Werkstatt im Hof des Schlosses. Foto: Birgit Holzer

Verrückte Träumer oder Vordenker für eine bessere Gesellschaft? In Frankreich treffen sich Tüftler und Bastler, Ingenieure, Designer und Marketing-Leute aus der ganzen Welt.

Garancières - Eigentlich erschien ihm seine Idee lange viel zu naheliegend, als dass sie wirklich neu sein könnte, sagt Jason Selvarajan. Schon als kleinem Jungen kam sie ihm in den Sinn, meistens dann, wenn er unter der Dusche stand: Wie könnte eine Konstruktion aussehen, die Duschwasser in Echtzeit reinigt, es durch mehrere Filter zurück in den Brausekopf pumpt und so den Verbrauch begrenzt?

„So ein System muss es doch längst geben. dachte ich“, erzählt der 29-jährige Finne. Schließlich schuf er es während seines Umweltingenieur-Studiums selbst und nannte es „Showerloop“ (Kreislaufdusche): „Egal, wie lange man duscht, man braucht weniger als zehn Liter Wasser, nur noch einen Bruchteil der Energie zum Erhitzen und reduziert die Kosten um 90 Prozent“, rechnet Selvarajan vor. Hilfe und Anregungen bekommt er von allen Seiten – nicht in seinem „finnischen Kämmerlein“, sondern im Schloss Millemont im Örtchen Garancières westlich von Paris.

100 Bastler und Kreative

Fünf Wochen lang und noch bis 20. September entwickeln 100 Bastler und Kreative aus der ganzen Welt beim „Innovationscamp“ POC21 („Proof of concept“) neue Produkte, die die Umwelt schonen, maximal haltbar und überall nachbaubar sind. Fachleute kommen von außen, um teilweise ehrenamtlich bei Fragen wie Finanzierung, Design oder Marketing zu beraten.

So steht Selvarajans Prototyp bereits, er möchte aber noch einen Bausatz entwickeln, damit jeder die Kreislaufdusche mit Teilen aus dem Baumarkt einfach und günstig nachbauen kann. Neben den ökologischen und ökonomischen Effekten gewährleiste sie Duschkomfort und beste Wasserqualität, versichert er. „Es lässt sich an Orten einsetzen, wo Wasser- oder Energiemangel herrscht, aber auch bei Festivals oder in Flugzeugen.“

Organisiert wird POC21 von Oui Share aus Frankreich und Open State aus Deutschland – zwei Netzwerken, die sich für solidarische Ökonomie, Umweltschutz und Open Source, also geteiltes Wissen und patentfreies Entwickeln, engagieren.

Nachhaltigere Produktionsweisen

Der Zeitpunkt ist geschickt gewählt: Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember machen die jungen Ingenieure, Designer und Wissenschaftler vor, wie Bürger selbst die Entwicklung für ein bewussteres, solidarischeres Zusammenleben und nachhaltigere Produktionsweisen gestalten können.

„Selbermachen statt Endlosdebatten“ lautet das Motto. Simuliert werden soll eine nachhaltige Gesellschaft, die nicht nur auf Profit, Konsum und ewiges Wachstum aus ist. Aber am Werke seien nicht nur Nerds oder Träumer, sondern Pragmatiker, sagt Simon Kiepe, einer der Mitorganisatoren. „Wir behaupten nicht, dass wir den Klimawandel verhindern können. Aber wenn er wirklich kommt, gibt es ohnehin nur noch eine Lösung: Zusammenarbeit.“

Die Teams tauschen sich untereinander aus: Der eine bringt technisches Know-how mit, der andere soziale Kompetenz – und so entsteht eine neue, offene Form des Zusammenarbeitens und -lebens. Das historische Schloss, das bereits als Kulisse für Filme wie „Marie Antoinette“ und „Coco Chanel“ diente, steht voller Laptops, im Hof gibt es eine Holz- und eine Metall-Werkstatt, CNC-Fräsen und 3-D-Drucker.

Konzentrierte Arbeitsatmosphäre

Es herrscht eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Mehr als 20 Partner unterstützen das Treffen mit Expertise und Geld: Das Budget von fast einer Million Euro tragen zu jeweils 40 Prozent Unternehmen und Stiftungen, 20 Prozent stammen aus öffentlichen Zuschüssen. Am Ende präsentieren ein Katalog und eine Wanderausstellung die Projekte und Produkte. Die Organisatoren betonen aber, dass es sich nicht um Investitionen handle, denn die Arbeitsprozesse seien bewusst ergebnisoffen: Der gemeinsame Weg ist das Ziel.

Zu den zwölf Projekten, die im Vorfeld ausgewählt wurden, gehören neben dem „Showerloop“ eine Windturbine aus Recycling-Material für 25 Euro und ein Lastenfahrrad mit Batterie, auf dem sich mit mit Hilfe von Modulen je nach Bedarf ein Grill, ein Kühlschrank oder eine Tonanlage aufbauen lassen. Noch befinden sie sich in unterschiedlichem Stadium. So kommt der Prototyp des Teams von „Sunzilla“ bereits zum Einsatz: Als mobiler Solargenerator versorgt er das Zeltlager hinter dem Schloss, in dem einige Teilnehmer leben. „Daraus entwickeln wir nun ein Universalsystem mit einem Faltmechanismus, um den Bedarf noch besser auf die Bedürfnisse der Kunden abstimmen zu können“, erklären die fünf jungen Berliner.

Sie stehen am Abschluss ihrer Studien in Elektrotechnik, erneuerbare Energien, Wirtschafts- und Ingenieurwesen. Haben sie sich bislang ehrenamtlich engagiert, könnten sie aus der Entwicklung neuer, umweltschonender Konzepte ihren Beruf machen. „Wir sind nicht nur Idealisten, sondern wollen schon auch davon leben können“, sagen sie. „Man muss nur Ideen haben.“ Und an ihnen mangelt es nicht.