Januar 2022: Inge Auerbacher spricht im Bundestag anlässlich des Holocaustgedenktags. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/Bernd von Jutrczenka

Inge Auerbacher und ihre Eltern haben den Holocaust überlebt. Die 87-Jährige erzählt ihre Geschichte immer wieder, weil Zukunft nur gelingen kann, wenn man die Vergangenheit kennt.

Göppingen - Inge Auerbachers Kindheit liegt lange zurück. Was aber die Hoffnung auf eine bessere und vielleicht gerechtere Zukunft eines Landes mit dem Wissen um die eigene Vergangenheit zu tun hat, lebt die 87-Jährige auf beeindruckende Art und Weise vor. Immer wieder kommt die inzwischen Hochbetagte nach Deutschland. Sie hätte allen Grund es nicht zu tun.

Denn die gebürtige Kippenheimerin, die im württembergischen Jebenhausen (Kreis Göppingen) aufgewachsen ist, wurde 1942 mit ihren Eltern ins Getto von Theresienstadt deportiert. Sieben Jahre war sie da alt. Da hatte sie schon die Reichspogromnacht, Bedrohung und Drangsalierung der jüdischen Bevölkerung durch den nationalsozialistischen Staat erlebt. Ihr geliebter Großvater starb 1939 nach seiner Verhaftung und einem Aufenthalt im KZ Dachau noch in Jebenhausen und ist dort als letzter jüdischer Mitbürger beigesetzt.

Gegen Antisemitismus

Wie durch ein Wunder überlebt Inge Auerbacherdie mörderischen Vernichtungspläne des Nazi-Regimes, lebt nach ihrer Rückkehr nach Stuttgart kurz in einem Displaced-Persons-Camp, um dann 1946 mit ihren Eltern in die USA auszuwandern.

Inge Auerbacher, die als Chemikerin gearbeitet hat und seit über sieben Jahrzehnten in New York ansässig ist, ist zur regelmäßigen Besucherin in ihrer alten Heimat geworden. Denn wenn sie eine Mission aus dem eigenen Überleben und dem ihrer Eltern ableitet, dann die: Nie wieder darf Antisemitismus die Hoheit über das Denken und Handeln der Menschen gewinnen. Bei ihrer Rede im deutschen Bundestag anlässlich des Holocaust-Gedenktags am 27. Januar dieses Jahres sagte sie das in eindrücklichen Worten. „Wir sind alle als Brüder und Schwestern geboren. Mein innigster Wunsch ist die Versöhnung“. Sie will als eine der letzten Zeitzeuginnen des Holocaust den Weg dafür bereiten. Und immer wieder mahnen, weil sie weiß, dass der Antisemitismus sich wieder ausbreitet.

Immer wieder auf Besuch in der Heimat

Mit dieser Botschaft, die zu ihrem Lebensauftrag geworden ist, spricht sie seit Jahrzehnten vor Schulklassen, hat schon vor internationalen Institutionen gesprochen und wendet sich so an die Generationen, die an der Zukunft bauen. In ihrem Buch „Ich bin ein Stern“ hat sie für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene ihr Überleben aufgeschrieben. Dass sie bei ihrem letzten Besuch in ihrer Göppingen Heimat, die Ehrenbürgerwürde der Stadt bekommen und angenommen hat, zeigt ihre tiefe Verbundenheit. Und ihren Tatendrang. Trotz allem, was man ihr und ihrer Familie angetan hat.