Ein kleines Mädchen soll in den Kindergarten. Doch der Weg dorthin ist steinig. Foto: dpa/Arno Burgi

Seit Monaten kämpft eine Familie aus Filderstadt dafür, dass die dreijährige Tochter eine Kita besuchen darf. Doch weil sie Diabetikerin ist, ist das nicht so einfach. Ehrenamtliche Helfer werfen der Stadt Untätigkeit und Behördenarroganz vor.

Bernhausen - Montha Alied ist das sechste Kind einer Flüchtlingsfamilie aus Filderstadt. Sie ist in Deutschland geboren und mittlerweile schon dreidreiviertel Jahre alt. Eigentlich sollte sie bereits seit November des vergangenen Jahres in den Kindergarten gehen – um mehr Kontakt zu Gleichaltrigen zu bekommen und um Deutsch zu lernen. Doch daraus wurde nichts, denn Montha ist Diabetikerin, und das macht die Sache schwierig.

Die Krankenkasse zahlt nur einen Teil

Das Mädchen sollte in den Kindergarten am Anna-Fischer-Weg in Bernhausen gehen. Dort gebe es Erzieherinnen, die bereits Erfahrung mit Kindern mit Diabetes haben, hieß es. Monthas Bruder wechselte darum schon vor einiger Zeit aus einen anderen Kindergarten in diese Einrichtung. Auf diese Weise könnten die beiden Geschwister später zusammen sein, so die Idee. Doch aufgrund ihrer Erkrankung, muss bei Montha vor und nach dem Essen der Blutzuckerspiegel gemessen werden.

Erst nach Monaten fand sich dafür eine Pflegekraft. Die Kosten dafür übernimmt die Krankenkasse, allerdings trägt diese nur die Kosten für die tatsächliche Arbeitszeit. Zwischen den beiden Messungen liegt aber etwa eine halbe Stunde. Und diese Zeit bezahlt die Krankenkasse nicht. Die Familie hätte die 400 Euro, die dabei entstehen, selbst finanzieren müssen. Oder aber, ein Elternteil kommt täglich in den Kindergarten, um Monthas Blutzuckerspiegel zu messen. Doch die Einrichtung ist nicht ums Eck, was einen hohen Zeitaufwand bedeutet.

Nun zeichnet sich eine Lösung ab

Monika Heilmann und Gudrun Stickler haben sich als ehrenamtliche Helfer der Familie Alied angenommen. In den vergangenen Monaten haben sie dafür gekämpft, dass Montha endlich in den Kindergarten kann, dass die Stadtverwaltung eine Lösung für diese verzwickte Situation sucht. Ihr Ansprechpartner dabei war das Amt für Integration, Migration und Soziales. Und mit desen Arbeit sind die beiden engagierten Frauen ganz und gar nicht einverstanden. Die städtischen Einrichtungen seien lange Zeit schlicht untätig gewesen. Im März wanden sie sich an Oberbürgermeister Christoph Traub. Doch auch dieser habe wochenlang keine inhaltliche Antwort gegeben, so der Vorwurf der beiden ehrenamtlichen Helferinnen. Erst als man sich an die örtlichen Medien gewandt habe, sei Bewegung in die Sache gekommen.

Nun zeichnet sich eine Lösung ab. Wenn die Pandemie vorbei ist, soll Montha in den Kindergarten am Anna-Fischer-Weg gehen können. Ihre Mutter wird nun doch dreimal am Tag in die Einrichtung kommen: um ihren Nachwuchs zu bringen, um ihn wieder abzuholen und um zur Mittagszeit den Blutzuckerspiegel zu messen. „Die besondere Erfahrung der Erzieherinnen mit Diabetikerkindern in der Kita am Anna-Fischer Weg hat sich vollkommen zerschlagen“, kritisiert Stickler. Bei einer sorgfältigeren Planung hätte Monthas Bruder den Kindergarten gar nicht wechseln brauchen. Das wäre für die Familie auch deshalb besser gewesen, weil der Weg dann deutlich kürzer gewesen wäre. Und eine endgültige Zusage, dass die Dreijährige nach der Corona-Krise eine Platz bekommt, hätten die Alieds ohnehin immer noch nicht.

„Es gab und gibt ganz klar Versäumnisse“, sagt Stickler. Sie und Monika Heilmann haben den Eindruck, dass das Interesse der Stadt, die dreijährige Montha in einen Kindergarten zu integrieren, nie sonderlich groß war. Und für ihre Bitte an den Oberbürgermeister, sich der Sache anzunehmen, seien sie abgewatscht worden, sagt Heilmann und spricht von „Behördenarroganz“. So dürfe man mit Ehrenamtlichen nicht umgehen.

OB will Arbeit der Einrichtungen gegebenenfalls verbessern

Christoph Traub erklärt auf Nachfrage, er habe erst mit einer E-Mail vom 31. März überhaupt von dem Vorgang erfahren. Er habe den Eingang der Nachricht umgehend bestätigt und anschließend Zeit gebraucht, um zu recherchieren. Schließlich gehe es um persönliche Daten und da könne auch ein OB sich nicht mal eben eine Akte kommen lassen. Diese Schutzvorschriften seien gut und richtig, und er habe sich keineswegs dahinter verschanzt.

Traub betont: „Das Wohl des Kindes steht für mich im Vordergrund. Wir finden einen Weg, der Familie zu helfen.“ Er wolle zeitnah alle Beteiligten nochmals zu einen Gespräch einladen. Wenn gewünscht, werde er bei diesem Termin gern dabei sein. Nichtsdestotrotz möchte Traub den Vorfall auch zum Anlass nehmen, um noch einmal genauer hinzuschauen, ob und wo die Arbeit städtischer Einrichtungen mit Menschen, die Unterstützung brauchen, verbessert werden kann.