Ukrainische Frauen haben das Büfett vorbereitet. Foto: Atmane

Was braucht es für eine gelungene Integration? Geflüchtete, die vor zehn Jahren in Plochingen angekommen sind, nennen vor allem die Unterstützung der Zivilgesellschaft.

Zehn Jahre ist es her, dass Angela Merkel den Satz „Wir schaffen das“ sagte. Das Lokale Bündnis für Flüchtlinge (LBF) Plochingen und die von ihm Betreuten haben seitdem eine Menge geschafft. Das wurde am Samstag in der Alten Steingießerei gefeiert, wobei schon das Fest an sich ein Beispiel dafür war, wie sich Geflüchtete selbst einbringen.

 

Ein Büfett, geschmacklich und optisch vom Feinsten: Die Ukrainerinnen Iryna, Larysa und Valeriia hatten schon drei Tage davor mit den Vorbereitungen begonnen. Und Raafat Zuaiter aus Syrien ließ es sich nicht nehmen, bei der Feier eine kurze Ansprache zu halten, in flüssigem Deutsch und „mit einem Herzen voller Dankbarkeit“, wie er sagte: Dankbarkeit gegenüber allen, die dafür gesorgt hätten, dass er sich nie fremd fühlte. Heute stehe er hier „nicht als Flüchtling, sondern als deutscher Staatsbürger“, sagte er – und er wolle wie viele andere etwas zurückgeben und nun seinerseits helfen.

Geert Rüger leitet das Plochinger Bündnis für Flüchtlinge. Foto: Atmane

Ehemalige Flüchtlinge tragen das heutige Angebot mit

Tatsache ist: Ein erheblicher Teil der noch bestehenden Angebote für Geflüchtete werden heute von denen, die vor zehn Jahren angekommen sind, mitgetragen. Geert Rüger, der heutige Leiter des Bündnisses, nennt als Beispiel die Kleiderkammer oder das wöchentliche Begegnungscafé, bei dem er sich vor allem auf die Geflüchteten aus der Ukraine verlassen kann: „Die sind immer da.“

Das ist gut so, denn die Zahl der einheimischen Ehrenamtlichen ist im Lauf der zehn Jahre deutlich gesunken. Viele waren nach der anstrengenden Anfangszeit müde, alle sind älter geworden. Derzeit bestehe der „harte Kern“ aus rund zehn Personen, sagt Rüger. Ebenso viele weitere könne man bei Bedarf zur Hilfe holen. Bei der Gründung des Bündnisses standen zeitweise 130 und mehr Interessierte auf der Liste, von denen 30 bis 40 aktiv waren. „Aber auch die Nicht-Aktiven waren für mich ein Zeichen der Solidarität“, betont Gottfried Gienger, der das LBF bis vor wenigen Jahren leitete.

Das LBF sei „entscheidend für eine gute Willkommenskultur in der Stadt“ gewesen, bescheinigt unter anderem Bürgermeister Frank Buß den Engagierten. Der Gründungsimpuls kam Ende 2014 aus der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat, fand aber in der Bürgerschaft eine große Resonanz. Die Freiwilligen waren da und nahmen die Ankommenden „an der Hand“: Sie begleiteten sie zu Behörden, was eine große Herausforderung war, zeigten ihnen die Stadt, integrierten sie schon 2015 ins Marquardtfest. Schon damals knüpften „drei syrische Ärzte Kontakt zum Roten Kreuz“, erinnerte Gienger.

Eine der ersten Fragen: Wo kann ich Deutsch lernen?

Eine der ersten Fragen der meisten Geflüchteten sei gewesen: Wo kann ich Deutsch lernen? Auch da halfen die Ehrenamtlichen; später bildete sich eine Gruppe, um die Einzelnen in Ausbildung oder Arbeit zu begleiten. Den Austausch mit der Nachbarschaft des ehemaligen Hotel Prisma, wo viele untergebracht waren, bewertet Gienger positiv. Sehr geholfen habe, dass fünf Jahre lang ein hauptamtlicher Koordinator das LBF begleitete. Dann stellte das Landratsamt die finanzielle Förderung ein.

Von einer Erfolgsgeschichte zu sprechen, liegt nahe, wenn man die Ausstellung „Angekommen!“ anschaut, in der der Fotograf Chris Maier einige der „Neu-Plochinger“ porträtiert hat. Darunter sind Rafaat, mittlerweile Geselle im Sanitärfach, der praktizierende Augenarzt Rami oder der IT-Fachmann Hisham. Amidou Fousseni aus Togo hat bereits die Ausbildung zum Pflegehelfer absolviert und macht jetzt eine Ausbildung zur Pflegefachkraft. Auf die Frage, wie viele seiner Kollegen in der Altenpflegeeinrichtung deutsch seien, denkt er kurz nach und antwortet dann: „95 Prozent sind Ausländer“. Ähnliche Zahlen dürften, auf Menschen mit Migrationshintergrund bezogen, in anderen Branchen gelten.

Geert Rüger nennt eine ebenfalls beeindruckende Zahl: „Von denen, die vor zehn Jahren nach Plochingen kamen und heute noch hier sind, arbeiten 90 Prozent.“ Andere seien auf dem Weg dorthin, viele seien engagiert. Dass das geglückt ist, führen auch die Geflüchteten selbst ganz klar auf die engen Kontakte mit den Freiwilligen zurück, aus denen oft echte Freundschaften wurden.

Es bleibt aber noch viel zu tun. Weiterhin kommen Menschen an, weiterhin gilt es, sie zu begleiten. Besonders gesucht sind Ehrenamtliche für Sprachunterricht oder Hausaufgabenhilfe. Sprache bleibe ein Schlüssel zur Integration, Begegnung ein anderer, darin sind sich der ehemalige und der aktuelle Leiter des Bündnisses einig. Sie haben auch schon erlebt, wie zwei Bürgerinnen zufällig bei einem Fest mit einem Geflüchteten ins Gespräch kamen – und ihm am Ende spontan eine Wohnung zur Miete anboten.

Zitate anlässlich des Engagements des LBF