten Anforderungen der Privatwirtschaft. Von dort kommen auch 50 Prozent der Gelder. Die andere Hälfte stellt die öffentliche Hand.

„Ich brauche Geduld“

Dass das mehrstufuge Konzept funktioniert, davon ist Regionalleiterin Germann-Sentner überzeugt. Seit vielen Jahren unterstützt das Projekt „Jobling“ niedrig bis mittelmäßig ausgebildete junge Menschen in Deutschland bei der Vorbereitung für eine Ausbildung. „70 Prozent unserer Jugendlichen finden am Ende einen Ausbildungsplatz. Diese Quote möchten wir auch für geflohene Jugendliche erreichen“, sagt Germann-Sentner. Natürlich unterschieden sich beide Gruppen, besondern bezüglich der Sprache. „Aber am Ende sind Flüchtlinge auch nur Jugendliche“, sagt sie. Die fehlenden Sprachkenntnisse machten sie durch Ehrgeiz wieder wett.

„Viele würden lieber heute als morgen mit der Ausbildung beginnen. Da müssen wir Geduld einfordern“, sagt Germann-Sentner. Auch für Mohammad könnte der Berufsprozess ruhig schneller gehen. „Ich will arbeiten. Aber ich brauche Geduld.“