Felix Ludwig, Chris Paul, Gründer Khan Nguyen, Bengin Makbul und Basile Senjace (v. l. n. r.) sind einige der Gesichter hinter der App Sengaa. Foto: Gebert / Sengaa

Das Mannheimer Start-up Sengaa will den stationären Einzelhandel stärken. Im Mittelpunkt steht dabei die Generation Smartphone, die auf dem herkömmlichen Weg schwer zu erreichen ist.

Stuttgart - Vom Sofa aus per Tablet neue Schuhe bestellen, morgens vor der Arbeit noch schnell das passende Kleid für die Hochzeit am Wochenende aussuchen oder in der Mittagspause online ein Geburtstagsgeschenk shoppen – immer mehr Verbraucher erledigen ihre Einkäufe im Netz. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact kauften im Jahr 2016 bereits 40 Prozent aller Befragten lieber online ein als in den Läden. In einer Befragung von 383 Handelsunternehmen in Baden-Württemberg nannten diese erst kürzlich die Konkurrenz durch den Online-Handel als eine der drei größten Herausforderungen. Mit neuen Konzepten versuchen die stationären Einzelhändler, das Abwandern der Kunden zu verhindern.

So betreiben einige selbst Online-Shops oder bieten sogenannte Click-and-collect-Lösungen an, bei denen Kunden Produkte online bestellen und in den Filialen abholen können. Andere setzen vermehrt auf Events oder außergewöhnliche Einkaufserlebnisse. Den Spagat zwischen Online- und Offline-Geschäft versucht auch das Mannheimer Startup Sengaa. Mit einer App, einem Blog und Social Media-Profilen wollen die Gründer junge Modeinteressierte aus dem Netz in die Geschäfte ihrer Handelspartner locken. Die App ist aufgebaut wie ein soziales Netzwerk: Nutzer können sich dort mit Freunden verbinden, Fotos mit „gefällt mir“ markieren oder selbst Bilder ihrer Outfits versenden. „In der App gibt es Wettbewerbe, sogenannte Fashion-Contests“, erläutert Eligiusz Skwara, bei Sengaa zuständig für Strategie und Finanzen.

Jeder Wettbewerb hat ein vorgegebenes Thema. So geht es beispielsweise um Accessoires, die schönsten Jeans-Outfits oder hippe Sportbekleidung. Die anderen Nutzer können die Fotos bewerten – wer am Ende die meisten „gefällt mir“ hat, gewinnt. Der Preis ist meist ein Einkaufsgutschein eines Handelspartners. Denn so soll sich die App finanzieren: Partner aus dem stationären Handel können sich bei den Wettbewerben einkaufen. Für derzeit etwa 50 bis 150 Euro – je nach Reichweite – darf dann ein Thema festgelegt werden.

In einem separaten Bereich kann der Partner passende Produkte vorstellen und, falls vorhanden, auf seinen Online-Shop verlinken. An Umsätzen über diese sogenannten Affiliate-Links ist wiederum Sengaa mit einigen Prozent beteiligt. Geld einbringen sollen auch Veranstaltungen: Ausgewählte Werbeträger in sozialen Medien werden zu Einkaufs-Wochenenden in großen Städten eingeladen. Auch hier können sich Partnergeschäfte beteiligen. Als Werbeträger werden Meinungsmacher mit meist großer Reichweite in den sozialen Netzwerken und im Internet bezeichnet. „Die Handelspartner bekommen zum einen Umsatz, zum anderen Reichweite in ihrer Zielgruppe, weil die Werbeträger über die Veranstaltung bloggen und posten“, erläutert Skwara.

Finanzierung über Wettbewerbe und Umsatzbeteiligung

Ursprung der Geschäftsidee war ebenfalls ein Blog, auf dem der Gründer Khan Nguyen zunächst hobbymäßig über Mode schrieb und Outfit-Empfehlungen gab. Von ihm stammt auch der Name des Unternehmens. „Sengaa ist malaiisch und bedeutet frei übersetzt vorbeischnuppern“, erklärt er. Nach einer Existenzgründungsberatung gründete Nguyen 2016 die Sengaa GmbH und suchte erste Kapitalgeber. Ende 2016 kam dann die Sengaa-App auf den Markt. Etwa 2000 Nutzer haben diese nach Angaben der Betreiber seitdem auf ihrem Smartphone installiert. Konkrete Zahlen zu Umsätzen und Reichweite gibt es laut Finanzchef Skwara derzeit noch nicht. Das Wachstum der Nutzerzahlen bewege sich aber zwischen fünf und zehn Prozent pro Woche.

Der virale Effekt entscheidet über den Erfolg

Der Präsident des Handelsverbandes Baden-Württemberg Hermann Hutter bewertet die Geschäftsidee der Mannheimer positiv. „Das wird nicht die Rettung des Handels sein, aber so eine App mit Unterhaltungsfaktor könnte ein probates Mittel sein, um die junge Zielgruppe als Kunden zu gewinnen“, so die Einschätzung des Handelsexperten. Generell müssten Einzelhändler sich umstellen und sich dorthin begeben, wo die Konsumenten sich aufhalten. Insbesondere die Generation Smartphone sei auf herkömmlichem Wege schwer zu erreichen. Das sei bei vielen Einzelhändlern bereits angekommen. Der Erfolg einer Plattform wie Sengaa hängt aus Sicht des Verbandspräsidenten davon ab, ob es den Gründern gelingt, einen viralen Effekt zu schaffen. Manch gute Idee sei schon wieder im Sand verlaufen, weil es an Marketing und Werbung gehapert habe, so Hutter.

Sengaa will weiter expandieren. Demnächst könnte es Veranstaltungen auch in Stuttgart und Nürnberg geben. Auch die Funktionen der App sollen erweitert werden. „Unser Ziel ist, irgendwann alle Produkte auf den Fotos zu markieren, so dass wir dem User Shopping-Empfehlungen in Echtzeit geben können“, sagt Skwara. So könnten Nutzer einen Hinweis aufs Smartphone bekommen, wenn ein Produkt, das sie auf Sengaa mit „gefällt mir“ markiert haben, in einem Partnergeschäft in der Nähe angeboten wird.