Die Pleite des Autohauses Enes beschäftigt die Justiz weiterhin. Foto: Giacinto Carlucci​

Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart geht das Verfahren um das insolvente Salacher Autohaus Enes weiter.

„Sie wollen das in die Länge ziehen“, beschreibt Rechtsanwalt Marijan Kulisch seine Eindrücke von der jüngsten Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart. „Sie“, das ist in dem Fall die beklagte Bank CreditPlus AG, die Fahrzeuge des insolventen Salacher Autohauses Enes zwischenfinanziert hat. Kulischs Mandant, ein Mann aus Südhessen, hatte im November 2024 in Salach für fast 80.000 Euro ein R8 Coupe von Audi gekauft, kann ihn aber nicht nutzen, weil die Stuttgarter Bank CreditPlus den Fahrzeugbrief, der heutzutage Zulassungsbescheinigung II heißt, nicht herausgibt.​

 

Kulisch hatte gehofft, den Rechtsstreit mit der Bank schnell beilegen zu können. Er hatte sich auf den Rahmenkreditvertrag (RKV) zwischen dem Autohaus und der CreditPlus berufen. Jetzt versucht er über Paragraf 366 Handelsgesetzbuch (HGB) seinem Mandanten zum Sieg zu verhelfen.

Banken behalten die Fahrzeugbriefe

Solche Rahmenkreditverträge regeln das Verhältnis zwischen den Banken, die Autohäusern den Ankauf von Fahrzeugen vorfinanzieren, und den Händlern. Als Sicherheit behalten die Banken im Normalfall den Fahrzeugbrief. Nachdem das Autohaus Enes in Schieflage geraten war, rückten verschiedene Banken die „Briefe“ nicht heraus, weil das Autohaus zwar die Fahrzeuge verkaufte, den Erlös aber offenbar nicht fürs Begleichen des Kredits verwendet hatte. ​

Die Folge war, dass viele Kunden bei Enes Autos bezahlten, sie aber nicht zulassen oder nutzen können, weil die Banken die Papiere, die ihre Absicherung sind, nicht herausrücken. In anderen Fällen gingen die scheinbar gekauften Fahrzeuge in die Obhut des Insolvenzverwalters. Deswegen gibt es an Landgerichten verschiedene Zivilverfahren zwischen klagenden Kunden und beklagten Banken oder Insolvenzverwalter Michael Wahl.

Fahrzeug wurde laut Anwalt unter Wert verkauft

Aus Sicht von Anwalt Kulisch erlaubte der RKV dem Autohaus die Eigentumsübertragung an die Käufer. Arnold Oppermann, der Anwalt der CreditPlus, argumentierte hingegen, dass es sich um kein ordnungsgemäßes Geschäft im Sinne des RKV gehandelt habe, da das Fahrzeug unter Wert verkauft worden sei, berichtet Kulisch. Die Bank habe für den Ankauf des Wagens ein Darlehen gewährt, das über dem späteren Verkaufspreis lag. Daher hätte das Autohaus den R8 ohne die Billigung der Bank nicht verkaufen dürfen, gibt Kulisch die Argumente der Gegenpartei wieder. Rechtsanwalt Oppermann hat bis Redaktionsschluss auf eine Anfrage nicht reagiert.​

Der Autokauf könnte auch rechtskräftig sein, falls die Kunden die Fahrzeuge im Rahmen eines „gutgläubigen Erwerbs“ nach Paragraf 932 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gekauft haben. Dies weise Oppermann zurück, berichtet Kulisch, denn dem Käufer sei nie ein Fahrzeugbrief gezeigt worden, dennoch habe Kulischs Mandant den Kaufpreis überwiesen. Zudem sei dem Mandanten bewusst gewesen, dass der Audi unter Wert verkauft werde.

Klägeranwalt beruft sich auf Handelsrecht

Dem entgegnet Kulisch, dass der Sportwagen Schäden hat, das sei auch so im Protokoll festgehalten. Zudem sieht sich der Anwalt aus Darmstadt durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs zum gutgläubigen Erwerb bestätigt (siehe Infobox). „Mit der Ansicht der Bank gäbe es keinen Autohandel mehr“, erinnert der Anwalt an die übliche Praxis in diesem Gewerbe.​

Inzwischen stützt Marijan Kulisch seine Argumentation zusätzlich auf den Paragrafen 366 HGB. Darin geht es um den gutgläubigen Erwerb im Handelsrecht. Nach Interpretation der Schulungsplattform „Jura Individuell“ müsse erst der gutgläubige Erwerb nach 932 BGB geprüft werden. Sei dieser ausgeschlossen, komme der 366 HGB infrage. Diese Regel begründet laut „Jura Individuell“ den gutgläubigen Erwerb, wenn die Veräußerung durch einen Kaufmann im Betrieb des Gewerbes erfolgt. Kulisch rät den anderen geschädigten Autokäufern, sich auf diese Rechtsnorm zu stützen. Seiner Ansicht nach „könnte der Fall sofort entschieden werden“, zumal er den Eindruck habe, dass auch das Gericht der Argumentation des Klägers folgt.