Viertklässler üben sich im Rollstuhlbasketball. Foto: factum/Granville

Wie fühlt es sich an, in einem Rollstuhl sitzend Basketball zu spielen? Viertklässler der Münchinger Flattichschule haben dies nun ausprobiert. Einen Tag lang war dort das Projekt „Handicap macht Schule“ zu Gast.

Korntal-Münchingen - In der Münchinger Sporthalle geht es zu wie am Autoscooter. Zwölf Schüler der vierten Klasse der Flattichschule spielen zum ersten Mal in ihrem Leben Rollstuhlbasketball. Ein ums andere Mal kracht Rollstuhl an Rollstuhl. „Da ging nichts mehr, unterm Korb haben sich alle getummelt“, sagt Christina Franke nach dem Spiel. Die Zehnjährige ist noch außer Atem. Denn nicht nur das Spiel an sich kostet Kraft. Es ist auch mühsam, sich aus dem Gewimmel zu lavieren. Sich freizulaufen ist eben leichter, als sich freizufahren. „Und der Korb war auf einmal so hoch“, sagt ihr Klassenkamerad Mathis Pillers. Immer wieder wollte der Neunjährige im Spiel aus dem Rollstuhl aufstehen. „Aber das ging nicht, wir waren ja angeschnallt.“

Es ist ein anderer Sportunterricht, den die Schüler der Münchinger Flattichschule an diesem Tag in der Sporthalle erleben. Rollstuhlbasketball statt Basketball, Blindenfußball statt Fußball. „Handicap macht Schule“ heißt das Projekt, mit dem der Verband Sportregion Stuttgart noch bis zum Juli durch knapp 30 Schulen in der Region tourt. Der Anlass ist das Verbandsmotto für 2014: „Integration und Inklusion“. Korntal-Münchingens Bürgermeister Joachim Wolf ist Vorstandsmitglied des Verbands und freut sich darüber, dass das Projekt in seiner Kommune gleich zweimal stattfindet. Im Mai wird auch die Teichwiesenschule in Korntal daran teilnehmen.

Werner Schoner, der Rektor der Flattichschule, hat sich zu dem Projekttag nicht lange überreden lassen müssen. „Eine Schülerin unserer Außenklasse sitzt im Rollstuhl“, sagt er. Dies verdeutliche die Notwendigkeit, Schüler auf die Integration von behinderten Klassenkameraden vorzubereiten. Und am besten ist es, wenn man dies praktisch machen kann. Etwa in einer Sportstunde mit Werner Rieger als Sportlehrer. Rieger ist seit einem Motorradunfall als 19-Jähriger querschnittgelähmt und hat früher für den TSV Ellwangen in der 2. Bundesliga Rollstuhlbasketball gespielt. „Und, hat’s Spaß gemacht?“, fragt er im Anschluss die Viertklässler. Die nicken. Ja, es sei eine witzige Erfahrung, im Stuhl durch die Sporthalle zu sausen. Auch Rieger nickt, erzählt begeistert von Meisterschaften, an denen er als Rollstuhlbasketballspieler teilgenommen hat.

„Aber macht Rollstuhlfahren immer Spaß?“, fragt Rieger in die Runde. Skeptische Blicke bei den Schülern. „Warum nicht?“, fragt Rieger. „Ich kann doch im Rollstuhl genauso viel Quatsch machen wie ihr ohne Rollstuhl“, sagt er und wippt und kippelt wie ein Zappelphilipp. Dann wird er wieder ernst und sagt: „Es macht tatsächlich nicht immer Spaß. Aber wenn man von anderen Hilfe bekommt, wenn man sie braucht, kann man alles schaffen.“

Mehr Hilfe als die Rollstuhlbasketballer brauchen die blinden Fußballspieler. Das merken die Schüler der Flattichschule, sobald sie ihre Simulationsbrillen aufsetzen. Manche simulieren Sehstörungen, das heißt, die Schüler können noch eingeschränkt sehen. Manche sind geschwärzt, ihre Träger sind wirklich blind. Vorsichtig tapsen die Schüler durch die Sporthalle, stolpern gegeneinander oder gegen die Wände. „Es kann sehr schmerzhaft sein, wenn die Wand kommt“, sagt Benjamin Zoll, Lehrer für Blindensport in der Stuttgarter Stiftung Nikolauspflege. Er erklärt den Schülern, wie sie zur Orientierung auf die Akustik achten können. „Ihr hört, wenn der Schall zurückgeworfen wird.“

Doch selbst wenn der Fußball im Inneren eine Klingel hat und rasselnd durch die Halle rollt, ein sehender Partnerspieler hilft und hinter dem Tor der Trainer ruft, wie viele Meter es noch bis zum Strafraum sind: blind Fußball zu spielen ist schwieriger, als im Rollstuhl auf den Basketballkorb zu werfen. „Es ist total komisch, schnell zu laufen, wenn man nichts sieht“, findet ein Schüler. „Da muss man schon sehr viel Vertrauen zu seinem Helfer haben.“