Über 11 000 Menschen starben bei der jüngsten Ebola-Epidemie, über 27 000 waren erkrankt – so wie dieser Mann im vergangenen Herbst in Liberia Foto: EPA FILE

Wirksame Impfungen und Medikamente gegen Krankheiten wie Malaria oder Tuberkulose wird es nur mit öffentlicher Förderung geben, sagt der Tropenmediziner Peter Kremsner.

Herr Kremsner, durch die Ebola-Epidemie haben es vernachlässigte Krankheiten auf die Tagesordnung des G-7-Gipfels geschafft – reagiert die Politik zu spät?
Nein, die Politik reagiert nicht zu spät. Es gibt schon seit einiger Zeit eine Förderung der Maßnahmen gegen Tropenkrankheiten. Diese ist allerdings sehr bescheiden. Andere Länder wie etwa Großbritannien oder Frankreich haben sich in diesem Gebiet immer schon hervorgetan – sicher auch wegen ihrer Kolonialgeschichte – und investieren wesentlich mehr als Deutschland. Mit dem Auftreten der Ebola-Epidemie ist das Interesse an vernachlässigten Tropenkrankheiten massiv gestiegen, worüber wir natürlich glücklich sind. Ebola hat wachgerüttelt. Es ist schon lange an der Zeit, dass wir gemeinsam etwas gegen Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, Dengue-Fieber oder Wurmerkrankungen tun. Sie werden bislang in der Forschung vernachlässigt. Dabei gibt es allein 2 bis 2,5 Milliarden Tuberkulose-Infizierte weltweit.
Wieso ist bisher so wenig in der Forschung zu diesen Krankheiten passiert?
Das sind alles Infektionskrankheiten, die im Wesentlichen den Europäer, Amerikaner oder Japaner nicht betreffen. Bei den Betroffenen in den tropischen oder subtropischen Ländern kann die Industrie kein Geschäft machen, weil die Menschen zu arm sind. Das Interesse an der Entwicklung von Impfstoffen oder Medikamenten ist folglich gering. Das sollten wir ändern.
Was müsste getan werden, um die vernachlässigten Infektionskrankheiten zu bekämpfen?
Wir sollten stärker als Weltgemeinschaft denken. Dann muss sich ein Land wie Deutschland dafür interessieren, was außerhalb der eigenen Grenzen passiert – dazu gehören auch diese Tropenkrankheiten, die Milliarden von Menschen befallen.
Das heißt konkret?
Konkret müsste man sich insbesondere darum kümmern, die Krankheiten im Vorfeld zu verhindern und, wenn sie dennoch ausbrechen, wirksam zu behandeln. In beiden Fällen sind wir nicht sehr gut aufgestellt. Es gibt derzeit keine wirksamen Impfungen gegen diese Erkrankungen. Die Behandlung ist zwar vielfach möglich, doch auch hier gibt es Probleme, wie etwa Resistenzen. Es müssten also neue Medikamente entwickelt werden.
Was die Pharmaindustrie bisher nicht tut.
Die Pharmaindustrie funktioniert wie jeder Wirtschaftszweig – es muss einen Gewinn geben. Wo es nichts zu verdienen gibt, geht man nicht hin. Deshalb finde ich es nicht richtig, allein die Pharmafirmen verantwortlich zu machen. Die Allgemeinheit muss Partnerschaften mit der Industrie eingehen. Es muss öffentliche Förderungen für die Entwicklung von Prophylaxe und Therapie vernachlässigter Infektionskrankheiten geben. Anders funktioniert es nicht.
Gibt es weitere Probleme, zum Beispiel bei der Bekämpfung vor Ort?
Das Gesundheitssystem ist in diesen Gegenden viel schlechter aufgestellt. Es mangelt an sauberem Trinkwasser, und die Hygienestandards sind vielerorts schlecht, so dass sich Infektionskrankheiten leichter ausbreiten können. Wichtig ist es, gute Aufklärung zu betreiben und die gesundheitliche Infrastruktur zu stärken, so wie wir es zum Beispiel in Lambaréné machen. Die G-7-Staaten könnten hier abseits der Forschungsförderung etwas tun und bereits vorhandene funktionierende Strukturen unterstützen.
Könnten diese Krankheiten nicht auch für die Industriestaaten gefährlich werden?
Das ist durchaus möglich. Einerseits dadurch, dass sich Krankheitserreger übertragende Mücken aufgrund klimatischer Veränderungen weiter verbreiten. Andererseits durch verstärkte Reisetätigkeiten und eine Zunahme der Migration. Mit massiven Migrantenströmen kommen neue Infektionskrankheiten nach Europa. Das lässt sich aber durch Vorsichtsmaßnahmen gut in den Griff bekommen und stellt keine Bedrohung dar.
Was versprechen Sie sich vom G-7-Gipfel?
Wir hoffen, dass das Thema eine vermehrte Aufmerksamkeit erfährt, wie es bereits zu beobachten ist. Natürlich erhoffen wir uns aber auch eine verstärkte Forschungsförderung – und ich denke, diese Hoffnung ist berechtigt. Wichtig ist aber, dass diese Unterstützung dauerhaft besteht, langfristig Früchte trägt und vor Ort ankommt. Dazu wäre es wichtig, bereits bestehende Partnerschaften zwischen Deutschland und Afrika zu nutzen und auszubauen, wie etwa die afrikanischen Partnereinrichtungen im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung.
Also müssten die Industrienationen mehr tun. Andererseits hört man etwa aus Gabun, dass die dortige Regierung die Subventionen für das Albert-Schweitzer-Hospital senkt, während sich der Präsident einen neuen Privatjet leistet – sehen Sie nicht auch die Regierungen vor Ort in der Pflicht?
Das stimmt, es wird generell jetzt in Gabun gespart. Die Jetgeschichte kenne ich aus der Zeitung. Uns sind aber direkt vom Staatspräsidenten Subventionen von Gabuner Seite zugesagt worden. Der Präsident hat uns auch in Lambaréné kürzlich besucht und sich einen ganzen Nachmittag unsere Aktivitäten angeschaut und angehört.