Nicht schön, aber erfolgreich: Der Kartoffelkäfer hat von Mexiko aus die ganze Welt erobert. Foto: Michael Eick

Der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) ist ein Gewinner der Globalisierung. Auf die Kartoffel als Nahrungspflanze kam er eher aus Versehen. Das aber macht ihn zu einem der berüchtigtsten Landwirtschaftsschädlinge weltweit.

Fellbach - Sommerzeit ist Erntezeit. Auf dem Schmidener Feld ist das Getreide gedroschen, und Kartoffeln werden gelesen – wenn noch etwas übrig ist. Manchmal hat der Kartoffelkäfer ganze Arbeit geleistet und die krautigen Teile der Kartoffelpflanzen gevespert. Die unterirdischen Knollen lässt das gefräßige Insekt zwar unversehrt. Doch sind die grünen Pflanzenteile kahl gefressen, kann die Kartoffel keine Energie in die Knolle stecken – und verkümmert auf dem Acker.

Charakteristisch sind die zehn dunklen Längsstreifen auf den gelben Flügeldecken

Früher gab es diesen Käfer gar nicht in Europa. Und ursprünglich wollte er von der Kartoffel als Nahrungspflanze nichts wissen. Seine Entwicklung ist ein Lehrstück von Globalisierung und menschlichen Eingriffen in die Natur. Die Heimat des etwa ein bis eineinhalb Zentimeter großen Kartoffelkäfers ist Mexiko. Von Mittelamerika aus startete er einen beispiellosen Eroberungszug rund um die Welt. Heute findet man den Käfer in wohl jedem Land, in dem es Kartoffeln gibt.

Charakteristisch sind die zehn dunklen Längsstreifen auf den gelben Flügeldecken. Davon leitet sich der wissenschaftliche Name Dcemlineata ab. Die auffällige Farbkombination aus Gelb und Schwarz signalisiert in der Natur immer: Achtung, giftig! Und in der Tat, der Käfer sondert ein orangefarbenes Wehrsekret ab, weshalb er von den meisten Tieren als Futter verschmäht wird – ein weiterer Grund für seinen weltweiten Erfolg.

Im späten 19. Jahrhundert gelang dem kleinen Krabbler der Sprung über den Atlantik

Im Englischen trägt er übrigens einen falschen Namen: Der Colorado Potato Beetle stammt nicht aus Colorado, auch wenn man ihn dort in großer Zahl entdeckte. Die ersten Siedler der USA hatten ihm den Tisch gedeckt, indem sie Kartoffeln im großen Stil anpflanzten. So wechselte der Käfer von seiner natürlichen Nahrung, dem Büffelklette genannten Stachel-Nachtschatten, auf die Kartoffel über. Man findet ihn auch an anderen Nachtschattengewächsen, etwa Tomaten.

Im späten 19. Jahrhundert gelang dem kleinen Krabbler der Sprung über den Atlantik. Von den großen Häfen aus begann er seinen Eroberungsfeldzug in Europa. Die ersten Sichtungen datieren auf 1877. Trotz früher Gegenmaßnahmen war der Mensch dem Käfer gegenüber chancenlos. Im Rekordtempo breitete er sich über den ganzen Kontinent aus, in wenigen Jahrzehnten war er überall, wo es Kartoffeln gab. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist der hohen Vermehrungsrate geschuldet. Die Weibchen legen schon in der ersten Generation bis zu 1200 Eier ab, später können es gut 2000 sein.

Sobald die Felder abgeerntet sind und es Herbst wird, suchen sich die Käfer ein Versteck im Boden

Die Eier werden in kleinen Paketen zu je 20 bis 80 Stück an der Unterseite von Blättern platziert. Nach etwa einer Woche schlüpfen blutrote Käferlarven, die sehr schnell wachsen und dabei fleißig Kartoffelpflanzen abnagen. Nach drei Wochen verpuppen sie sich unter der Erde und kommen nach weiteren drei Wochen als Käfer wieder zum Vorschein. So sind bei einer Entwicklungszeit von sechs bis sieben Wochen zwei, manchmal sogar drei Generationen jährlich möglich – bei guten Nahrungsbedingungen eine regelrechte Vermehrungskaskade. Dazu kommt, dass die Käfer recht gut fliegen können. So ist das nächste Kartoffelfeld meist nur ein paar Flugminuten entfernt. Sobald die Felder abgeerntet sind und es Herbst wird, suchen sich die Käfer ein Versteck im Boden. Sie überwintern bis zu einem halben Meter tief vergraben, bevor sie im Frühjahr wieder hervorkommen. Je wärmer die Temperaturen, desto höher die Käferaktivität. Damit dürfte der mexikanische Nachtschattenspezialist nicht nur ein Globalisierungsgewinner sein, sondern auch vom Klimawandel profitieren.

Wie versucht wird, Käferplagen in den Griff zu bekommen

In den 1930er Jahren wurden Soldaten zu regelrechten Feldzügen gegen den Kartoffelkäfer verpflichtet. Später, in Kriegszeiten, mussten die Schulkinder zum Einsammeln ausrücken. Dafür gab es schulfrei: Käferbekämpfung ging vor. Man hatte sogar einen Leitspruch zur Motivation gedichtet: „Sei ein Kämpfer, sei kein Schläfer, acht’ auf den Kartoffelkäfer!“

Giftkeule

Bis heute sind weltweit verschiedene Gifte im Einsatz, um sich der Kartoffelkäfer zu entledigen. Früher verwendete man erst Arsen oder dann synthetische Insektizide, meist auf Basis chlorierter Kohlenwasser-stoffe, bekannt ist zum Beispiel DDT. Das Problem: Die Kartoffelkäfer werden nach einiger Zeit resistent gegen die Gifte, man muss also ständig die Wirkstoffe wechseln. Zweites Problem: Die Insektizide vernichten meist auch alle anderen Insekten: Das Insektensterben lässt grüßen.

Bakterien

Eine Bekämpfungsmethode, die auch gegen andere Insekten, zum Beispiel Stechmücken, angewandt wird, ist die Infektion mit dem Bakterium Bacillus thuringiensi tenbrionis. Vorteil: Die Bakterientoxine sind hochspezifisch, wirken also nur auf die Kartoffelkäfer. Außerdem sind sie biologisch abbaubar. Mittlerweile testet man vor allem in Osteuropa auch einige gentechnisch veränderte Kartoffelsorten.