Medikamente sollen nicht dazu dienen, das Fieber bei Kindern zum Verschwinden zu bringen, rät der Stuttgarter Kinderarzt Özgür Dogan. Foto: LICHTGUT

Die ersten grippalen Infekte machen in Schulen und Kindergärten die Runde. Was Eltern zum Schutz tun können und was bei Krankheit hilft, sagt ein Stuttgarter Kinderarzt.

Die ersten Auswirkungen der saisonalen Infektionswelle, die Kindergärten und Schulen im Herbst stets überrollt, zeigen sich in Stuttgarts Kinderarztpraxen: „Die banalen grippalen Infekte nehmen allmählich zu“, sagt Özgür Dogan, Obmann der Stuttgarter Kinderärzte. Insgesamt ist die Lage derzeit aber noch überschaubar und gut zu händeln. „Erfahrungsgemäß steigt die Zahl, wenn das Wetter die Menschen wieder in Innenräume treibt und die Erreger vermehrt zirkulieren können.“ Welche das sind und was Familien zum Schutz ihrer Kinder unternehmen können, zeigt diese Übersicht:

 

Die Infektionswelle im Herbst – welche Erreger sind derzeit im Umlauf?

Vornehmlich sind es Respiratorische-Synzytial-Viren (RSV) und Grippeviren, die sich in den nächsten Wochen vermehrt ausbreiten werden. Die RSV lösen Atemwegserkrankungen aus, die für die meisten Kinder und Jugendliche harmlos verlaufen. Für Babys aber kann es gefährlich werden – besonders für Säuglinge bis zum sechsten Lebensmonat und Kinder aus Risikogruppen. Dazu zählen Frühchen sowie Kinder mit Herzfehlern oder anderen Vorerkrankungen. „Atemwegsinfekte durch RS-Viren zählen traditionell zu den häufigsten Gründen, warum Säuglinge stationär aufgenommen werden müssen – meist wegen Atemnot mit Sauerstoffbedarf oder Trinkschwierigkeiten“, sagt der Kinderarzt Dogan.

Kann die neue Corona-Variante „Stratus“ ein Erkrankungsrisiko darstellen?

„Corona spielt für uns Kinder- und Jugendärzte aktuell eine untergeordnete Rolle“, sagt Özgür Dogan. Aktuell gibt es laut Virologen keinen Grund zur Annahme, dass eine Stratus-Infektion besondere spezifische Symptome verursacht. Es kommt wie bei anderen viralen Atemwegsinfektionen auch zu Fieber, Abgeschlagenheit, Husten, Halsschmerzen, laufende Nase oder Kopf- und Gliederschmerzen.

Welche Impfungen sollten Kinder jetzt vornehmen, um sich für die saisonale Infektionswelle zu schützen?

Seit letztem Jahr gibt es die offizielle Empfehlung der Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch Instituts, allen Säuglingen in ihrer ersten RSV-Saison eine Prophylaxe zu verabreichen. „Der Effekt war im vergangenen Jahr beeindruckend“, sagt Dogan. „Wir hatten so wenige stationäre RSV-Fälle wie nie zuvor – das war in Praxen und Kinderkliniken deutlich spürbar.“ Säuglinge, die ab April und vor Oktober dieses Jahres geboren wurden, erhalten die Prophylaxe in der Regel in der Kinderarztpraxis – meist ohne zusätzlichen Termin, da sie ohnehin regelmäßig zu Vorsorgen und Impfungen kommen. Neugeborene ab Oktober erhalten den Schutz bereits in der Geburtsklinik.

Sollten sich Kinder auch gegen Grippe impfen lassen?

