Auch das Personal darf mittlerweile entscheiden, ob es eine Maske tragen will oder nicht. Foto: dpa/Marijan Murat

Abstand und Plexiglasscheiben zwischen den Tischen im Restaurant sieht man kaum noch, Maske trägt höchstens noch das Personal. Steigt nun das Infektionsrisiko? Wir haben mit einem CO2-Sensor nachgemessen.

Die Gastronomie gilt als einer der größten Verlierer in der Pandemie. Lange Lockdowns und ständig wechselnde Regeln haben viele Betreiber hart getroffen. Dabei sagt der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, dass die Gastronomie „zu keinem Zeitpunkt Pandemietreiber“ war. War die ganze Aufregung also umsonst?

Zur tatsächlichen Ansteckungsgefahr in Restaurants, Bars und Cafés gibt es wenig Erkenntnisse. Eine amerikanische Studie will herausgefunden haben, dass die Coronafälle anstiegen, nachdem das Essen außer Haus wieder erlaubt worden ist. Das Robert-Koch-Institut dagegen verzeichnete im Herbst 2020 vergleichsweise wenige Ansteckungen in Restaurants – in Krankenhäusern, Hotels und im privaten Umfeld gab es deutlich mehr Übertragungen.

Das sind Analysen von Infektionszahlen. Wie viel Corona tatsächlich in der Luft liegt, haben wir mit einem CO2-Sensor in vier Stuttgarter Lokalen gemessen – so wie davor schon im Stadion, in Supermärkten und in Kirchen. Er liefert Daten, die einen Hinweis auf den Aerosol- und möglicherweise den Virenanteil in der Luft gibt. Sofern Infizierte im Raum sind, kann man auf diese Weise indirekt das Infektionsrisiko messen – vor allem in der Gastronomie, wo kein Gast eine Maske trägt, die Viren herausfiltert.

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Das Ergebnis ist positiv für die meisten Wirte und Gäste: Sowohl im Restaurant als auch im Café bleiben die Werte konstant unter 800 ppm (Teilchen pro Million). Eine CO2-Ampel würde bis 1000 ppm noch grün leuchten und damit eine gute Luftqualität anzeigen.

Kritisch wird es erst am späteren Abend: In einer Bar messen wir gegen 20 Uhr Werte zwischen 700 und 1100 ppm. Um 23.30 Uhr ist (in einer anderen Bar) deutlich mehr los und die Werte springen auf 2000 bis 3000 ppm. Die CO₂-Ampel wäre nun rot.

Bevor ein gastronomischer Betrieb neu eröffnen darf, muss er die Auflagen zur Be- und Entlüftung seiner Räumlichkeiten erfüllen, teilt der Dehoga auf Anfrage mit. Das muss nicht immer heißen, dass eine Maschine das Lüften übernimmt – bei kleineren Räumen kann auch der Luftzug durchs Fenster ausreichen.

Diese Auflagen wurden während der Pandemie nicht verschärft. Dafür mussten ein Hygienekonzepts erstellt werden und eine Lüftungsanlage möglichst in Volllast betrieben werden. „Das hat in der Praxis auch funktioniert“, sagt ein Dehoga-Sprecher. Außerdem haben manche Betriebe ergänzende Luftreinigungsgeräte angeschafft, „um das Sicherheitsgefühl der Gäste und Beschäftigten zu stärken“, so der Gaststättenverband.

Ansteckungsgefahr in Bar größer als im Café?

Und dennoch gab es vor knapp einem Jahr mehr als 50 Coronafälle, die auf den Besuch einer Karlsruher Bar zurückzuführen waren. Damals sind laut Medienberichten Abstandsregeln und die Obergrenze an Gästen nicht eingehalten worden.

Auch bei unseren Messungen fällt die Bar als einzige mit relativ hohen Werten auf: In einem Lokal in der Nähe des Marienplatzes stehen die Tische dicht an dicht. Abstand ist kaum möglich. Im Laufe des Abends öffnet ein Gast jedoch das Fenster. Die Werte halten sich in Grenzen – eine CO2-Ampel würde dort zwischen grün und gelb schwanken. Der Dehoga möchte sich zu einzelnen Lokalitäten nicht äußern. „Gleichwohl liegen uns auch aus den Zeiten, in denen Bars während der Pandemie geöffnet waren, keine Rückmeldungen über erhöhte Infektionszahlen vor“, so der Sprecher.

Das Robert-Koch-Institut liefert solche Zahlen: Seit Beginn der Pandemie hat das Institut 107 Ausbrüche in Speisestätten festgestellt. 3518 Fälle gehen demnach nachweislich auf Ansteckungen in diesem Bereich zurück. Zwar konnten nur etwa fünf Prozent aller Infektionen einem konkreten Ausbruch zugeordnet werden. Doch selbst bei einer erheblichen Untererfassung ist es sehr wahrscheinlich, dass sich nur ein sehr kleiner Teil der Infizierten in der Gastronomie angesteckt hat.

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In einem Café an der Tübinger Straße messen wir die niedrigsten CO2-Werte – sie bleiben unter 500 ppm. Die meisten Gäste sitzen an diesem Tag draußen, aber auch drinnen sind ein paar Tische besetzt. Außerdem kommen immer wieder Kunden herein, die an der Theke ein Eis kaufen wollen. Der CO2-Sensor befindet sich etwa in der Mitte des Raums. An dieser Stelle ist der Luftzug deutlich zu spüren, der durch die große, offenstehende Eingangstür kommt. Der könnte die CO2-Werte im Raum auf diesem niedrigen Level halten.

Nur etwa 100 ppm mehr messen wir allerdings in einem Café am Österreichischen Platz, in dem es deutlich wärmer und stickiger ist. Auch dort steht die Tür offen, es kommt aber kein Luftzug zustande. Der Sitzbereich ist leer, hin und wieder kommen Kunden rein und kaufen ein Eis oder eine Limo. Eine CO2-Ampel würde dort noch lange nicht Alarm schlagen.

Pizza essen ohne Maske und ohne Angst

Deutlich höher aber noch im grünen Bereich liegen die Werte bei einem Italiener in der Innenstadt. Der Sitzbereich füllt sich im Laufe des Abends, das Messgerät steht am Rand des Raums, die Fenster sind geschlossen. Zunächst misst das Gerät gut 600 ppm, nach einer Viertelstunde pendelt es sich bei rund 700, nach einer Stunde Richtung 800 ppm ein.

Wer nach langer Zwangspause also wieder einmal essen gehen oder sich ins Café setzen möchte, kann das auch ohne Maske relativ sicher tun – ganz besonders sicher ist es draußen an der frischen Luft. Wer vorsichtig ist, passt auf, je später und voller das Lokal wird.