2200 Mitarbeiter der Zentrale in Augsburg betrifft die Insolvenz des Verlags. Foto: dpa

Die Zahlungsunfähigkeit des Weltbild-Verlags wirft die Frage auf, was zum Niedergang des katholischen Konzerns führte: Gehen professionelles Management und Kirche zusammen?

Die Zahlungsunfähigkeit des Weltbild-Verlags wirft die Frage auf, was zum Niedergang des katholischen Konzerns führte: Gehen professionelles Management und Kirche zusammen?

Augsburg - Es war keine frohe Botschaft, die der Geschäftsführer der Verlagsgruppe Weltbild GmbH seinen Gesellschaftern überbrachte. Am Donnerstag vor zwei Wochen erklärte er den katholischen Eigentümern des zweitgrößten deutschen Buchhändlers, dass sich die Kosten für die Sanierung des defizitären Verlagshauses verdoppelt haben: nicht gut 60 Millionen Euro, sondern mindestens 135 Millionen. Eine Hiobsbotschaft für die Gesellschafter – und für die rund 6000 Mitarbeiter, die sich seither um ihren Job sorgen. Denn die Bischöfe stimmten gegen die Finanzierung. Am Tag darauf meldete der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz die Insolvenz des Verlags an. Betroffen sind vor allem die 2200 Mitarbeiter der Verwaltung und Logistik, die am Hauptsitz in Augsburg arbeiten. Die Kirche weist Kritik zurück, sie sei schuld an der Insolvenz. Die Gesellschafter von Weltbild sind zwölf katholische Diözesen, der Verband der Diözesen Deutschland und die Soldatenseelsorge Berlin.

Verlag fehlte die Strategie

Laut dem Ökonom Franz Rothlauf von der Universität Mainz war die Insolvenz nicht ganz überraschend. Debatten um die Ausrichtung und Finanzierung des katholischen Medienkonzerns habe es schon seit Jahren gegeben. Kirchenväter kritisierten insbesondere den Vertrieb von erotischer und esoterischer Literatur. „Der Konzern hatte schon lange keine erkennbare Strategie sowohl für seine Sortimentsbuchhandlungen als auch sein Internetgeschäft. Außerdem waren die Gesellschafter uneinig über den einzuschlagenden Kurs“, sagt der Fachmann. Es habe eine tiefe Kluft gegeben zwischen Unternehmens- und Eigentümerzielen. Auf der einen Seite der Anspruch, erbauliche und fromme Literatur zu verkaufen, auf der anderen Seite die Zwänge, populäre Bücher zu vertreiben. So ging der Umsatz allein im Geschäftsjahr 2011/2012 um fünf Prozent auf 822 Millionen Euro zurück.

Auf dem Neujahrsempfang des Diözesanrats in Eichstätt bezog Bischof Gregor Maria Hanke am Wochenende Position zu den Hintergründen. Zusätzlich zu den mindestens 135 Millionen Euro hätten die Eigentümer nach drei Jahren erneut einen dreistelligen Millionenbetrag aufbringen müssen, um das Geschäft weiterzubetreiben. Eine Sanierung hätte daher die „Finanzkraft des Bistums aufs Spiel gesetzt und damit unwägbare Risiken vor allem auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diözese zur Folge gehabt.“ Ähnlich argumentieren weitere Bistümer.

Bund Katholischer Unternehmer will mehr Transparenz bei Finanzen

Andernorts übt sich die Kirche in Selbstkritik. Auch die komplizierte Gesellschafterstruktur und die Uneinigkeit zwischen den einzelnen Bistümern hätten in den Ruin geführt. Die Bundesvorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), dem rund 1200 Unternehmer angehören, fordert im Nachgang mehr Transparenz bei den Kirchenfinanzen. Denn: Dass Angelegenheiten der Kirche wie Seelsorge und Management schwer zusammengingen, zeige sich bereits im Kleinen. Zum Beispiel bei den Priestern. „Viele Priester scheinen mir damit überfordert zu sein, neben ihren seelsorglichen Aufgaben auch noch die volle Verantwortung für die Verwaltung zu tragen. Deshalb brauchen wir weiter gehende strukturelle Veränderungen“, sagt die BKU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Dött (CDU) unserer Zeitung. Zwar gebe es in vielen Bistümern eine „gewisse Arbeitsteilung und auch gewählte Beratungsgremien“, die den Pfarrern dabei helfen, Finanzen zu bearbeiten. „Aber bei diesen erfolgt die Wahl nicht unbedingt nach betriebswirtschaftlichen Qualifikationen, sondern oft auch nach Sympathie.“ Die wirtschaftlichen Bereiche, sagt die CDU-Politikerin, müssten noch stärker von den seelsorglichen Tätigkeiten abgegrenzt werden und an Manager delegiert werden. „Entsprechend den Aufsichtsräten in Unternehmen sollten Beratungsgremien in der Kirche mit qualifizierten Fachleuten besetzt werden.“

Probleme bereiteten dem Verlag laut Branchenkennern die Digitalisierung und die Umbrüche in der Buchbranche. Eine große Herausforderung sei das sogenannte Digitalgeschäft, etwa der Verkauf von E-Books. Dass es mit dem Konzern bergab ging, liegt laut dem Ökonomen Rothlauf auch nicht zuletzt an der übermächtigen Konkurrenz durch den Online-Versandhändler Amazon. „Amazon hat eine deutlich effizientere Logistik und erreicht eine höhere Kundenbindung. Hinzu kommt die wachsende Bedeutung des E-Book-Marktes.“ Der E-Book-Reader Tolino, den Deutsche Telekom, Thalia, Weltbild und Bertelsmann zusammen vertreiben, bezeichnen Experten als Hoffnungsträger des Verlags. In einer internen Analyse der Geschäftsführung des Weltbild-Verlags heißt es: „Die aktuelle Umbausituation (. . .) führt zu vorübergehenden, geplanten Verlusten. Erst danach werden wieder dauerhaft positive Ergebnisse erwartet.“ Deswegen, so heißt es in dem Papier weiter, seien viele Schritte notwendig, „um das Unternehmen wieder zu einer positiven Umsatz- und Ergebnisentwicklung zu führen.“ Offenbar ein paar Schritte zu viel.

Kölner Verlag relativiert Kaufinteresse

Doch es gibt Hoffnungsschimmer. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz will das Unternehmen als Ganzes erhalten. Den Mitarbeitern hat er bis Ende März zunächst Insolvenzgeld zugesagt. Bis dahin will Geiwitz eine Lösung finden. Es hätten sich schon einige Interessenten bei ihm gemeldet. Er habe auch schon mit mehreren möglichen Investoren gesprochen. Details nannte der Krisenmanager nicht.

Bekannte Töchterfirmen wie die Online-Plattform Bücher.de und insbesondere das Filialgeschäft haben keine Insolvenzanträge gestellt. Rund 400 Buchhandlungen firmieren unter den Markennamen Weltbild, Hugendubel und Jokers und sind nicht direkt von der Insolvenz betroffen, weil sie gemeinsam zu der separaten Finanzholding DBH gehören.

Am Wochenende gab es scheinbar Hoffnung für den Verlag. Laut einem Zeitungsbericht hatte der Kölner Verlag Bastei Lübbe Interesse am Digitalgeschäft von Weltbild bekundet. „Das ist aber noch Zukunftsmusik. Zunächst wird der Insolvenzverwalter natürlich versuchen, einen Investor für das gesamte Unternehmen zu finden. Das wird sicherlich noch bis Ende des Jahres dauern“, sagte Verlagsvorstand Thomas Schierack den Stuttgarter Nachrichten.