Bislang empfiehlt die Stiko nur eine Immunisierung bei Kindern mit Vorerkrankungen. Dennoch empfehlen viele Kinderärzte eine Immunisierung: „Wir Kinderärzte sind sehr motiviert, möglichst viele Kinder und Jugendliche gegen Influenza zu impfen“, sagt Özgür Dogan. „Zum einen senkt die Impfung das Risiko schwerer Verläufe, zum anderen entlastet sie die Kliniken – die dann mehr Kapazitäten für andere Erkrankungen haben, die sich nicht so einfach vorbeugen lassen.“ Die Impfung an sich ist gut verträglich und ab einem Alter von sechs Monaten zugelassen.

Was können Eltern tun, wenn ihre Kinder über Halsschmerzen, Husten und Schnupfen klagen?

„Der Körper hat effektive Abwehrmechanismen – sowohl gegen Viren als auch gegen Bakterien“, sagt Özgür Dogan. Sekretbildung in Nase, Augen, Rachen und Stuhl ist beispielsweise vollkommen normal. „Der Schleim bindet Erreger, die dann ausgeschieden werden.“ Abschwellende Nasentropfen sollten nur kurzzeitig eingesetzt werden, wenn Atmung, Schlaf oder Trinken beeinträchtigt sind. Auch Husten ist eine sinnvolle Reaktion – und keine Krankheit. „Medikamente gegen Husten sind nicht nötig“, sagt Dogan. „Ihr Nutzen ist wissenschaftlich nicht belegt.“ Auch Feuchtinhalationen mit Kochsalz sind ohne nachgewiesenen Effekt und somit entbehrlich.

Was tun, wenn das Kind fiebert?

Fieber beginnt ab 38,5 Grad Celsius. „Eine kritische Grenze, ab der reagiert werden muss, gibt es nicht“, sagt Dogan. „Entscheidend ist, wie es dem Kind geht.“ Man kann es also ruhig mal fiebern lassen – solange es nicht unter seinem Zustand leidet. Erst dann sind Paracetamol oder Ibuprofen sinnvoll. Die Medikamente sollen aber nicht dazu dienen, das Fieber zum Verschwinden zu bringen. Dogan verweist zudem auf die neue Elternleitlinie „Fieber bei Kindern und Jugendlichen“, die in diesem Jahr 2025 auf Basis der S3-Leitlinie Fiebermanagement veröffentlicht worden ist. „Sie erklärt anschaulich und wissenschaftlich fundiert, wie Eltern sicher und gelassen mit Fieber umgehen können.“

„Der Körper heilt in aller Regel selbst – wir müssen ihn nur machen lassen“, sagt Özgür Dogan Foto: LICHTGUT

Was tut kranken Kindern ansonsten gut?

Ruhe, Zuwendung und – falls nötig – Schmerzmedikation sind die Basis, so der Stuttgarter Kinderarzt Dogan. Eine besondere Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel oder Vitamine sind nicht erforderlich. „Der Körper heilt in aller Regel selbst – wir müssen ihn nur machen lassen“, sagt Dogan.

Wann sollten Kinder zu Hause bleiben?

„Ein Kind gehört nicht in Kita oder Schule, wenn Fieber ab 38,5 Grad Celsius besteht oder der Allgemeinzustand so reduziert ist, dass häusliche Betreuung nötig ist“, sagt Dogan. Eine Rückkehr ist möglich, wenn das Kind einen Tag fieberfrei und erkennbar fit ist. „Das entscheiden die Eltern selbst“, sagt Dogan. „Eine ärztliche Bescheinigung ist weder vorgesehen noch sinnvoll.“

Wann ist ein Arztbesuch notwendig?

Kritisch wird es, wenn die Atmung erschwert ist, sagt der Kinderarzt. Denn das könnte ein Hinweis auf Sauerstoffbedarf sein. Auch wenn das Kind keine Kraft mehr zum Trinken hat, sollte es einem Kinderarzt oder eine Kinderärztin vorgestellt werden. „Wenn der Allgemeinzustand trotz adäquater Therapie weiter abbaut, ist unsere Aufgabe, uns die Kinder genauer anzuschauen und das weitere Prozedere mit den Eltern festzulegen“, sagt Dogan.