Die Gäubahn Foto: Tabea Guenzler

Mit Stuttgart 21 wurde Kommunen entlang der Gäubahn eine bessere Schienenverbindung versprochen. Nun sehen sie sich auf unabsehbare Zeit abgehängt.

Sieben große Kreisstädte entlang der Gäubahn haben in einem Gutachten klären lassen, was sie gegen die Einstellung der direkten Schienenverbindung zum Stuttgarter Hauptbahnhof unternehmen können. Die Deutsche Bahn AG plant diese 2025, wenn Stuttgart 21 in Betrieb geht.

Dann sollen alle Reisenden wegen einer Gleiskappung in der City für zehn oder mehr Jahre in Stuttgart-Vaihingen auf S- und Stadtbahnen umsteigen. Erst ein neuer Tunnel von Böblingen zum Flughafen würde den direkten Anschluss an die S-21-Infrastruktur mit dem Tiefbahnhof wieder sichern.

Der Rechtsweg ist für die Städte schwierig

1,4 Millionen Einwohner entlang der Stecke dürfe die Deutsche Bahn AG nicht einfach abhängen. Wolle sie die Gleise von Vaihingen zum Hauptbahnhof („Panoramastrecke“) dauerhaft nicht mehr befahren, müsse sie die Stilllegung der Strecke beantragen, sagte der mit der Expertise beauftragte Professor Georg Hermes von der Goethe-Universität Frankfurt/Main am Mittwoch im Böblinger Rathaus. Der von der Bahn beabsichtigte quasi kalte Weg (Aufstellen von Prellböcken auf den Gleisen) sei „eindeutig rechtswidrig“. Das Stilllegungsverfahren könnten die Städte über das Verwaltungsgericht mit der Erklärung erzwingen, dass ein anderes Unternehmen die Strecke betreiben möchte. Dieses könnten sie unterstützen.

Einen direkteren Weg, ihren Anschluss zu sichern, sieht Hermes für Böblingen, Herrenberg, Horb, Rottweil, Villingen-Schwenningen, Tuttlingen und Singen nicht, schließlich bestehe für Gemeinden „kein Recht, direkt an die nächste Großstadt angebunden zu werden“, selbst wenn „erhebliche Standortnachteile auf der Hand liegen“.

Greift das Eisenbahn-Bundesamt ein?

Hermes nimmt nicht an, dass die Städte tatsächlich ein Gericht anrufen müssen. Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) als Bahnaufsicht werde in Sachen Stilllegung einschreiten, glaubt er, sonst drohe ein „Skandal“. Die Behörde bestätigte am Mittwoch unserer Zeitung den Eingang eines Antrags auf Eil-Rechtsschutz des Landesnaturschutzverbandes (LNV). Der Verband pocht ebenfalls auf den Betrieb der Strecke bis zum Hauptbahnhof und sieht sich klagebefugt.

Hermes sieht außerdem „gute Gründe“, dass die künftige Verwendung der Gleisgrundstücke in Stuttgart – samt Gäubahn – in einem Planfeststellungsverfahren erst noch zu klären seien.

Für die beauftragenden Kommunen sei das Ergebnis ernüchternd, aber auch ermutigend, so der Böblinger OB Stefan Belz (Grüne). Man suche mit den S-21-Partnern eine politische Lösung und erwarte dazu auch „Signale aus dem Bundesverkehrsministerium“. Bevor man die Gäubahn im Stuttgarter Talkessel abhänge, müsse der neue Weg über den Flughafen fertig sein, so die Erwartung der Kommunen. Stuttgart könne voraussichtlich vor 2035 seinen geplanten Städtebau auf den Gleisflächen sowieso nicht verwirklichen, sagte Peter Rosenberger (CDU), OB von Horb . Den von Stuttgart propagierten noch zu bauenden Nordhalt (beim Nordbahnhof) sieht Rosenberger nicht als Alternative, auch mit diesem bleiben die Umstiegsprobleme für Reisende.

In den Kommunen macht sich Frust breit

Erheblich verärgert zeigte sich beim Pressetermin Singens OB Bernd Häusler (CDU), er sieht die Städte getäuscht: „Uns hat man mal erklärt, Stuttgart 21 sei die Zukunft. Und was passiert? Wir werden abgehängt!“ Es gebe eine erhebliche Anzahl von Menschen, die den Fernverkehr brauchen, die DB plane aber, Böblingen und Singen bis auf einen Nebenhalt abzuhängen. Keiner wisse, ob und wann der Tunnel zum Flughafen komme, daher seien Gleise zum Hauptbahnhof nötig.

OB Nopper lehnt Anbindung ab

Häusler setzt wie Rosenberger auf die Vermittlung von Michael Theurer (FDP), dem für Schienenverkehr zuständigen Staatssekretär im Bundesverkehrministerium und vormaligen Horber OB. Eine Anrainerkonferenz noch vor der Sommerpause sei vonnöten. Dem Vernehmen nach wollen die S-21-Partner am 18. Juli über eine Änderung des Finanzierungsvertrages entscheiden, mit der Mittel aus S 21 für den Tunnel flössen. Die Landeshauptstadt setzte am Mittwoch per Pressemitteilung ein Statement von OB Frank Nopper (CDU) ab. Darin heißt es, man wolle „den Erhalt der Panoramastrecke, allerdings nur bis zum geplanten Nordhalt und nicht bis zum Hauptbahnhof“.