Im Februar glaubte die 19-Jährige in Schwäbisch Gmünd den Mann wiedererkannt zu haben, der sie im Irak als Sklavin gehalten hatte. Foto: YouTube

Wurde eine Jesidin in Schwäbisch Gmünd von dem IS-Kämpfer bedroht, der sie versklavte? Die 19-jährige Aschwak behauptet das. Sie floh zurück in den Irak – und macht deutschen Behörden Vorwürfe. Ein emotionaler Fall, der viele Fragen aufwirft.

Schwäbisch Gmünd/Erbil - Die Jesidin Aschwak T. kam nach Baden-Württemberg, um den Mann zu vergessen, der sie einst auf einem Sklavenmarkt in Mossul gekauft hatte. Doch ausgerechnet hier will die junge Frau – wie berichtet – ihren frühren Peiniger von der Terrormiliz IS wiedergetroffen haben. Sie floh deshalb zurück in den Irak. Von den deutschen Behörden fühlt sie sich offenbar nicht ernst genommen. „Niemand hört uns, niemand glaubt uns“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Ein schwerwiegender Vorwurf in einem spektakulären Fall, der weltweit Resonanz findet. Bei näherem Hinsehen stellen sich allerdings viele Fragen.

Die Vorgeschichte: Am 3. August 2014 geriet die damals 15-jährige Aschwak samt Schwestern und Cousinen in die Fänge des Islamischen Staates (IS), als IS-Kämpfer in ihr Dorf in der Region Sindschar im Nordirak einfielen. Monate später gelang ihr die Flucht. 2015 kam sie nach Deutschland. Sie gehörte zu den 1100 Jesidinnen, für deren Aufnahme sich Baden-Württemberg und Niedersachsen starkgemacht hatten. Fortan lebte sie mit ihrer Mutter und ihren Brüdern in Schwäbisch Gmünd, das im Rahmen des Sonderkontingents 30 bis 40 traumatisierte Jesidinnen aufnahm.

Im Februar glaubte die 19-Jährige in Schwäbisch Gmünd den Mann wiedererkannt zu haben, der sie im Irak als Sklavin gehalten hatte. Im Mai kehrte in den Nordirak zurück – aus Angst, wie sie sagte. Über ihren Fall berichteten zunächst „Welt“ und „Bild“ unter Berufung auf eine irakische Nachrichtenseite und ein Internetvideo.

Grüne und FDP wollen Auskunft vom Innenminister

Die Grünen und die FDP in Baden-Württemberg fordern jetzt Aufklärung vom CDU-geführten Innenministerium. „Wir wollen geklärt haben, ob alles getan wurde, um der jungen Frau zu helfen und sie zu schützen“, sagte der Grünen-Innenexperte Uli Sckerl am Wochenende. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke will wissen, „was Innenminister Strobl unternommen hat, um der Frau zu helfen“. Das Innenministerium äußerte sich bisher zurückhaltend, versicherte aber, alle Vorkehrungen getroffen zu haben, „um für Aufklärung und Schutz zu sorgen“. Das Landeskriminalamt ist nach eigenen Angaben seit dem 13. März mit dem Fall befasst, die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe offenbar seit Juni. Dort heißt es, man nehme die Schilderungen sehr ernst, habe die junge Frau aber nicht befragen können: „Unsere Hoheitsbefugnisse enden an der deutschen Grenze.“ Die 19-Jährige zeigt sich in Interviews verwundert, dass die Behörden sie zuletzt nicht kontaktiert hätten, äußerte zugleich auch Dankbarkeit für die Aufnahme in Schwäbisch Gmünd. Zurückkehren wolle sie aber nicht. Schilderungen wie denen Aschwaks müsse man grundsätzlich erst einmal Glauben schenken, sagen Psychologen. Medizinische Details über den Zustand der Frau seien jedoch nicht bekannt, was eine Einschätzung erschwere. Es sei infolge schwerer Traumata möglich, dass Erlebtes wieder hochkomme und die Wahrnehmung beeinflusse.

„Alles unternommen, um die junge Frau zu schützen“

Richard Arnold, Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, zeigte sich am Sonntag im Gespräch mit unserer Zeitung überrascht von der Entwicklung, den der Fall der jungen Jesidin medial genommen hat – auch durch deren Äußerungen selbst. Fälschlicherweise sei der Eindruck entstanden, die Behörden hätten nicht angemessen reagiert. „Wir haben versucht, ihr umfassend Sicherheit zu geben“, sagte Arnold. Der CDU-Politiker betonte: Es sei bestürzend, was die ethisch-religiöse Minderheit der Jesiden im Nordirak erlitten habe. „Vor unseren Augen hat sich ein Genozid abgespielt.“ Die Schicksale der Frauen seien dramatisch. Deshalb hätte man der Betreuung der Jesidinnen von Anfang an größte Aufmerksamkeit geschenkt. Nachdem die junge Frau von der Begegnung mit ihrem früheren Peiniger im Ort berichtet habe, seien sofort Ermittlungen eingeleitet worden. „Das Thema war ganz hoch aufgehängt. Man hat alles unternommen, um die junge Frau zu schützen.“ Ihr sei auch ein Wohnungswechsel angeboten worden, den sie jedoch abgelehnt habe. Im Mai habe die Frau dann Schwäbisch Gmünd verlassen.

Arnold stellte klar: „Die Person, von der die Frau berichtet hat, war meines Wissens zu keinem Zeitpunkt in einer Flüchtlingsunterkunft in Schwäbisch Gmünd untergebracht.“ Die Ermittlungen liefen aber weiter. Aus Kreisen der Flüchtlingsbetreuung verlautete am Sonntag, es hätten sich schon mehrfach Jesidinen mit ihren Schilderungen über frühere Peiniger an die Behörden gewandt. Das hätte auch zu einer Reihe von internationalen Haftbefehlen geführt. Dass sich eine solche Person in Deutschland aufhalte, sei nicht bekannt.