Melvin Stahl und Philipp Stehle sind in sieben Tagen mit dem Tandem nach Amsterdam gefahren. Foto: next8level

Bei 14 Grad und Regen sind zwei Youtuber aus Murr mit ihrem Tandem gestartet. Das Ziel: Amsterdam. Ohne Geld und ohne Kleidung.

20 Kilometer vor ihrem Ziel gibt das Tandem endgültig auf. Besser gesagt, das Rad, das schon seit dem Vortag komisch eiert. Luft hilft nicht, also wird geschoben. Wie heißt es so schön: Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt. Notfalls auch bis nach Amsterdam. Und wenn sich Melvin Stahl und Philipp Stehle auf eines verlassen können, dann ist es ihr Ehrgeiz. „Broject Amsterdam“ endet sicher nicht mit einem platten Reifen. „Zwei Tage früher und es hätte uns in unserer Reiseplanung deutlich zurückgeworfen“, sagt Philipp Stehle.

 

Melvin Stahl und Philipp Stehle, zwei Influencer aus Murr, suchen regelmäßig das Unbekannte. Nur mit Unterhose bekleidet und ohne Geld machen sie sich auf den Weg zu einem festgelegten Ziel. Dabei überrascht es in einer Gesellschaft, der vorgeworfen wird, immer egoistischer und unterkühlter zu werden, wie wenig reicht, um einen Schlafplatz, ein Essen oder ein Paar Schuhe zu bekommen. Im Juni hat sich das Duo in Süddeutschland aussetzen lassen und ist bis nach Barcelona getrampt. Von dort haben sie die Fähre nach Mallorca genommen – um elf Jahre nach ihrem Kennenlernen in der Schinkenstraße auf Palma einzulaufen.

600 Kilometer und kaum etwas zu essen

Man könnte meinen, ihr neuestes Projekt sei deutlich einfacher umzusetzen. Weniger Strecke, weniger Landesgrenzen, dieses Mal haben sie ein Zelt, Schlafsäcke und Isomatten dabei. Und sie sind deutlich weniger auf die Großzügigkeit fremder Menschen angewiesen. Aber es ist eben auch kälter und ein Fahrradsattel von einem Tandem, das 15 Jahre lang in einer Garage stand, ist hart. Vor allem wenn man selten Fahrrad fährt.

Zehn Kilometer nach ihrem Start werden sie in Hessigheim von der ersten Frau, die sie ansprechen, mit T-Shirts und Pullovern ausgestattet. Melvin Stahl bekommt abends alte Baustellenschuhe von einem Mitarbeiter geschenkt, der vor seiner Firma Bauschutt in einen Container kippt. Kalt bleibt es trotzdem und am zweiten Tag können sie nicht länger als zehn Minuten auf dem harten Sattel sitzen. Alle paar Kilometer geht die Kette runter, die einzige Energiequelle ist ein Biskuitboden, den sie sich mit dem einen gespendeten Euro kaufen. Möglichst viele Kalorien für wenig Geld.

Kalte Nächte im Zelt, Stunden auf dem Fahrrad – nicht gerade ein Erholungsurlaub. Doch wie beim letzten Projekt auch kommt es auf die Menschen an, die sie auf dem Weg unterstützen. Die Familie, die einen Teil ihrer Garage freiräumt, damit sie dort schlafen können. Die sie zum Abendessen und Frühstück einlädt, Kissen für die Sättel entbehrt und ihr Fahrrad repariert. Der junge Mann, der sie mit T-Shirts versorgt. Der Campingplatzbesitzer, der sie umsonst ihr Zelt aufstellen lässt und Pommes und Bier spendiert. Der Mann, der ihnen für eine Nacht seine Ferienwohnung überlässt. „Wir hatten ein krasses Händchen bei den Leuten, die wir angesprochen haben“, sagt Stehle.

Nächste Projekt: Liverpool

Das Tandem haben sie auf Ebay gekauft. Der Mann, dem es gehörte, hat es genutzt, um mit seiner sehbehinderten Frau Fahrradtouren zu unternehmen. Jetzt steht es angekettet in einem niederländischen Fahrrad-Parkhaus. „Wir durften es nicht mit im Zug nach Hause nehmen – aber vielleicht holen wir es noch mit einem Sprinter nach Hause“, sagt Stehle. Schließlich hat es sie über schmale, schlammige Waldwege und gut geteerte Fahrradwege in ihre europäische Lieblingsstadt gebracht.

Ihr nächstes Ziel steht auch schon fest: Liverpool. Marvin Stahl und Philipp Stehle wollen von Wien bis in den Nordwesten Englands trampen, um dort gemeinsam mit den Fans im Stadion „You’ll never walk alone“ zu singen. Passend, wo sie doch allein nie an ihr Ziel kommen würden.