Locker zusammensitzen, das ist Teil des Konzepts. Hier plaudert das Team von Flip mit Kollegen anderer Start-ups über aktuelle Probleme. Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Das Innovationszentrum Code_n Spaces bringt Start-ups und etablierte Firmen zusammen. Anfang Oktober steht in Stuttgart auch ein großes Festival für Zukunftsideen auf dem Programm.

Stuttgart - Einen „Unort“ hat Initiator Ulrich Dietz vom Stuttgarter IT-Dienstleister GFT die Ecke im Gewerbegebiet Stuttgart-Fasanenhof einmal genannt. Eine Ansammlung von zusammengewürfelter Industriearchitektur, Parkplätzen, Hochspannungsleitungen, Beliebigkeit. Doch seit mehr als drei Jahren wächst hier ein in der Region einmaliges Innovationsnetzwerk.

Code_n Spaces heißt das Ensemble, das mit einer kreativ gestalteten Etage am neuen Stammsitz von GFT begann, sich erstmals 2017 in ein Nachbargebäude ausgebreitet hat und dort nun Stockwerk um Stockwerk in Beschlag nimmt.

„Jedes Jahr sind fast pünktlich zum selben Datum weitere Flächen dazugekommen“, sagt der Code_n-Geschäftsführer Moritz Gräter. Code_n ist die einst von GFT initiierte und heute rechtlich und kommerziell selbstständig agierende Innovationsplattform, die vor sieben Jahren mit einem Start-up-Wettbewerb und der Präsenz auf der IT-Messe Cebit in Hannover begann. In den Code_n Spaces gibt es inzwischen auf 2000 Quadratmetern und drei Stockwerken insgesamt 26 Büros und 15 Gemeinschaftsflächen wie Lounges, Eventbühnen und Teeküchen. Die Räumlichkeiten sind Bestandteil eines Innovations-Ökosystems: Zu Code_n gehören auch noch ein Start-up-Wettbewerb, und ein globales Start-up-Netzwerk. Anfang Oktober organisiert man in Stuttgart ein großes Event, das new.New Festival .

Menschen und Technologie verbinden

Obwohl natürlich Lümmelsessel, Tischkicker oder Kreativecken nicht fehlen dürfen – ein Start-up-Zentrum lebt von ganz anderen Qualitäten. Für Gräter ist es vor allem die richtige Mischung an Menschen, Unternehmen und Konzepten. Hightech ist bei allen Start-ups die Überschrift und das reicht von Blickanalysen für Autohersteller über Smartwatches für die Industrie bis hin zur Übertragung des Herzschlages der Mutter an Frühgeborene. Aber auch Daimlers Innovationslabor Lab1886 sowie Unternehmensberater und Investoren sind vor Ort.

Nicht alle sind Dauermieter, manche Unternehmen kommen für einige Wochen oder Monate für bestimmte Projekte, andere sind punktuell für Veranstaltungen zu Gast. Die Balance wird dabei gewahrt: Mit zurzeit 18 Mitarbeitern ist das Lab1886 beispielsweise kein größeres Schwergewicht als das größte Start-up Truphysics mit 14 Personen.

Räume auf Expansion angelegt

Viel wichtiger als architektonische Gags, die in der vorhandenen Baustruktur auch gar nicht möglich sind, ist bei den Code_n Spaces in Stuttgart die Möglichkeit, ein atmendes Systems zu sein. „Wenn die Start-ups wachsen, wollen wir ihnen die nötigen Flächen zur Verfügung stellen.“ Bisher sind die größeren Start-ups auf etwas mehr als ein Dutzend Mitarbeiter angewachsen.

„Aber wir wollen hier schon einmal Flächen auch für 50 Mitarbeiter anbieten können.“ Entscheidend für das Konzept ist, in Bewegung zu bleiben. Neue Ideen, neue Menschen, neue Flächen. Immer ist ein Puffer vorgesehen, damit Rochaden funktionieren: Dann wird eben ein Workshop-Raum zum Start-up-Büro.

