Aufeinandergestapelt und verschraubt: Valerie Dzikis Die Installation aus Phonomöbeln und Musiktruhen am Waiblinger Remsufer. Foto: Gottfried Stoppel

Im Rahmen des Festivals „Über-Morgen“ der Kulturregion hat die Münchener Bühnenbildnerin Valerie Dziki auf der Freifläche hinter der Stihl-Galerie Waiblingen eine besondere Installation errichtet: einen aus alten Phonomöbeln bestehenden Plattentauschautomaten.

Satzzeichen sind mehr denn je en vogue. Das Gendersternchen hat sich mittlerweile selbst in Kommunalverwaltungen durchgesetzt. Und überhauptverleihen Satzzeichen mancher Wortkombination eine spezielle Bedeutungen. Über:Morgen haben die Organisatoren der Kulturregion Stuttgart ihr aktuelles Festival benannt – Doppeldeutigkeit durch Doppelpunkt.

Auch in Waiblingen beschäftigt man sich mit der Zeit und ihren Wandlungen – verknüpft mit der aktuellen Ausstellung „CoverArt“ in der Galerie Stihl, in der zahlreiche und teils sensationelle Schallplattenhüllen präsentiert werden. Gemeinsam mit Julian Warner, dem künstlerischen Leiter des Festivals, wurde zum Thema Musik als Lebensgefühl eine besondere Idee entwickelt.

Erbstücke vom Opa

Zur Umsetzung von München ans Remsufer gelockt wurde die Künstlerin Valerie Dziki. Unterstützt von handwerklich begabten Mitarbeitern der Galerie, errichtet sie von 9 Uhr morgens an auf der kleinen Grünfläche nahe der Treppen zum Fluss eine zunächstseltsam anmutendes Skulptur, bestehend aus Musiktruhen der 50er Jahre, ramponierten Phonomöbeln mit zerschlissenen Plattentellern und trichterförmigen Lautsprechern auf den Tür-Rückseiten.

Über Ebay-Kleinanzeigen hat Valerie Dziki die passendsten Exponate bestellt und schließlich zu Hause – genauer: in der etwasgeräumigeren Werkstatt der Eltern – über mehrere Monate zu einem Großobjekt geformt. „Manche wollten ihre Erbstücke vom Opaloswerden, andere konnten mit ihrem alten Plattenspieler aus der alten Studentenbude nichts mehr anfangen, und überhaupt sind die Geräte mit ihren überall verbauten Lautsprechern ganz schön schwer“, berichtet die Künstlerin, die nach ihrem Studium am Mozarteum in Salzburg über viele Jahre als Bühnenbildnerin für Stücke an den Münchner Kammerspielen oder der Bayerischen Staatsoper tätig war.

Wie bei einem offenen Bücherregal

Im Titel ihres Projekts spielt die 35-Jährige übrigens ebenfalls mit Satzzeichen, genauer mit Klammern: „Pl(atten)tauschomat“ nennt sie die Installation. Geht es doch ganz im Sinne des Festivals um Kommunikation,die Entwicklung von „analog zu digital“ und speziell um den Umgang mit Musik – also auch um das Revival der Vinylplatte,um „Haptik statt Spotify“, wie Valerie Dziki sagt. Denn ähnlich wie bei einem offenen Bücherregal sollen auf dem Waiblinger Galerieplatz die Menschen in einer Art Ringtausch eigene Platten mitbringen und dafür als Überraschungsmoment eine andere Platte mitnehmen – etwa eine Schlagerparade oder ein hochkarätiges Klassikkonzert.

Was man mit der Platte verbindet, kann man auf einem Diktafon einsprechen und so dem nächsten Tonträgerfan mitteilen, was man von der Musik hält – „wobei es schon zu vermuten ist, dass die Leute nicht gerade ihre wertvollsten Platten opfern werden“, sagt Valerie Dziki. Als Kind hat sie tatsächlich öfter mal die Vinylplatten ihrer Eltern gehört, „meine Mutter ist ein echter Janis-Joplin-Fan“. Das Ziel der Waiblinger Aktion: Platten tauschen, über sie plauschen und ihnen lauschen, selbst wenn sie wegen zahlreicher Kratzer rauschen.

Wenn die Musikbox zur Bar wird

Drei Wochen, bis zum Ende von Über:Morgen, steht die Skulptur. Und dann? Dann werden die Exponate, die übers Festivalbudgetangekauft wurden, eventuell weiterveräußert. Am Samstag hat bereits ein zufällig vorbeischauender Interessent, Küchenchefeines nahe gelegenen Restaurants, seine Visitenkarte dagelassen – eine der Musiktruhen gäbe doch eine gute Bar für seine Wohnung ab. Ein Geschwisterpaar im Alter von acht und zehn Jahre da ist neugierig: Was machst du da? Dzikis Erklärung löst eher Verwirrung aus: „Was ist eine Schallplatte?“, kam die Rückfrage. Antwort: „Na, wie eine CD, nur älter“ – und zufrieden ob dieser Erklärung lassen Bruder und Schwester den gerade erst entstehenden Pl(atten)tauschomat hinter sich.

Kultur im Rems-Murr-Kreis

Leuchtender Wasserturm
Neben der Waiblinger Schallplattentauschinstallation gibt es im Rems-Murr-Kreis noch drei weitere Aktionen im Rahmen des dreiwöchigen Festival „Über:Morgen“ der Kulturregion. In Backnang wird der Wasserturm am Dresdner Ring 68 bis zum 16. Oktober vom preisgekrönten Licht- und Bühnendesigner Bertil Mark mittels Licht und Ton in Szene gesetzt – jeden Abend für zehn Minuten um 19.30 und um 19.50 Uhr.

Musikalische Flegelei
In Schorndorf fand am Sonntagabend die Vernissage der „Musikalischen Flegelei“ in der alten Lederfabrik Röhm, Weiler Straße 6, statt. Zu sehen sind die „vier zappenden Waschmaschinen“ auch an den drei kommenden Wochenenden jeweils Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr. In Fellbach gibt’s am Sonntag, 2. Oktober, nachmittags eine einmalige Aktion – die Umwandlung einer gewerblichen Fläche an der Max-Planck-Straße in einen Open-Air-Club.