Bei den Neuzulassungen ist der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge heute größer als der des Diesels. Foto: dpa/Marijan Murat

Teuer, umständlich, brandgefährlich? Franz Loogen setzt sich als Geschäftsführer der e-mobil BW für klimafreundliche Mobilitätslösungen ein und klärt in Weinstadt darüber auf.

Gut 20 Jahre hat Franz Loogen beim Fahrzeugbauer Daimler gearbeitet. Seit 2010 leitet er die e-mobil BW GmbH, eine hundertprozentige Tochter des Landes Baden-Württemberg. Sein Ziel ist es, klimafreundliche Mobilität voranzutreiben und Fahrzeugbauer und Zulieferer beim Transformationsprozess des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg zu unterstützen.

 

Herr Loogen, was ist das häufigste Vorurteil bei E-Mobilität, das Ihnen begegnet?

Die sogenannte Reichweitenangst macht Nutzern Sorgen. Ursache sind Gewohnheitsumstellungen: Wer heute bei einem Benziner nachtankt, wenn der Tank zu einem Viertel leer ist, der ist noch nicht bei der E-Mobilität angekommen. Da fährt man die Batterie von 85 oder 90 Prozent auf zehn Prozent runter, weil sie in dem unteren Bereich viel schneller lädt. Man kann dann in 15 Minuten nachladen und weiterfahren.

Franz Loogen ist Geschäftsführer der e-mobil BW GmbH. Foto: e-mobil BW/KD Busch

Die Sorge, irgendwo liegenzubleiben, ist also unbegründet?

Die Skepsis gegenüber dem Elektroauto haben meist die Verbrenner-Fahrer. Und das liegt an einigen Gewohnheitsunterschieden. Wenn Sie Verbrenner fahren, dann wissen Sie, irgendwann muss ich tanken und halten Ausschau, wo die nächste Tankstelle ist. Die erkennen Sie dank der Riesen-Logos. Wenn Sie elektrisch fahren, finden Sie die nächsten Ladepunkte eingeblendet im Navi-System. Das eine ist genauso gut wie das andere, wenn man es kennt.

Man kann nicht dogmatisch sagen, jeder muss elektrisch fahren. Wer das Klima maximal schützen möchte und bereit ist, diese Gewohnheitsveränderungen zu machen, für den ist das Elektroauto perfekt. Wer aber noch Hemmungen hat, der darf das durchaus noch eine Zeit beobachten. Es gibt auch andere energetisch recht gute Varianten, und auf Dauer werden sich alle an das Elektroauto gewöhnen wie an das Smartphone.

Wie viele Elektroautos gibt es derzeit?

Aktuell sind bei den deutschen Neuzulassungen etwa 17 Prozent batterieelektrische Fahrzeuge. Im Bestand sind es bereits etwa drei Prozent, was viel ist. Wir haben heute fast 1,6 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge in Deutschland. Der Anteil der Neuzulassungen dieser Fahrzeuge ist heute größer als der des Diesels. Das ist also bereits jetzt ein relevanter Marktanteil. Die meisten Fahrzeuge werden zudem von mehreren Personen benutzt. Das heißt: Von den etwa 80 Millionen Bundesbürgern haben vier bis sechs Millionen eine aktive Erfahrung mit Elektroautos.

Mit einem – meist teuren und in der Technik anspruchsvollen – Plug-in-Hybrid kann man oft 100 Kilometer elektrisch fahren. Den Rest der Strecke funktioniert das Fahrzeug wie ein Hybrid ohne Stecker.

In der Anschaffung sind Elektroautos teuer. Sind sie nur etwas für Wohlhabende?

Beim Autokauf achten Verbraucherinnen und Verbraucher auf zwei Punkte: Anschaffungspreis und Erwartung der Energiekosten. Im Moment ist es so, dass der Strom etwas billiger ist als der Kraftstoff. Aufgrund der steigenden CO2-Abgaben für fossile Kraftstoffe ist es sogar wahrscheinlich, dass die Schere zugunsten des Stroms auseinandergehen wird.