Erst vor Kurzem ist das Start-up Flip ins aktuelle Zehn-Personen-Büro umgezogen. Das Ambiente ist schlicht. Kahler Beton, offene Leitungen, ein paar Schreibtische und Korktafeln. Dass da an einer Ecke ein rosa Post-it-Zettel mit dem Stichwort „Party“ klebt, ist noch das wildeste Accessoire. Geschäftskunden sind auch hier wie bei allen Start-ups die Zielgruppe. Flip bietet eine Kommunkations-App an, welche die Vorzüge von Facebook, Whatsapp und dem Google-Kalender kombinieren soll und die gleichzeitig einen geschützten Kommunikationsraum bietet.

Anfang des Jahres 2018 ist das 2015 gegründete Unternehmen nach dem Tipp eines Kunden in den Code_n Spaces gelandet. Zuvor hatte man ein Büro auf dem Firmengelände, danach war man auf der Suche nach einem eigenen Büro. „Wir haben aber immer auch etwas gesucht, wo man in Kontakt mit anderen Firmen kommt, die ähnliche Fragen und Probleme umtreiben“, sagt Mitgründer und Geschäftsführer Benedikt Ilg. Man schaute sich sogenannte Coworking-Büros an, wo sich Mieter aus unterschiedlichsten Branchen die Fläche teilen. „Aber da trifft man eher Freiberufler oder höchstens kleine Teams von drei oder vier Leuten“, sagt Ilg.

Start-ups helfen sich gegenseitig mit Tipps

„Das, was es hier gibt, ist in der Region Stuttgart immer noch einmalig“, sagt Gräter. Es gebe andere Projekte mit ähnlichen Bausteinen, aber die spezifische Mischung habe bisher noch niemand kopiert. Die Code_n Spaces haben zwar ursprünglich als Initiator das Unternehmen GFT, aber man ist offen. „Wir haben kein Oberthema wie Finanztechnologie oder Mobilität“, sagt der Code_n-Geschäftsführer. Alle Start-ups richten sich aber an Geschäftskunden.

Mit dem Einstieg in die Code_n Spaces bindet sich auch niemand an einen Förderer: Etablierte Firmen stehen auf Augenhöhe mit den Start-ups. Der Schlüssel sei es, immer wieder zu erspüren, wie man Leute zusammenbringen könne, die sich gegenseitig helfen können. Wenn also Besuch aus einem Konzern da ist, dann erfahren auch die Start-ups davon. Ich helfe dir, du hilfst mir – das ist die Währung, in der das funktioniert. Flip benützt beispielsweise eine innovative Software, welche App und Webseite kombiniert. Ein anderes Start-up, Code2Order, das die Kommunikation zwischen Gast und Hotel auf das Smartphone bringt, nutzt es auch. Und so kann man sich gegenseitig technische Tipps geben.

Das Gewerbegebiets-Ambiente stört niemanden

„Wir sind hier auch alle beim Unternehmensaufbau in einem ähnlichen Stadium“, sagt Flip-Mitgründer Ilg. Neue Mitarbeiter einstellen, Verträge formulieren, Rechtsberatung suchen. „Wenn du wissen willst, ob ein Berater etwas taugt, gehst du einfach zu den anderen und fragst, ob sie Erfahrungen haben.“

Und dann gibt es natürlich noch die Gespräche in der Kaffeeecke, wo auch einmal das eigene Geschäftsmodell hinterfragt wird – mit der tröstenden Erfahrung, dass andere Start-ups sich ebenfalls immer wieder neu erfinden mussten.

Ilg vermisst es überhaupt nicht, dass er im Industriegebiet nicht von hippen Cafés und coolen Treffpunkten umgeben ist. „Wissen Sie, wir sind hier, um zu arbeiten, und nicht, um Spaß zu haben“, sagt der Gründer, der wie die meisten Mitstreiter aus Schwaben kommt. Und wenn man spazierengehen wolle, sei doch das Grün in der Umgebung nicht weit.