„Wie es wurde was es ist“ heißt die Schau, die einen präzisen Einblick in das Schaffen ... Foto: Foto: Galerie Valentien

Roh und doch voller Zartheit, vollendet, aber doch ungemein jung – so empfiehlt sich das Werk der Bildhauerin Ingrid Hartlieb in der Schau „Wie es wurde was es ist“ in der Stuttgarter Galerie Valentien.

Stuttgart - Holz drängt sich, stapelt sich, macht sich schlank und elegant, um dann doch auch dem fein geschliffenen groben Klotz die Tür zu öffnen. Das Holz ist ein Stück, ist eine Spindel, die sich zur Stadt dreht, ist ein Rechteck, das für sich ist, das stützt, auf das man sich stützt. Dies alles in und aus der Ruhe einer anderen Welt, einer anderen Zeit.

Ensle-Preis würdigt das Lebenswerk und behauptet zugleich einen Neustart

„Wie es wurde was es ist“, ist die Ausstellung mit Werken von Ingrid Hartlieb in der Galerie Valentien betitelt (geöffnet auch an diesem Donnerstag, 1. November, 11 bis 18 Uhr). Die Schau verneigt sich vor einem Schaffen, das aus dem Holz der Konsequenz entwickelt, geschnitzt, geklopft, geschliffen ist. Um eine Verbeugung geht es ja tatsächlich auch, die Ausstellung gilt Ingrid Hartlieb als Preisträgerin. Der Maria Ensle Preis der Kunststiftung Baden-Württemberg, ermöglicht durch die namensgebende Stifterin, ist ihr zugedacht.

„Möglichkeit zum Innehalten“

Die Ehrung „soll Aufmerksamkeit auf das bisherige Lebenswerk der ausgezeichneten Künstlerinnen und Künstler richten und ihnen gleichzeitig eine Möglichkeit zum Innehalten geben, welche für ihre künstlerische Inspiration und Kreativität essentiell ist“.

Zuspitzungen mit der Kohle

„Wie es wurde was es ist“ lässt mit gutem Grund Raum für die Zeichnerin Ingrid Hartlieb – die Kohle schafft sich nicht weniger zugespitzt eine ebenso rohe wie zugleich eigentümlich lyrische Figuration. Gerade so, als ob die zentrale „Lügenspirale“ ihre Elemente auf die Leinwand geschleudert hätte, um dann doch kurz vor dem Auftreffen, alle Einzelblöcke sanft abzufedern.

Hartlieb fiert die Würde der Dinge

1944 in Reichenberg geboren, zählt Ingrid Hartlieb längst schon zu den großen Künstlerfiguren im Südwesten – mit ihr verbindet sich nicht zuletzt das Leuchten der Bildhauer-Generation aus der Stuttgarter Akademie-Klasse von Rudolf Hoflehner. Der Ensle-Preis rückt dieses Werk erneut ins Licht – verstärkt durch eine Ausstellung, die der Würde der Dinge an sich nachspürt. Inmitten der Zeitstürme ein schwieriges Unterfangen? Nicht, wenn es von dieser Dynamik beseelt ist wie bei Ingrid Hartlieb. Kurz: Es gilt der schönste Widerspruch: Die Schau der Ensle-Preisträgerin ist etwas für junge Menschen.