Die CDU-Parlamentarier wollen nicht länger warten und ergreifen die Initiative für eine neue Regierung, von der sie vor allem eines erhoffen: Stabilität. Vor Neuwahl und Minderheitsregierung warnen sie.
Berlin - In der Bundestagsfraktion der Union gibt es immer mehr Befürworter einer großen Koalition mit der SPD. Impulsgeber dieser Bewegung sind die Unionsabgeordneten aus dem Südwesten. Aus deren Reihen wurde am Donnerstag ein Text auf den Weg gebracht, der nachdrücklich vor Neuwahlen und dem Modell einer Minderheitsregierung warnt und für ein Bündnis mit den Sozialdemokraten wirbt. Der Apell, der auf eine Initiative der Abgeordneten Michael Hennrich (Nürtingen), Karin Maag (Stuttgart) und Stephan Harbarth (Heidelberg) zurückgeht, findet in der Landesgruppe breiten Rückhalt. Zu den Unterzeichnern gehört auch Landesgruppenchef Andreas Jung. Die Initiative zieht aber auch über die Gruppe der Südwest-Abgeordneten hinaus Kreise. So gehört auch der schleswig-holsteinsche CDU-Landesgruppenchef Johann Wadepuhl zu den Unterzeichnern.
Die Aufgabe „nicht unerledigt zurückgeben“
In dem zweiseitigen Schreiben, das nun in der Fraktion als Unterschriftenliste kursiert, heißt es: „Das Volk hat der Politik eine Aufgabe gestellt – diese Aufgabe kann man nicht unerledigt zurückgeben.“ Das Modell einer Minderheitenregierung wird abgelehnt, weil „die Opposition die Regierung wie an einem Ring durch die politische Manege ziehen“ würde: „So würde eine Situation entstehen, in der wir nicht nur innenpolitisch gelähmt, sondern auch in der Handlungsfähigkeit gegenüber anderen Staaten eingeschränkt wären“, heißt es in dem Schreiben, das mit „Appell an die Verantwortung“ überschrieben ist. Deshalb spricht sich der Text, zu dessen Erstunterzeichner unter anderem auch die Abgeordneten Stefan Kaufmann, Eberhard Gienger, Joachim Pfeiffer, Thomas Bareiß und Armin Schuster gehören, für eine Regierung mit der SPD aus: Die drei großen Koalitionen in der Geschichte Deutschlands „haben unbestritten Gutes für unser Land bewirkt“, heißt es in dem Papier. „Insofern wäre es konsequent und spräche für die Verlässlichkeit unseres politischen Systems, wenn wir diese Regierung erneut bilden“.
Der Text spricht sich aber auch gleichzeitig für eine „Diskussion über die politische Ausrichtung und Erneuerung“ aus. Das bedeute „eine inhaltliche und personelle Profilierung der CDU, die nach außen das gesamte Spektrum unserer Partei sowie unser Zukunftspotenzial mit starken Köpfen sichtbar macht“. Das kling harmlos, hat aber durchaus Sprengkraft, was künftige Personaldebatten angeht.
„Verdammte Pflicht“ zum Ausloten von Kompromissen
Co-Initiator Michael Hennrich sagte gegenüber unserer Zeitung, die Bürger hätten „dieses Mikado-Spiel, wer sich zuerst bewegt, satt“. Deshalb brauche die Politik jetzt Führungskraft und den Mut zur Übernahme von Verantwortung. Mit-Initiatorin Karin Maag sagte, die SPD sei zwar nicht der Wunschpartner der Union, „aber sie steht für Verlässlichkeit und Seriosität“. Deshalb wolle sie „für Schwarz-Rot werben“. Stephan Harbarth, der auch stellvertretender Fraktionschef ist, betonte, es sei „die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Politik, Kompromisse auszuloten“.
Landesgruppenchef Andreas Jung äußerte sich ähnlich. Der gesamte Vorstand der Südwest-Landesgruppe sei in seiner Meinung eindeutig: „Man muss die SPD einladen, man muss sondieren und mit ihr verhandeln.“ Jung warnt vor allem vor einer Minderheitenregierung. Sie könnte schlimmstenfalls dazu führen, dass Gesetze nur mit Hilfe der AfD verabschiedet würden. Das müsse verhindert werden.
Mitunterzeichner Armin Schuster sieht den Appell auch als Signal an die SPD. „Wir wollen denen in der SPD Flankenschutz geben, die sich für eine große Koalition stark machen. Die erhalten auf diesem Weg ein Zeichen der Unterstützung.“ Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, hat unterschrieben, weil er vor Neuwahlen warnen will. Den Wählerauftrag einfach zurückzugeben, lege „die Hand an eine Grundfeste repräsentativer Demokratie“, sagte er. Die Verantwortung sei auf vier Jahre verliehen. Den Eindruck zu vermitteln, Deutschland sei eine Art Stimmungsdemokratie, sei „brandgefährlich“.