So einsam kann es auf einer New Yorker Bühne sein: Oscar Isaac als erfolgloser Folksänger in "Inside Llewyn Davis". Foto: Studiocanal

Die Coen Brothers erzählen im Drama „Inside Llewyn Davis“ die Geschichte eines erfolglosen Sängers 1961 in New York und huldigen der Kraft urtypischer Folksongs.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Inside Llewyn Davis“

Stuttgart - Nach einem Auftritt in einer Spelunke im New Yorker Village, der die Kinozuschauer stärker berührt als das Publikum im Film, wird der erfolglose Folksänger Llewyn (sprich: Luin) Davis am Hinterausgang böse verprügelt – ein zu Recht wütender Cowboy schlägt ihm die Faust mitten ins Gesicht.

Llewyn hat es verdient, keine Frage; doch dank der besonderen Gabe der Gebrüder Joel und Ethan Coen bleibt man trotzdem den Rest des Films über bei ihm und möchte wissen, was aus diesem selbstgefälligen Schnorrer wird, der sich für den größten verkannten Künstler hält und der auf den Gefühlen seiner Mitmenschen herumtrampelt.

» Trailer zum Kinofilm „Inside Llewyn Davis“

» Kino Stuttgart: Wann und wo„Inside Llewyn Davis“ läuft, finden Sie hier.

Wir schreiben das Jahr 1961, kurz vor der Ankunft eines gewissen Robert Zimmerman aus Minnesota, der sich später Bob Dylan nannte, und Folk hat null Konjunktur. Llewyn hatte einen Hit mit einem Partner, der sich dann von einer Brücke stürzte, sein folgendes Soloalbum steht wie Blei in den Läden. Er treibt in einer viel zu leichten Lederjacke durch den New Yorker Winter, sein Verleger bietet ihm statt Tantiemen einen Mantel an, seine kleinbürgerliche Schwester in Brooklyn hält ihm eine Moralpredigt. Und die Kollegen Jim & Jean, auf deren Couch er ständig nächtigt, stößt er ebenso vor den Kopf wie ein Akademiker-Paar, das ihn großzügig unterstützt.

Die humorvolle Lebensbeichte des 2001 verstorbenen Folksängers Dave Van Ronk haben die Filmemacher als Vorlage für diesen Film genommen, der vorführt, wie die Karriere der meisten Musiker verläuft – und welche Kraft urtypische Folksongs haben können, wenn der oder die Richtige sie allein zur Gitarre vortragen. Der noch wenig bekannte Oscar Isaac füllt die Hauptrolle aus als stilsicheres Beatnik-Abziehbild mit finsterer Miene, leidender Männerstimme, traurigen Augen. Er ist ein Typ, den man eigentlich mögen möchte, wenn er es einem nur nicht so schwermachen würde.

Popstar Justin Timberlake beweist als Llewyns ausgesprochen erfolgreicher Kumpel Jim seine Musikalität und seinen Sinn für Humor: Erstens merkt der eifrige Jim nicht, dass Llewyn ihn eigentlich dafür verachtet, dass er sich „verkauft“, zweitens schreibt und singt er mit heiligem Ernst und ohne jegliche Selbstzweifel die albernsten Popsongs. Timberlake hat mit Produzenten-Legende T-Bone Burnett an den Arrangements gearbeitet – jede Nummer sitzt hier auf den Punkt.

Musik war den Coens immer wichtig in ihren Filmen. Auf dem mit Bedacht ausgesuchten Soundtrack zu „The Big Lebowski“ (1998) zum Beispiel ist Bob Dylan mit „The Man in Me“ vertreten; in „O Brother Where Art Thou?“ (2000) singen die Soggy Bottom Boys, drei entflohene Sträflinge in Geldnot im Mississippi des Jahres 1937, unter Führung von George Clooney für ein paar Dollar die Country-Nummer „Man of Constant Sorrow“ ein, die dann ein Hit wird – an dessen Gewinn sie natürlich nicht teilhaben.

Llewyn Davis wäre das nicht passiert, er allerdings hätte diesen Song wahrscheinlich als zu kommerziell abgelehnt. Er ist ein ganz eigener Charakter unter den vielen Exzentrikern im Coen-Universum, kaum zu vergleichen mit Verlierern vor ihm. „Barton Fink“ (1991) etwa war ja an der Ostküste schon ein arrivierter Schriftsteller, ehe er als Drehbuchautor in Hollywood scheiterte.

Eine Parallele ist das Erscheinen John Goodmans, der schon Barton das Leben schwermachte und seit seiner Rolle als Vietnam-Veteran in „The Big Lebowski“ eine Coen-Institution ist: Er hat einen grotesken Auftritt als gealterter Jazzmusiker, der Llewyn im Auto nach Chicago mitnimmt und ihm unterwegs erläutert, wieso er Folk für Mist und Folkmusiker für Verlierer hält.

Wie diese Roadmovie-Andeutung ist der ganze Film gespickt mit feinen Anspielungen. So verliert Llewyn Davis in den Straßen von Manhattan eine Katze wie einst Audrey Hepburn in „Breakfast at Tiffany’s“ (1961!) – nur ist es, natürlich, nicht seine eigene.

Was sonst noch im Kino in Stuttgart läuft, finden Sie in unserem Kino-Programm.