Wie wird sich der Verkehr in der Ditzinger Ortsmitte entwickeln? Das ist auch eine Frage des Geldes. Foto: Simon Granville

Das Ziel ist längst formuliert, doch um es zu erreichen, benötigen die Ditzinger einen langen Atem und einen gut gefüllten Geldbeutel.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hatte vor wenigen Tagen keine gute Nachricht im Gepäck: Die Steuerschätzer gehen davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen zusammen bis 2029 insgesamt 81,2 Milliarden Euro weniger einnehmen als noch vor wenigen Monaten geplant. Die Worte des Ministers wurden in Ditzingen wohl gehört. Sie bekräftigen die Verwaltung nämlich in ihrem Tun, hatte sie doch vor wenigen Wochen auf die stark sinkenden Gewerbesteuereinnahmen reagiert und eine Haushaltssperre verhängt.

 

Ditzingen befindet sich nicht allein in dieser Situation. In einem Video hat der baden-württembergische Städtetag auf die Finanznot der Kommunen aufmerksam gemacht. Darin ergreifen 60 Rathauschefs das Wort, unter ihnen Ditzingens Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos). Deren Botschaft ist deutlich. Stellvertretend sagt Städtetagspräsident Frank Mentrup: „Wir brauchen mehr Geld vom Land.“

Beliebtes steht auf der Streichliste

In einer ersten Reaktion hat das Land zwar angekündigt, anstehende Zahlungen an die Kommunen vorzuziehen. Diesen reicht das aber nicht. Es ändert auch nichts maßgeblich daran, dass die Stadträte im Zweifel den Bürgern erklären müssen, warum sie für viel Geld zum Beispiel eine Kreuzung an der geplanten Heimerdinger Umfahrung bauen wollen, wenn andererseits Veranstaltungen im Rahmen vom „Sommer an der Glems“ auf der Streichliste stehen.

Bei der Messe „Ditzingen mobil“ rücken derlei Finanzierungsfragen in den Hintergrund. Bei der zweitägigen Schau geht es vielmehr um die Idee von einer Stadt, in der der gleichwertige Mobilitätsmix aus Auto, Fahrrad, Bus und Bahn Wirklichkeit ist, der Innenstadtverkehr also zugunsten von mehr Lebensqualität reduziert ist.

Der Gemeinderat wird sich in den nächsten Tagen mit einem Großprojekt im Straßenbau befassen, konkret mit der Vereinbarung mit dem Land zum Bau der Südumfahrung Heimerdingen. Die Stadt plant, das Land baut und finanziert im Wesentlichen das Millionenprojekt. Es soll Heimerdingen vom Durchgangsverkehr entlasten, vom Auto- und Lastverkehr, der durch Heimerdingen hindurch das stauträchtige Autobahndreieck bei Leonberg umfährt. Die deutliche Reduzierung des motorisierten Verkehrs würde den Ort attraktiver machen – zum Beispiel auch für den Radverkehr, wenn etwa sichere Radwege angelegt werden könnten in den ursprünglichen Dorfgassen, durch die sich in derzeit noch der Schwerlastverkehr quält.

Um die Umgehung zeitnah bauen zu können, hatte der Gemeinderat zugestimmt, sich mit maximal vier Millionen Euro an den Baukosten zu beteiligen. Über diese Grundsatzentscheidung hinaus ist bisher aber offen, wie zum Beispiel der landwirtschaftliche Verkehr kreuzt. Überlegungen dafür gibt es, aber bezahlen muss dies die Kommune – zusätzlich zu den vier Millionen. Die Kosten allein für die Bahnkreuzung werden auf eine Viertelmillion Euro geschätzt.

Frank Mentrup Foto: Uli Deck/dpa

Der Gemeinderat steht mehrheitlich zu dem Straßenprojekt, die Zustimmung zu den Vereinbarungen mit dem Land sind im Grundsatz auch nicht Gegenstand der Diskussion. Auch wenn einmalige Investitionskosten nicht mit laufenden Ausgaben gleichzusetzen sind, wird sich der Gemeinderat positionieren müssen. Er hat mit dem Konsolidierungsprozess beschlossen, jährlich 2,2 Millionen bei den laufenden Ausgaben einzusparen. Das gilt dann eben auch für das zweite große Infrastrukturprojekt, der Anbindung der Stadt an die Stadtbahn. Noch ist offen, ob die Bahn im Gewerbegebiet bei Trumpf und Thales endet, oder ob sie bis zum Bahnhof geplant und gebaut wird.

Anlass für die Anbindung der Kommune an das Stadtbahnnetz war der Bedarf der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) an einem weiteren Betriebshof. Dieser entsteht auf Stuttgarter Gemarkung, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ditzingen – weshalb Oberbürgermeister Makurath die Zustimmung mit der Anbindung Ditzingens ans Stadtbahnnetz verband. SSB-Chefplaner Volker Christiani hat vor wenigen Tagen im Interview mit dieser Zeitung dargelegt, dass die Bahn frühestens ab 2031 nach Ditzingen fahren könnte. Die Bauarbeiten auf Stuttgarter Gemarkung sollen Ende 2026 beginnen.

Stand heute wird die Anbindung ans Gewerbegebiet gut 68 Millionen Euro kosten. Die Stadt trägt davon 17 Millionen. Deutlich mehr kostet die Weiterführung bis zum Bahnhof: Zusätzlich zu den laufenden Betriebskosten, müsste die Stadt rund 40 Millionen aufbringen – mindestens. Die Zahlen beruhen auf Kostenermittlungen von Mai 2023.