Bei Autos sehen wir jetzt schon, dass sich der Anschaffungspreis in der Mittelklasse für Verbrenner und Elektroautos angleicht. Das hat sich gerade die letzten zwei, drei Monate noch mal deutlich verschoben. Dafür gibt es einen wirtschaftlichen Grund: Die Hersteller müssen seit dem 1.1.2025 verschärfte Flottengrenzwerte erfüllen. In der Konsequenz müssen sie anteilig mehr Elektroautos verkaufen. Durch den Druck der EU-Regulatorik sinken also die Verbraucherpreise für Elektrofahrzeuge.

Das heißt, E-Autos werden erschwinglicher?

Die Batterien sind das teuerste Teil des Elektroautos. Sie sind über die Jahre deutlich billiger geworden. Dadurch ist auch der Spielraum der Hersteller gestiegen, nach und nach die Preise der Elektroautos zu senken. Wir werden in den kommenden fünf bis sieben Jahren erleben, dass durch weiteren technischen Fortschritt bei Elektromotoren und Batterien die Kosten des Autos und die Verbraucherpreise weiter sinken.

Man konnte bisher – aufgrund der Batteriekosten – Kleinwagen nicht wirtschaftlich anbieten. Aber jetzt kommen vermehrt Kleinwagen unterhalb der Mittelklasse in den Markt. Wenn man den Ankündigungen glaubt, durchaus zu attraktiven Preisen.

Kleinwagen sind, von wenigen Modellen abgesehen, bislang aber eher selten elektrisch betrieben…

Zwischen heute und 2030 ist ein Riesenunterschied. 2030 wird es ein breites Angebot kleiner und großer Autos in allen Preisklassen geben. Auch aus Europa, nicht nur aus China, wie manche annehmen. Und es wird nicht lange dauern, bis diese Autos auch den Gebrauchtwagenmarkt durchdringen. Aufgrund des schnellen Fortschritts ist dieser aktuell im Aufbau.

Ist ein E-Auto von der Technik her länger haltbar als ein Verbrenner?

Wenn wir davon ausgehen, dass das Auto gleichermaßen konstruiert worden ist, dann hat die elektrische Antriebstechnologie eine höhere Lebensdauer. Viele Bauteile unterliegen einem geringeren Verschleiß. Zum Beispiel Bremsen, da im Elektrofahrzeug meist mithilfe des Elektromotors gebremst wird. Der Elektromotor selbst hat von wenigen stromführenden Elementen abgesehen eigentlich keinen Verschleiß. Das begrenzende Element ist hier eher die Batterie als das mit Abstand teuerste Bauteil.

Die Batterie unterliegt vereinfacht zwei Alterungsprozessen: Einer ist das Lebensalter an sich und die damit verbundene chemische Alterung, unabhängig von der Anzahl der gefahrenen Kilometer. Auf der anderen Seite gibt es den Alterungsprozess durch das wiederkehrende Laden und Entladen. Heute wissen wir, dass Batterien häufig das Auto komplett überleben und sogar im Second-Use stationär weiterverwendet werden. Hersteller geben auf Batterien eine geforderte Mindestgarantie von acht Jahren. Nach neuesten Studien hat die aktuelle Batterietechnologie eine wesentlich höhere Lebensdauer als in früheren Prognosen vorausgesagt wurde.

Sind E-Autos nur etwas für Hausbesitzer, die sich in die eigene Wallbox stöpseln können?

Nein. Deutschland und speziell Baden-Württemberg haben eine extrem gute Ladesäuleninfrastruktur. In Deutschland gibt es über 100 000 Ladepunkte. Diese sind zu unter 15 Prozent ausgelastet. Trotzdem werden wir das Angebot mit der steigenden Anzahl von Elektrofahrzeugen weiter ausweiten müssen. Wir werden auch nach und nach mehr Schnellladesäulen, High Power Charger, im Angebot sehen. Dann lädt man das Fahrzeug in der Zeit eines Supermarktbesuchs wieder weitgehend auf.

Besteht bei batterieelektrischen Fahrzeugen eine höhere Brandgefahr?

