Foto: Jens Noll

Barbara Havlaci-Ludwig und ihr Mann Mehmet Havlaci sind für ihre langjährige Integrationsarbeit mit dem Manfred-Rommel-Preis ausgezeichnet worden.

Bonlanden - Das Rössle ist ein Schwergewicht. Die Messingfigur steht auf einem massiven Holzklotz. Seit 22. November sind Barbara Havlaci-Ludwig und ihr Mann Mehmet Havlaci im Besitz des Pokals. Er gehört zum Manfred-Rommel-Preis, den das Kuratorium des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart vergibt.

An jenem Abend hat das Ehepaar aus Plattenhardt im Beisein des stellvertretenden Ministerpräsidenten Nils Schmid und des Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn den mit 1500 Euro dotierten Preis entgegen genommen. Mit ihm würdigt das Deutsch-Türkische Forum, dass sich das türkisch-deutsche Ehepaar seit 2001 in Bildungsprojekten für Migrantenkinder und deren Eltern engagiert. Ulrike Brittinger, Leiterin des Staatlichen Schulamts Stuttgart, hatte die Laudatio gehalten. „Das war sehr persönlich. Wir waren ganz gerührt“, erzählt Barbara Havlaci-Ludwig.

Mehmet Havlaci weiß, wie wichtig Bildung ist

Die 59-Jährige ist Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins Integra Stuttgart, den sie 2009 gemeinsam mit ihrem Mann gegründet hat. Seit 2011 gibt es auch einen Verein Integra Filder mit einem Bildungs-, Beratungs- und Begegnungszentrum in Bonlanden, das Mehmet Havlaci leitet. Das Ehepaar versteht sich selbst als Brückenbauer. Es will Migranten helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden und wohlzufühlen. „Ich denke, wir haben den Preis gekriegt, weil wir sehr viel gemacht haben“, sagt Barbara Havlaci-Ludwig.

Ihr Mann ist in einem kleinen Dorf in der Türkei aufgewachsen. Der 60-jährige Pädagoge weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig Bildung ist. Begonnen hat die gemeinsame Integrationsarbeit des Ehepaars mit der Gründung einer türkischen Elterninitiative in Plieningen. Von 2002 an organisierten die beiden Projekte für Migrantenfamilien. Ihr Ziel: die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken, damit deren Kinder zu einem qualifizierten Schulabschluss kommen.

Öffentliche und private Fördergelder ermöglichten es der Grundschullehrerin und ihrem Mann, Beratungen, Gesprächskreise, Workshops und Themenelternabenden auf die Beine zu stellen. Damit erreichten sie Migranteneltern an insgesamt 19 Schulen im Raum Stuttgart. Auf den Fildern engagierten sie sich unter anderem an der Fasanenhofschule und an der Heilbrunnenschule in Möhrigen.

2008 kam ein neues Projekt hinzu. „Wir hatten mit der Multiplikatoren- oder Lotsenausbildung angefangen“, erzählt Mehmet Havlaci. Mehr als 120 solcher türkischstämmiger Botschafter, die Kontakt zwischen Migrantenfamilien und Bildungseinrichtungen herstellen, seien bis heute ausgebildet worden. „Wir haben Interesse für Bildung geweckt“, sagt er. Anfangs hatte das Paar noch sein eigenes Geld in die Projekte gesteckt. Weil das auf Dauer nicht funktionieren konnte, gründeten sie den Verein. Doch auch der ist von Fördergeldern abhängig und muss sich von einem befristeten Projekt zum nächsten hangeln. „Mehmet recherchiert laufend im Internet“, sagt Havlaci-Ludwig. „Das ist nervenaufreibend“, sagt ihr Mann.

„Den Preis haben wir nicht allein verdient“

Das türkisch-deutsche Ehepaar wünscht sich daher, seine Arbeit auf Basis einer Regelfinanzierung weiterzuführen. „Wir hoffen, dass der Manfred-Rommel-Preis uns auch manche Türe öffnet“, sagt Mehmet Havlaci. Das Rössle sei eine Ehre, ergänzt er. „Aber es verpflichtet uns auch, weiter zu machen und mehr zu machen.“

Mit der Gründung des Vereins Integra Filder haben die Brückenbauer ihre Aktivitäten auf Filderstadt ausgeweitet. „Es ist uns daran gelegen, das Thema der Begegnung in Filderstadt stärker zu fördern“, sagt Barbara Havlaci-Ludwig. Neben türkischstämmigen Personen würden inzwischen auch Migranten aus anderen Ländern zu Lotsen ausgebildet. Seit September wird Integra auch von der Stadt Filderstadt unterstützt: Sie zahlt die Miete für das Bildungszentrum an der Fabrikstraße.

Allerdings möchte der Verein möglichst bald aus dem Bürogebäude ausziehen. „Die Hausordnung und unsere Arbeitsweise passen nicht zusammen“, sagt Havlaci. Seine Frau ergänzt: „Wir können hier nur raus, wenn wir einen Partner finden, der das finanziert.“ Sprich: ein anderer Verein, mit dem man sich Räume teilen könnte.

Das Rössle jedenfalls, soviel steht fest, wird im Bildungszentrum seinen Platz finden. Jeder, der vorbeikommt, soll den Pokal sehen. „Den haben wir nicht allein verdient“, sagt Mehmet Havlaci und spricht von einer „Gemeinschaftsproduktion“, an der Vereinsmitglieder, Seminarteilnehmer und Lotsen mitgewirkt haben.

Informationen über den Manfred-Rommel-Preis

Namensgeber:
Der öffentlich ausgeschriebene Manfred-Rommel-Preis wurde erstmals im Jahr 2009 zum Zehn-Jahr-Jubiläum des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart (DTF) gestiftet. Namensgeber ist der Ehrenvorsitzende des DTF, der am 7. November verstorbene ehemalige Stuttgarter OB Manfred Rommel.

Verleihung:
Seit 2011 wird der Preis im Zwei-Jahres-Rhythmus vergeben. In diesem Jahr lagen der fünfköpfigen Jury insgesamt zwölf Bewerbungen vor. Es wurden ein nichtdotierter Ehrenpreis (den erhielt Oberbürgermeister a. D. Wolfgang Schuster) und zwei mit jeweils 1500 Euro dotierte Preise überreicht.

Würdigung:
Rommel hat die kulturelle und gesellschaftliche Integration der Zuwanderer in Stuttgart und in Baden-Württemberg entscheidend geprägt. Daher würdigt der Preis Projekte und Personen, die die Nachbarschaft und Zusammenarbeit von deutschen und türkischstämmigen Bürgern nachhaltig fördern.