Frankreichs Premier Castex und Innenminister Darmanin besuchen in Nizza ein Problemviertel. Beide wollen die Polizei im Kampf gegen das Verbrechen mit mehr Befugnissen ausstatten. Foto: AFP/YANN COATSALIOU

Die Regierung in Paris schlägt beim Thema innere Sicherheit einen harten Kurs ein – Premier und Innenminister wollen die Befugnisse der Polizei erweitern. Anlass ist ein zu Tode geprügelter Busfahrer.

Paris - Ronaël Pierre-Gabriel hat sich die Begrüßung in seiner neuen Heimatstadt anders vorgestellt. Der Mainzer Fußballprofi ist in Brest Opfer eines brutalen Angriffs von bisher unbekannten Tätern geworden. Erst vor zwei Wochen war der an den französischen Erstligisten Stade Brest ausgeliehene Verteidiger bei seinem neuen Verein eingetroffen. „Bei dem Vorfall erlitt Ronaël Körperverletzungen, bevor sein Auto in Brand gesteckt und vollständig zerstört wurde“, twitterte der Club, der den Übergriff „auf das Schärfste“ verurteilt.

Steigende Zahl von Straftaten und Vandalismus

Nachrichten von gewaltsamen Übergriffen, Prügeleien oder blindem Vandalismus machen im Moment in Frankreich immer häufiger die Runde. Großes Entsetzen löste jüngst ein brutaler Überfall in Bayonne aus, bei dem ein Busfahrer von einer Gruppe junger Männer zu Tode geprügelt wurde. Nur wenige Tage später wurde eine junge Krankenschwester in Lyon von einem Verkehrsrowdy totgefahren und fast einen Kilometer von seinem Auto mitgeschleift.

Bisher waren es vor allem Stimmen aus dem extrem rechten politischen Lager, die in solchen Fällen ein härteres Durchgreifen forderten. Doch nun meldet sich auch der neue Premierminister Jean Castex mit markigen Äußerungen zu Wort. Schon in seiner Regierungserklärung Mitte Juli hatte der konservative Regierungschef den Kampf gegen die wachsende Unsicherheit und Kriminalität in Frankreich zu einer seiner obersten Prioritäten erhoben und versprach „kompromisslose Antworten“. Auch der neue Innenminister Gérald Darmanin ließ bei seinen ersten Auftritten keine Zweifel aufkommen, welche Linie er in diesen Fällen einzuschlagen gedenkt. Nach dem Tod der Krankenschwester in Lyon betonte der Politiker in der Nationalversammlung, dass „die Verantwortlichen für diesen Mord schnell und hart bestraft werden“.

Die Polizei soll mehr Befugnisse bekommen

Zu dieser neuen Linie der Politiker gehört auch, Präsenz vor Ort zu zeigen. Bei einem Besuch in Nizza nach mehreren gewaltsamen Vorfällen in der Stadt kündigte Regierungschef Jean Castex eine Ausweitung der Befugnisse der lokalen Polizeibehörden und härtere Strafen für Drogendelikte an. Begleitet wurde der Premier von Innenminister Darminan, der in Nizza versprach, diejenigen zu „beugen“, die „die Republik beugen wollen“. Kurz darauf sprach der Darmanin von einer „Krise der Autorität“. „Wir müssen die Verrohung eines bestimmten Teils der Gesellschaft stoppen“, sagte der Konservative der Zeitung „Le Figaro“. Der Staat dürfe diesen Leuten „nichts durchgehen lassen“.

Was die Franzosen besonders bestürzt ist die Tatsache, dass es inzwischen immer wieder vorkommt, dass Rettungskräfte regelrecht in Hinterhalte gelockt werden. So wurde in diesen Tagen ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz in einem Vorort von Paris durch Schüsse verletzt. Auf einem Parkplatz war ein Auto angezündet worden, als die Helfer anrückten, wurden sie aus einem Versteck heraus beschossen. „Wir sind inzwischen darauf gefasst, dass wir bei unseren Einsätzen von Schaulustigen behindert oder beleidigt werden“, sagt Lucien, Feuerwehrmann in einer Wache im 16. Arrondissement von Paris, „aber diese Hinterhalte sind eine neue Qualität.“

Experte sieht Spaltung der Gesellschaft

Thibault de Montbrial, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der staatlichen Offiziersschule (École de guerre) warnt vor einer „Brutalisierung“, die sich auch gegen die Institutionen und deren Repräsentanten richte. Der Jurist sieht eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die durch die sozialen Medien im Internet verstärkt werde. Es fänden keine Diskussionen mehr statt, vorherrschend sei ein zunehmen hysterisch geführter Schlagabtausch. Der Schritt von verbalen Attacken hin zu körperlichen Übergriffen sei dann nur noch eine Frage der Zeit. Vom Staat fordert er, den Auswüchsen dieser Entwicklung konsequent entgegenzutreten. Sollte das nicht gelingen, sieht Thibault de Montbrial die innere Sicherheit des Landes gefährdet.

Auch Emmanuel Macron meldete sich in diesen Tagen zu dem Thema zu Wort und verurteilte das um sich greifende „unsoziale Verhalten“ in der Gesellschaft. In den Reihen der Polizei löste der Präsident mit dieser Wortwahl allerdings eine Welle der Empörung aus. Es handle sich nicht um ein paar Graffitis an Häuserwänden, hielten ihm die Beamten entgegen, hier gehe es um Menschenleben.