Im Grundsatz sagt der Ingenieur: Jede dichte Energiespeicherung muss sicherheitstechnisch beherrscht werden. Das gilt für den Benzintank genauso wie für die Batterie oder einen Holzstapel. Was man machen muss, ist das technologische Verhindern dieser Brände. Wir haben ja auch Tankstellen in Wohngebieten. Da lagern viele tausend Liter brennbaren Kraftstoffs. Wir haben uns daran gewöhnt, und es ist technisch beherrschbar. Gleiches gilt für die heutige Batterietechnologie.

Synthetische Kraftstoffe sind ein sehr wichtiges Forschungsfeld, an dem man allerdings noch intensiv arbeiten muss. Sie helfen vielleicht zukünftig, die Bestandsfahrzeuge zu defossilisieren. Und jetzt kommt das große Aber: Der synthetische Kraftstoff ist heute nur in sehr geringer Menge verfügbar und sehr teuer. Auch der synthetische Kraftstoff basiert auf dem Ausgangsstoff Wasserstoff. Bisher sind nur wenige Erzeugungsanlagen finanziert und gebaut. Hinzu kommt eine Nutzungskonkurrenz. Wir brauchen weltweit sehr viel Wasserstoff für Stahlwerke, Stromkraftwerke und synthetischen Kraftstoff für die Fliegerei. Bei diesen Nutzungen haben wir zurzeit keine alternativen Technologien verfügbar. Es gilt, zwischen den Technologien nicht zu polarisieren. Wir müssen am synthetischen Kraftstoff arbeiten, denn wir brauchen ihn an vielen Stellen. Aber wir sollten nicht erzählen, dass er eine preiswerte und zeitnah verfügbare Lösung für jedermann ist.

Geht die Elektrifizierung des Verkehrs schnell genug?

Unter Klimagesichtspunkten müssten wir, wenn wir die Pariser Klimaziele nicht massiv überschreiten wollen, den fossilen Energieverbrauch weltweit viel schneller senken, als wir es gerade tun. Daraus kann man eine Ableitung für die Mobilität machen. Demnach müssten zum Erreichen der deutschen Klimaziele ein Drittel der Fahrzeuge, die wir nutzen, rund 14 bis 15 Millionen, schon 2030 Elektrofahrzeuge sein. Zur Erreichung der Klimaziele müsste es also viel schneller gehen. Aus der Ableitung der menschlichen Gewohnheiten und der wirtschaftlichen Machbarkeit heraus trauen wir uns gesellschaftlich augenscheinlich nicht noch mehr Veränderung zu. Wir sind sicherlich auf gutem Kurs, aber wir sind noch zu langsam, und daran müssen wir jetzt gemeinschaftlich arbeiten.

Wer ist in Zukunft wie auf der Straße unterwegs?

Im Pkw wird sich der Elektroantrieb nach meiner Überzeugung mittelfristig komplett durchsetzen und der günstigste Antrieb für den Verbraucher werden. Bei Baumaschinen, Bussen, Lkw wird es noch lange verschiedene Antriebe geben. Ein großer Anteil wird auch hier elektrisch sein. Zudem wird es Wasserstoffantriebe und in einigen Nutzungsfeldern auch synthetische Kraftstoffe geben. Bei großen Flugzeugen werden wir lange nicht um synthetische Kraftstoffe herumkommen.

Das heißt, wir brauchen sowohl den Strom als auch die Chemie – beide Lösungen aber immer an der richtigen Stelle. Wir wollen auf fossile Energieformen verzichten – heute, wo es machbar ist, und in Zukunft möglichst ganz. Je schneller wir in der Zukunft sind, desto besser für das Klima.

Franz Loogen vor Ort

Infoabend
Am 18. Februar stehen Franz Loogen, der Stadtwerke-Chef Thomas Meier und Tobias Krauss von Netze BW ab 18.30 Uhr beim Infoabend „Ich? ... ein E-Auto?“ im Stiftskeller in Weinstadt-Beutelsbach Rede und Antwort. Der Eintritt ist frei.