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2011 so viele junge Täter in Stuttgart wie nie zuvor – Innenstadt soll wieder sicherer werden.

Stuttgart - Samstagabend, kurz vor 22 Uhr, am Rande des Schlossplatzes. Unbeirrt von der wachsenden Partystimmung um sie herum gehen die Beamten des Präventionsmobils tapfer ihrer Arbeit nach. Mit einer sogenannten Rauschbrille können vorbeiflanierende Nachtschwärmer testen, wie sich der damit simulierte Alkoholpegel negativ auf ihre Wahrnehmung auswirkt. Hütchen umkurven, nach Gegenständen greifen – stolpern: Die jungen Leute haben sichtlich ihren Spaß. Der Abend ist noch jung.

Doch dass die Polizisten am Wochenende an Ort und Stelle sind, hat einen ernsten Hintergrund: Während die Jugendkriminalität in der Landeshauptstadt 2011 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt zurückgegangen ist, erreichte die Zahl der Gewaltdelikte in der Altersgruppe bis 21 Jahre mit 909 einen neuen Rekordwert. Etwa jeder dritte tatverdächtige Gewalttäter ist jugendlich. Und die Statistik zeigt: Bei mehr als 90 Prozent der meist männlichen Jungtäter ist Alkohol im Spiel. Auch dank feuchtfröhlicher Feiern werden Stuttgarts Straßen an den Wochenenden ein immer heißeres Pflaster.

Nächtliche Schwerpunktaktionen alle paar Wochen

Auf diesen Trend will die Stuttgarter Polizei nun mit verstärkter Präsenz in der Innenstadt reagieren. Nächtliche Schwerpunktaktionen, wie sie Polizei, Stadt, Zoll und Steuerfahndung am vergangenen Samstag erstmals in diesem Jahr ausgerufen haben, sollen künftig alle zwei bis vier Wochen stattfinden, erklärt Polizeidirektor und Einsatzleiter Harald Weber. Über 100 Beamte, teilweise in Zivil, sind an diesem lauen Sommerabend unterwegs, um Szenelokale unter die Lupe zu nehmen, Personenkontrollen vorzunehmen und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu ahnden.

Im Mittelpunkt aber steht das Thema Jugendgewalt. Erst nach null Uhr, wenn der Alkoholpegel steigt und sich die Plätze füllen, gehe es damit so richtig los, weiß Weber. „Dann können schon kleine Rempeleien zu einem handfesten Streit führen.“ Wer nicht trinkt, schlägt in vielen Fällen auch nicht, lautet daher die einfache Rechnung der Polizei. In den Gaststätten kontrollieren die Beamten an diesem Abend das Alter der anwesenden Gäste, außerdem prüfen Testkäufer, wie man es hier mit dem Jugendschutz hält. In einem Viertel der Fälle werden Verstöße beim Verkauf von Alkohol festgestellt.

Wo die Stimmung bereits brummt, zeigen die Einsatzwagen Flagge. Besonders an den bekannten Brennpunkten wie in der Bolzstraße, wo sich das Partyvolk bedrohlich mischt und es bis zu Handgreiflichkeiten oft nur ein kleiner Schritt ist. Von ihrer „offenen Präsenz“, so der Polizeijargon, erhoffen sich die Beamten die Abschreckung gewaltbereiter Jugendlicher. Vielleicht auch Vernunft.

Fünfmal klicken die Handschließen.

Doch bei der großangelegten Aktion macht den Beamten die Fußball-EM einen Strich durch die Rechnung. Gegen 23 Uhr feiern 2500 Griechen in Cannstatt den Triumph ihrer Elf. Die Straßen sind dicht, Einsatzkräfte müssen abgezogen werden.

Gegen 2.30 Uhr in der Steinstraße. Eine Bar, die für ausschweifende Partys bekannt ist, platzt aus allen Nähten. Mehrere Einsatzwägen fahren vor, Routinekontrolle im Großformat. Die Eingänge werden umstellt, Türsteher und Gäste kontrolliert, alles in Ordnung. Kurz darauf in Sichtweite: ein Großaufgebot der Kollegen. Ein junger bulliger Kerl sitzt nach einer Prügelei in der Tür eines Krankenwagens, der Kopf blutüberströmt. Direkt daneben hat sich vor den Augen der Polizei noch eine zweite Schlägerei abgespielt. Vier gegen einen. Einige Partygäste haben sich solidarisiert, bedrohen und beleidigen die Beamten. Auch ohne Messgerät wird schnell klar, dass die Täter alkoholisiert sind.

Für Stuttgarter Verhältnisse bleibt es aber eine ruhige Nacht. Fünfmal klicken die Handschließen. „Es hat nur wenige Körperverletzungen gegeben“, zeigt sich Polizei-Sprecher Jörg Kurowski denn auch zufrieden. Das sei auch auf die hohe Präsenz der Beamten zurückzuführen. Doch die können nicht immer da sein.