Aufkleber weisen stillenden Müttern in Weinstadt den Weg. Die Initiative gibt es beispielsweise auch in Ludwigsburg. Foto: Frank Eppler

Die Initiative „Stillfreundliche Orte in Weinstadt“ bietet Frauen geschützte Räume, um ihre Babys unterwegs zu versorgen. Die Hebamme Elke Rölle wünscht sich, dass noch deutlich mehr Einrichtungen, Firmen und Gastronomiebetriebe mitmachen.

Weinstadt - Stillfreundliche Orte? Braucht es so etwas? „Ja“, sagt Elke Rölle. Daher hat die Hebamme in Weinstadt mit dem Familienzentrum und der Stadt nun eine gleichnamige Initiative ins Leben gerufen. 19 öffentliche Einrichtungen, Cafés, Restaurants und Apotheken haben sich dieser bisher angeschlossen. In einem Flyer sind sie aufgelistet. Zudem gibt es spezielle grüne Aufkleber als Erkennungsmerkmale vor Ort.

Seit 2012 ist Rölle in Weinstadt freiberuflich als Hebamme tätig. Durch ihre Arbeit kennt sie die Sorgen und Nöte junger Mütter. Immer wieder werde sie von diesen gefragt, ob Stillen in der Öffentlichkeit erlaubt sei, berichtet Rölle. Dabei erzählten ihr die Frauen, dass sie sich unangenehmen Blicken ausgesetzt fühlten, teils regelrecht angegafft würden. Manche seien auch schon angesprochen worden, ob das nun sein müsse, dass sie ihrem Kind in der Öffentlichkeit die Brust geben.

Jeder Vierte ist skeptisch

Die Erfahrungen junger Mütter in Weinstadt decken sich mit den Ergebnissen einer Befragung, die das Bundesinstitut für Risikobewertung 2017 in Auftrag gegeben hat. Danach steht jeder Vierte dem Stillen in der Öffentlichkeit zwiespältig oder ablehnend gegenüber. Vor allem in Cafés oder Restaurants werde daran Anstoß genommen, wobei sechs Prozent der Befragten generell etwas gegen stillende Mütter in der Öffentlichkeit haben. Wer das Thema googelt, stößt neben Tipps dazu auch auf diverse Berichte von Frauen, die negative Erfahrungen machen mussten, von dummen Sprüchen bis hin zu Rausschmissen aus Lokalen ist die Rede.

Es ist also nicht allein ein Weinstädter Thema, dem sich Elke Rölle angenommen hat. „Und es ist nicht meine Idee“, betont sie. Vielmehr gebe es seit einigen Jahren derartige Aktionen bereits in verschiedenen deutschen Städten. Darunter ist Ludwigsburg. Rund 60 Einrichtungen, Unternehmen und Gastronomiebetriebe haben sich der 2017 von der Stadt und dem Kreishebammenverband initiierten Aktion „Babyfreundliches Ludwigsburg“ angeschlossen. Flyer und Kleber weisen sie wie in Weinstadt als stillfreundliche Orte aus. In der Schweiz ist man weiter, indem man das Thema nicht nur lokal begrenzt angeht. Die Mamamap, eine Gratis-App der Stillförderung Schweiz, informiert im Nachbarland über geeignete Orte.

Von einer Teilnehmerzahl wie in Ludwigsburg kann Elke Rölle bislang nur träumen. „Ich hätte mir gewünscht, dass mehr mitmachen“, meint die Hebamme. 120 Einrichtungen in Weinstadt schrieb sie hierzu an, wobei sie die Briefe persönlich überbrachte, um das Anliegen zu erläutern. Studenten unterstützten sie dabei. „Manche waren gleich angetan, andere skeptisch oder haben eine Teilnahme gleich abgelehnt“, sagt Rölle über Gastronomen und Einzelhändler. Die Hebamme bedauert die ablehnenden Haltungen vieler vor allem, weil das Umfeld auch Einfluss auf die Entscheidung junger Mütter für oder gegen das Stillen hat.

„Muttermilch ist eine wertvolle Nahrung und mehr als nur Kohlenhydrate, Vitamine und Fette. Es sind auch Antikörper drin, die das Kind vor Infektionen schützen.“ Nicht umsonst empfehle die Weltgesundheitsorganisation, Babys in den ersten sechs Lebensmonaten ausschließlich zu stillen. Zumal Stillen sich auch langfristig auf die Gesundheit auswirke, laut Studien im späteren Leben etwa vor Adipositas und Diabetes schütze.

„Ein wichtiger Grundstein fürs Leben“

Des Weiteren sei erwiesen, dass Muttermilch die Gehirnentwicklung von Kindern unterstützt, zählt Rölle, die eine Weiterbildung zur Stillberaterin absolviert hat, positive Effekte auf: „Und Kinder erhalten durch Stillen eine tolle Bindung und damit einen wichtigen Grundstein fürs Leben“, erklärt die Hebamme, die selbst Mutter dreier volljähriger beziehungsweise fast erwachsener Kinder ist. So geht es Rölle nicht allein darum, mit „stillfreundlichen Orten“ Müttern Räume für die Versorgung ihrer Babys zu bieten, an denen sie sich sicher fühlen können. Sie möchte vielmehr die Öffentlichkeit generell für das Thema sensibilisieren.

Weitere Informationen zur Aktion Familiengerechte Kommune findet man hier.