Markant: die Oberleitungsbusse in Esslingen. Foto: Roberto Bulgrin/Bulgrin

Die Stadt Esslingen plant, bereits in wenigen Jahren den Öffentlichen Nahverkehr ausschließlich mit grünem Strom betreiben will. Wir zeigen, wie das erreicht werden soll.

Die Welt hat ein Problem: Aufgrund des Klimawandels geraten jahrzehntelang gut funktionierende Prozesse in Natur, Gesellschaft und Wirtschaft in Schieflage. Die meisten Naturwissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Probleme minimieren ließen, wenn der CO2-Ausstoß etwa im Verkehrswesen oder in der Industrie deutlich verringert würde. Deshalb treiben fast alle Volkswirtschaften der Welt die Energiewende voran: Erneuerbare Energie statt fossiler Energie, heißt die Zauberformel.

Damit wird das globale Thema zu einem lokalen. Denn Energiegewinnung ebenso wie die Vermeidung von einem zu großen CO2-Ausstoß geschieht nicht in Konferenzräumen und Forschungslaboren, sondern immer vor Ort, also im lokalen Raum. Es sind die Städte und Gemeinden, deren Stadtwerke und regionalen Versorger, die die Suppe auslöffeln müssen. Städte wie Esslingen oder Stuttgart sind im Kern eng bebaut, liegen im Tal, umgeben von Hügeln – es gibt wenig Windschneisen, die etwas Durchzug bringen könnten. Folge: Die Hitze staut sich hier besonders stark. Und es kühlt sich auch nicht richtig ab, weil Beton und Asphalt die Hitze tagsüber speichern und erst nachts nach und nach abgeben.

Was genau passiert in Esslingen?

Esslingen wird eine der ersten Städte in Deutschland sein, die ihren städtischen Nahverkehr zu hundert Prozent mit grünem Strom fahren lässt. Heißt im Klartext: Der Busverkehr soll ab 2025 komplett mit erneuerbarer Energie fahren, vornehmlich mit Strom, der aus Wasserkraft gewonnen wird.

Das Klima wird Nullkommanull belastet. Und das läuft so: Die so genannten O-Busse (Oberleitungsbusse) fahren mit einem Elektromotor. Den grünen Strom beziehen sie aus einer Oberleitung. Das reicht aber nicht für das gesamte Liniennetz. Deshalb speichern die Busse während der Fahrt zusätzlichen Strom in einer Batterie. Sobald sie aus dem Oberleitungsnetz heraus sind, fahren sie weiter mit dem Strom aus der Batterie. Das Netz muss nur noch wenige Kilometer erweitert werden, dann reicht es aus, um die gesamte Stadt elektrisch befahrbar zu machen.

Wie steht Esslingen im deutschlandweiten Vergleich da?

Esslingen gehört zu ganz wenigen Städten in Deutschland, die in naher Zukunft klimaneutral fahren. Im Frühjahr bekam die Stadt dafür fast 30 Millionen Euro Fördermittel. Nur zehn Kommunen in Deutschland – unter anderem die Millionenstädte Berlin, München und Köln - bekommen diese Förderung und keine andere in Baden-Württemberg. Oberbürgermeister Matthias Klopfer weiß die Zugabe zu schätzen: „Nur mit einer kräftigen Unterstützung des Bundes kann die Mammutaufgabe Verkehrswende in Deutschland gelingen.“

Kostet das nicht viel Geld?

Es geht also um Millionen und es geht um eine Mammutaufgabe. Die hybriden Oberleitungsbusse sind teuer. Ein 18 Meter langer Gelenk-Oberleitungsbus mit Batterie kostet zurzeit rund 1,1 Millionen Euro und ist damit fast drei Mal so teuer wie ein vergleichbarer Bus, der mit Diesel betrieben wird. Bei den zwölf Meter langen Busses ist das Verhältnis noch ungünstiger: 950.000 Euro mit Batterie und Oberleitung, 290.000 Euro mit Diesel. Auch die Infrastruktur an Oberleitungen und Trafostationen gehen ins Geld und kosten mindestens eine Million Euro pro Kilometer.

Was sagen die Macher?

Mit dem klimaneutralen Nahverkehr steigt die Attraktivität des Busverkehrs – davon jedenfalls geht der Technische Werkleiter des städtischen Verkehrsbetriebs Esslingen (SVE), Johannes Müller, aus. Zurzeit zählt der SVE fast zehn Millionen Fahrgäste im Jahr. Um die ehrgeizigen Umweltziele der Stadt Esslingen zu erreichen, reiche das noch nicht, meint Müller. Etwa 15 Prozent aller Verkehrsteilnehmer in Esslingen sind mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs. Bis zum Jahr 2027 – so will es das Mobiliätskonzept der Stadt – sollen es 20 Prozent sein.

Was tut sich sonst in der Klimapolitik von Esslingen?

Die Stadt möchte ihrem Mobilitätskonzept zufolge, dass zum 1250-Jahr-Jubiläum der Stadt im Jahr 2027 nur noch vierzig Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Zurzeit sind es noch über 50 Prozent. Auch das Fahrrad bekommt einen anderen Stellenwert. Heute werden etwa sieben Prozent der Wege damit bewältigt, 2027 sollen es mehr als doppelt so viele sein. Um dahin zu kommen, gewinnt – nicht selten zum Leidwesen von Autofahrern – die Planung von Fahrradwegen an Bedeutung. Mit Spannung erwartet wird noch in diesem Jahr die Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts der Stadt. Es ist veraltet und endet 2020 – also in der Vergangenheit.