Einen Tag nach der Geiselnahme (Foto) erinnert auf dem Rathausplatz kaum noch etwas an die dramatischen Stunden. Die Polizei und die Spezialeinsatzkräfte sind abgerückt, die Sperren entfernt. Etwa neun Stunden hatte ein 24-jähriger Stalker mehrere Mitarbeiter in seiner Gewalt. Foto: dpa

Einen Tag nach der Geiselnahme erinnert auf dem Rathausplatz kaum noch etwas an die dramatischen Stunden. Die Polizei und die Spezialeinsatzkräfte sind abgerückt, die Sperren entfernt. Etwa neun Stunden hatte ein 24-jähriger Stalker mehrere Mitarbeiter in seiner Gewalt.

Ingolstadt - Für Carmen Zimmermann ist es der schönste Tag ihres Lebens. Im weißen Brautkleid steht die 26-Jährige auf den Stufen des Alten Rathauses von Ingolstadt und wirft den Brautstrauß hinter sich. Einen Tag nach der Geiselnahme hat sie am Dienstagmorgen geheiratet. „Wir hatten riesige Angst, dass es heute nicht klappt mit der Hochzeit“, sagt sie. Zunächst stand die Gesellschaft auch tatsächlich vor verschlossenen Türen. Dann kam aber doch der Standesbeamte und öffnete die Tür des Alten Rathauses - wenig später waren die Zimmermanns ein Ehepaar.

Einen Tag nach der Geiselnahme erinnert auf dem Rathausplatz kaum noch etwas an die dramatischen Stunden. Die Polizei und die Spezialeinsatzkräfte sind abgerückt, die Sperren entfernt. Etwa neun Stunden hatte ein 24-jähriger Stalker am Montag mehrere Mitarbeiter in seiner Gewalt und bedrohte sie mit einer Pistole. Polizisten konnte den Täter schließlich überwältigen und die Geiseln unverletzt befreien.

Die Biertische und -bänke, die eigentlich für den Wahlkampfauftritt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag bereitstanden, liegen gestapelt in Gittern. Die Bühne, auf der Merkel und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) reden wollten, ist abgebaut.

„Wir versuchen, ein Stück weit zur Normalität überzugehen - so weit das geht“, sagt der stellvertretende Pressesprecher der Stadt, Michael Klarner. Man sei einfach nur froh über das glückliche Ende. So informiert die Stadt auf der wöchentlichen Pressekonferenz am Dienstag die lokalen Medien über Bauprojekte, die Lange Nacht der Museen und eine Umfrage zu den Radwegen. Nachfragen zur Geiselnahme werden nicht beantwortet. Der Versuch, den Alltag in der oberbayerischen Universitätsstadt wieder einkehren zu lassen, ist spürbar. Geschockt wirken zumindest die wenigen Mitarbeiter, die am Seiteneingang eine Raucherpause einlegen, nicht.

"Es war schon ein komisches Gefühl"

Auch der Dritte Bürgermeister Sepp Mißlbeck (Freie Wähler), den der Geiselnehmer stundenlang in seiner Gewalt hatte, ist bereits wieder zur Arbeit gegangen. Sein Amtszimmer ist jedoch noch für die Spurenaufnahme der Polizei gesperrt. Äußern will sich Mißlbeck wie auch die anderen Angestellten am Dienstag nicht zu den dramatischen Stunden.

Die Tür des Alten Rathauses, in dem die Angestellten viele Stunden der Angst verbracht hatten, ist zugesperrt. Wer einen Termin hat, wird von einem Mitarbeiter abgeholt. Kerstin Wittmann, die reservierte Karten für eine Stadtführung abholen will, hat dafür Verständnis. „Dann komme ich halt morgen wieder“, sagt die Bürgerin. Umfangreiche Kontrollen im Rathaus - wie Leibesvisitationen und Sicherheitsschleusen wie bei Gerichten - lehnt sie ab. Es gebe halt keine hundertprozentige Sicherheit vor psychisch kranken Tätern. „Aber vielleicht hätte es schon gereicht, dem Pförtner ein Bild von dem Mann zu geben, der ja schließlich Hausverbot im Rathaus hatte.“

Der Täter hatte monatelang einer Mitarbeiterin des Rathauses nachgestellt. Zudem hatte er mehrere Angestellte bedroht und sexuell belästigt. Er war wegen Nachstellung, Beleidigung, Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Zudem sprach die Stadtverwaltung ein Hausverbot gegen ihn aus. Aufhalten ließ sich der Geiselnehmer davon jedoch nicht. Mit einer täuschend echt aussehenden Pistolen-Attrappe drang er in das Rathaus ein und versetzte die Mitarbeiter in Angst und Schrecken.

Die Geiselnahme ist auch noch bei Carmen Zimmermann im Hinterkopf, als sie heiratet - vor allem in dem Moment, als der Standesbeamte das Trauzimmer hinter ihnen mit dem Hinweis auf die Sicherheitsvorkehrungen schließt. „Es war schon ein komisches Gefühl“, sagt sie. „Aber jetzt sind wir beide nur noch glücklich über unseren Tag.“