Lebensmittel haben sich binnen Jahresfrist um 20 Prozent verteuert. Foto: imago/Martin Wagner

Die hohe Teuerungsrate trifft viele Menschen hart. Entspannung ist noch nicht in Sicht. Doch zumindest sollte sich die Inflationsrate abwärts bewegen.

Heizen mit Erdgas kostet doppelt so viel wie vor einem Jahr, Lebensmittel haben sich um ein Fünftel verteuert: Wegen der Inflationsrate von zuletzt zehn Prozent wissen einige Menschen kaum noch, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Und auch im neuen Jahr erwarten Ökonomen kräftige Preissteigerungen.

Die Bundesbank prognostiziert für dieses Jahr eine Inflationsrate von 7,2 Prozent. Das Münchener Ifo-Institut rechnet mit einer Teuerungsrate von 6,4 Prozent, das Kieler Institut für Weltwirtschaft sieht sie bei 5,4 Prozent. Die beiden Forschungsinstitute haben ihre früheren Prognosen im Dezember gesenkt, unter anderem wegen der vom Bundestag beschlossenen Energiepreisbremsen.

Die Realeinkommen werden weiter schrumpfen

Doch auch mit einer Inflationsrate von fünf Prozent dürften die Durchschnittslöhne kaum mithalten. Zwar hat die IG Metall für Juni 2023 ein Gehaltsplus von 5,2 Prozent ausgehandelt, doch längst nicht alle Beschäftigten verfügen über eine derart schlagkräftige Gewerkschaft – wenn sie denn überhaupt tarifgebunden sind. Am härtesten treffen die Preissteigerungen diejenigen, die vorher schon mit jedem Cent rechnen mussten: Bereits im August meldeten die Tafeln, dass mehr als zwei Millionen Menschen regelmäßig bei ihnen Unterstützung suchten – so viele wie nie zuvor.

Eine Belastung bedeutet die hohe Teuerungsrate für weite Teile der Bevölkerung: Laut einer Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) schränken sich 35 Prozent beim Einkauf von Lebensmitteln ein, 50 Prozent bei Reisen und Restaurantbesuchen. Ihren Energieverbrauch versuchen drei Viertel der Bürger zu senken.

Vorübergehender Rückgang im Dezember erwartet

Im Dezember übernahm der Staat für viele Haushalte die Heizrechnung. Nach Berechnungen der Commerzbank dürfte die Inflationsrate durch diesen Einmal-Effekt unter neun Prozent sinken – die offizielle Zahl für Dezember gibt das Statistische Bundesamt am 3. Januar bekannt. Doch in den Folgemonaten dürfte die Teuerungsrate wieder zulegen.

Zwar kommen im neuen Jahr die Preisbremsen für Strom und Gas. Doch sie bremsen den Preisanstieg eben nur. Beispiel Gas: Die Bremse stellt sicher, dass Privathaushalte für 80 Prozent ihres im September prognostizierten Jahresverbrauchs höchstens zwölf Cent pro Kilowattstunde zahlen. Das entspricht laut Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ungefähr dem Durchschnittspreis, der Neuvertragskunden Anfang 2022 berechnet wurde. Für die übrigen 20 Prozent des Gasverbrauchs greift die Preisbremse aber nicht. Und da der von den Versorgern erhobene Durchschnittspreis laut BDEW zuletzt 20 Cent pro Kilowattstunde betrug, dürften viele Haushalte insgesamt mehr zahlen als vor einem Jahr.

Die Strompreisbremse greift ab 40 Cent pro Kilowattstunde. Da der Schnitt vor einem Jahr noch bei 36 Cent lag, wird auch hier der Preisanstieg lediglich gedämpft.

Viele Unternehmen planen Preiserhöhungen

Während der Beitrag der Energiekosten zur Inflationsrate schrumpfen dürfte, wird die Bedeutung anderer Preistreiber zunehmen. So wollen laut Umfragen des Ifo-Instituts zahlreiche Unternehmen ihre Preise anheben.

Zum Teil reagieren sie damit auf höhere Produktionskosten, zum Teil nutzen sie den allgemeinen Preisauftrieb wohl auch für eine Ausweitung ihrer Gewinnmargen – das jedenfalls legt eine Analyse des Ifo-Experten Joachim Ragnitz nahe. „Insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei sowie im Baugewerbe und in den Branchen Handel, Gastgewerbe und Verkehr haben die Unternehmen ihre Preise deutlich stärker erhöht, als es aufgrund der gestiegenen Vorleistungspreise allein zu erwarten gewesen wäre“, schreibt Ragnitz.

Noch keine Lohn-Preis-Spirale

Und natürlich tragen auch Lohnsteigerungen dazu bei, dass der Preisdruck anhält. Eine Lohn-Preis-Spirale ist noch nicht zu beobachten – von diesem Phänomen spricht man, wenn hohe Lohnabschlüsse die Teuerungsrate immer weiter nach oben schrauben. Aber wenn sie auf dem aktuellen Niveau bleibt, wird der Ruf der Beschäftigten nach einem vollen Inflationsausgleich immer lauter werden.

Auch deshalb bemühen sich die Notenbanken, die Teuerung wieder in den Griff zu bekommen. Die US-Notenbank hat ihren Leitzins seit März um satte vier Prozentpunkte erhöht. Die Europäische Zentralbank (EZB) sprang erst im Juli auf den Zug auf und hob ihre Leitzinsen seither um 2,5 Prozentpunkte an. Nach ihrer eigenen Einschätzung wird die Inflationsrate im Euroraum nächstes Jahr im Schnitt 6,3 Prozent betragen, 2024 noch über drei Prozent und selbst 2025 noch über dem angestrebten Ziel von zwei Prozent liegen. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, bekannte EZB-Präsidentin Christine Lagarde Mitte Dezember.