In Plastik eingeschweißte Werbeheftchen – Anne Venugopal hat genug davon. Foto: privat

Anne Venugopal möchte die Werbesendung „Einkauf aktuell“ nicht länger im Briefkasten haben. Die Idee, zu klagen, stammt von einer Bürgerinitiative. Was steckt dahinter?

Stuttgart - Meistens kommt das Ärgernis am Freitag. Wenn Anne Venugopal an diesem Wochentag ihren Briefkasten im Stuttgarter Süden öffnet, liegt fast immer etwas drin, das sie nicht haben will. Das hat sie der Deutschen Post per Einschreiben mitgeteilt. Doch das Schreiben blieb ohne Folgen. Die Post, so beschreibt es Venugopal, wirft die „Einkauf aktuell“ trotzdem weiter ein.

Viele Menschen in Deutschland kennen die Wurfsendung. In Plastikfolie eingeschweißt bewerben die Heftchen Angebote und Aktionen verschiedener Supermärkte. Anne Venugopal sieht in der Werbung in erster Linie Abfall, der vermieden werden könnte.

„In unserem Haus leben 27 Parteien. Neben den Briefkästen steht ein großer Mülleimer. Bei uns wird die ‚Einkauf aktuell’ zu 100 Prozent direkt nach Erhalt weggeschmissen“, sagt die 34-jährige Stuttgarterin.

Freut sich jemand über die Werbung?

Nach Angaben der Post ist Venugopals Haus nicht repräsentativ. Das Unternehmen verweist auf eine Allensbach-Umfrage, laut der sich etwas mehr als jeder fünfte Deutsche über die Prospekte freue. „Weitere 47 Prozent freuen sich zwar nicht, aber die Prospekte stören sie auch nicht“, teilt die Post auf Anfrage mit.

Außerdem, so argumentiert der Konzern, sei es ja ganz einfach, der Werbung zu entgehen. Kunden müssten lediglich einen „Keine-Werbung“-Aufkleber am Briefkasten anbringen. Dann würden die Heftchen nicht mehr zugestellt.

Wer die Klage unterstützt

Anne Venugopal entgegnet, dass das in ihrem Mehrfamilienhaus nicht möglich sei. Denn die Hausverwaltung wolle bei den Briefkästen ein einheitliches Bild. Deshalb, so die 34-Jährige, habe sie ja per Einschreiben bei der Post protestiert. Die Sichtweise des Unternehmens: „In Massengeschäft wie der Briefzustellung ist es nicht möglich, einzelne Empfänger über Namenslisten von der Zustellung bestimmter Sendungen oder Erzeugnisse auszunehmen, speziell wenn es um unadressierte Sendungen wie ‚Einkauf aktuell’ geht.“

Venugopal möchte nun gegen die Post klagen. Unterstützt wird sie dabei von der Initiative „Letzte Werbung“, die sich gegen ungewollte Werbung im Briefkasten und den entstehenden Müll einsetzt. Nach Angaben der Initiative landen jährlich 33 Kilogramm Werbung in jedem Briefkasten. „Einkauf aktuell“ wird der Post zufolge jede Woche an bis zu 20 Millionen Haushalte in Ballungsräumen zugesandt.

Gemeinschaftliches Müllsammeln

Venugopal und ihr Mann setzen sich schon länger für eine saubere Umwelt ein. Sie organisieren in Stuttgart gemeinschaftliche Müllsammelaktionen an öffentlichen Plätzen. Solche Aktionen sind derzeit beliebt, der Trend wird auch „Plogging“ genannt. Das Ehepaar Venugopal hat dafür das „Cleanup Network“ gegründet. Mittlerweile haben sich andere Initiativen dem Netzwerk angeschlossen, darunter auch die Gruppe „Letzte Werbung“. So kam der Kontakt zustande. „Letzte Werbung“ bereitet die Klagen gegen die Post vor und unterstützt die Kläger, sagt Katharina Wallmann von der Initiative.

Wallmann und ihre Kollegen planen, dass in den nächsten Wochen bundesweit etwa zehn Personen gesondert Klage gegen die Post einreichen werden. Ironischerweise hofft die Initiative darauf, vor Gericht nicht in allen Fällen Erfolg zu haben. Wenn vielmehr die Post Recht bekommt, möchte „Letzte Werbung“ in Revision gehen. „Unser Ziel ist es, dass ein Fall bis vor den Bundesgerichtshof kommt“, sagt Wallmann. „Wir wollen eine Grundsatzentscheidung.“

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Initiative will den Spieß umdrehen

Wallmann und ihre Kollegen streben eine Systemänderung an. Anstatt mit einem Aufkleber Werbung zu widersprechen, solle der Spieß umgedreht werden. Nur wer explizit Werbung erhalten möchte, soll dies mit einem Aufkleber kundtun. „Wir wollen niemandem etwas wegnehmen. Wenn man Werbung haben möchte, soll man sie weiterhin bekommen“, sagt Wallmann.

Die Post verweist darauf, dass sich das Unternehmen seiner Verantwortung gegenüber der Umwelt bewusst sei. Zum Beispiel werde „Einkauf aktuell“ ausschließlich auf Recyclingpapier gedruckt. Außerdem breche die Plastik-Umhüllung im Recyclingpapier auf, sodass nahezu 100 Prozent des Papiers verwertet werden könnten. Die Post stützt sich dabei auf Angaben einer Interessensvertretung von Papierherstellern, der sogenannten „Internationalen Forschungsgemeinschaft Deinking-Technik“. Der Begriff „Deinking“ steht für das Entfernen von Druckfarben beim Recycling von Altpapier.

Was verdient die Post mit der Werbung?

Besser für die Umwelt wäre es in Anne Venugopals Augen trotzdem, wenn die Werbung gar nicht erst in ihrem Briefkasten landet. Sollten Sie und die anderen Kläger am Ende erfolgreich sein, könnte das der Post finanziell schaden. Zwar gibt der Konzern zu einzelnen Produkten keine gesonderten Umsatzzahlen bekannt. Einem Bericht der „Welt am Sonntag“ zufolge soll sich der Erlös des betreffenden Geschäftsbereiches aber auf 300 Millionen Euro im Jahr belaufen.