Gewerbe im Erdgeschoss ist wichtig für eine lebendige Innenstadt, findet die Weiler Stadtverwaltung. Wer aus diesen Flächen Wohnraum machen will, braucht deshalb jetzt die Zustimmung der Stadt.
Wie stellt man die Innenstadt auch in Zeiten von Onlinehandel gut auf und holt Leben in die Gassen? In der Keplerstadt hat man, ebenso wie anderswo im Ländle, in den letzten Jahren immer wieder nach Antworten auf diese Fragen gesucht, etwa in Sachen Verkehr, Parken oder Marktplatznutzung. Und auch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats ging es erneut um die Belebung der historischen Altstadt.
Von Jürgen Katz, dem Ersten Beigeordneten der Stadt, gibt es erst einmal Lob: In der Altstadt herrsche ein Nutzungsmix aus Wohnen, Dienstleistung, Handel und Gastronomie, der im Sinne einer multifunktionalen Innenstadt als Ideal gelte. Eine besondere Bedeutung schreibt die Verwaltung den Erdgeschossen entlang der Einkaufsstraßen zu – in der klassischen Aufteilung: Unten Gewerbe, oben Wohnraum. „Wir halten die Erdgeschosszonen für schützenswert“, sagte Katz im Gremium.
Einmal Gewerbe, immer Gewerbe – oder zumindest für lange Zeit
Und hatte deshalb mitgebracht: Eine sogenannte Erhaltungssatzung, die Kommunen als Instrument dient, um eine schützende Hand über die bauliche Substanz bestimmter Gebiete zu halten. Die Satzung in Weil der Stadt wolle man einführen, „damit die Stadt mitsprechen kann, wenn Gewerbe im Erdgeschoss in Wohnraum umgewandelt werden soll“, so Katz. Ist dies einmal geschehen, so fürchtet die Verwaltung, würde die Fläche nicht so schnell wieder für Gewerbe genutzt werden. Und das schmälere die Chancen, die Innenstadt als gute Geschäftslage und lebendiges Zentrum zu stabilisieren und weiter voran zu bringen, so Katz.
Gelten soll die Erhaltungssatzung künftig für die Schaufensterzonen in der Stuttgarter, Pforzheimer, Herrenberger und Badtorstraße sowie auf dem Marktplatz. Will dort ein Grundstücksbesitzer erdgeschossige Gewerbeflächen in Wohnraum umwandeln, bedarf das einer Genehmigung durch die Stadtverwaltung. Bereis seit 2018 sind hier Baumaßnahmen mit Außenwirkungen genehmigungspflichtig, eine entsprechende Gestaltungssatzung hatte man verabschiedet, um die bauhistorische Identität der Altstadt zu bewahren. Die neue Satzung ergänzt nun diese bestehende Regelung in Sachen Nutzung. „Damit sind nicht mehr nur denkmalschutzrechtliche Aspekte relevant, sondern auch die Nutzung der Gebäude“, so Katz auf Nachfrage unserer Zeitung.
Eingriff in die Eigentumsrechte?
Dass tatsächlich Gewerbeflächen im Erdgeschoss in Wohnraum umgewandelt werden, kommt derweil nicht sonderlich häufig vor: Sieben Fälle habe es in den vergangene Jahren gegeben, sagt der Erste Beigeordnete. „Allerdings zielt die Maßnahme auch darauf ab, solche Entwicklungen in Zukunft möglichst zu vermeiden und un- oder untergenutzte Erdgeschosse wieder für gewerbliche Nutzungen zu mobilisieren.“
Bewerten kann die Stadtverwaltung entsprechende Gesuche anhand festgelegter Kriterien. Sollte der Fall eintreten, dass die Stadt eine entsprechende Maßnahme tatsächlich ablehnt, würde dem Eigentümer der Fläche der Rechtsweg bleiben. „Das limitiert das Eigentum stückweise“, räumte Bürgermeister Christian Walter ein. „Aber wir sind daran gehalten, die Verhältnismäßigkeit zu waren.“ Etwa dann, wenn über längere Zeit keine gewerblichen Nutzer für eine Erdgeschossfläche gefunden werden, obwohl sich ein Eigentümer nachweislich darum bemüht.
In Sindelfingen hat man positive Erfahrungen gemacht
Ganz ohne Kritik wurde die neue Erhaltungssatzung im Gemeinderat nicht angenommen. Die drei Stadträte der FDP stimmten geschlossen gegen die Einführung, Fraktionsvorsitzender Hans Dieter Scheerer kritisierte die Satzung als „zu starken Eingriff in die Eigentumsrechte“. Man schaffe zudem ein „Bürokratiemonster.“ Bürgermeister Christian Walter wies das von sich: „Die Satzung hat eine Seite.“ Zumindest schwergetan mit einer Entscheidung hatten sich auch Freie Wähler und die CDU. „Ich verstehe beide Seiten“, kommentierte Ricarda Stäbler, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler. „Für die Gewerbetreibenden wäre die Umwandlung aber ein Todesstoß.“
Für die Kommunen sei eine Erhaltungssatzung kein unübliches Instrument, betonte Bürgermeister Walter. Tatsächlich gibt es ähnliche Satzungen auch in anderen Kommunen – in Pforzheim etwa, Stuttgart oder Vaihingen/Enz. Und in Sindelfingen: Dort gibt es seit 2020 eine Erhaltungssatzung für die Darmsheimer Ortsmitte, weil hier immer wieder Gebäude, die zwar nicht unter Denkmalschutz standen, aber das historische Ortsbild prägten, abgerissen wurden. Mit der Satzung habe man bisher sehr gute Erfahrungen gemacht, bestätigt der Amtsleiter für Stadtentwicklung und Geoinformation, Michael Paak. „Die Satzung ist ein ideales Instrument, um in den Dialog mit den Bauwilligen einzutreten“, sagt er. Die bisher diskutierten Vorhaben konnten so allesamt an Qualität gewinnen, in allen Fällen wurde eine Lösung gefunden. Die Sorge vor übermäßigen Klagen hat sich hier nicht bestätigt: Verfahren wegen der Erhaltungssatzung gab es in Sindelfingen noch nicht.