Alleine in der EU sterben jährlich Zehntausende Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger. Für den Nachschub an Medikamenten braucht es aus Sicht von Experten neue Anreize.
Weimar - Der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen muss aus Sicht von Experten deutlich intensiviert werden. Es gebe viele neue und vielversprechende Forschungsansätze, sagte Mark Brönstrup vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung. Viele davon würden aber nicht umgesetzt. Das Problem sei, dass Pharmaunternehmen mehr und mehr die Produktion von Antibiotika aufgäben, weil sie sich nicht rechne. Jährlich sterben alleine in der EU Zehntausende Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger.
Nur zwölf neue Antibiotika seit 2017
Seit dem Jahr 2017 seien nur zwölf neue Antibiotika zugelassen worden, sagte Brönstrup weiter. Zehn davon gehörten zu Klassen, gegen die sich bereits Resistenzmechanismen gebildet hätten. Außerdem seien die meisten neuen Mittel in Deutschland gar nicht verfügbar. "Der Patient hat eigentlich nichts davon."
Aus Sicht des Präsidenten der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Infektionstherapie (PEG), Mathias Pletz, ist die Wirksamkeit von Antibiotika zunehmend gefährdet. "Wir sind gerade dabei, die Errungenschaften der modernen Medizin wieder zu verlieren und in die Zeit vor der Entdeckung von Penicillin zurückzufallen", sagte er in Weimar. Es brauche einen zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika und fortlaufend neue, resistenzbrechende Mittel.
Produktion von Antibiotika rechnet sich nicht
Die Bundesregierung müsse dringen Anreize schaffen, damit Pharmaunternehmen wieder in die Produktion von Antibiotika gehen, hieß es weiter. Aktuell sei es so, dass Unternehmen bei der Entwicklung neuer Medikamente eine Zeit lang das Recht zur Exklusivvermarktung hätten, erklärte der Sprecher des Deutschen Netzwerks gegen Antimikrobielle Resistenzen und Referent des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen, Harald Zimmer.
Antibiotika seien wegen der Resistenzbildung zu früh unwirksam, weswegen die Unternehmen die Entwicklungskosten meist nicht wieder reinbekämen. Viele Unternehmen, die Antibiotika entwickelten, seien pleitegegangen. Daher müsse dringend ein EU-Vorschlag umgesetzt werden, der den Firmen erlaube, andere Medikamente dafür noch länger exklusiv zu vermarkten und damit die Antibiotika-Entwicklung zu finanzieren.
Vor allem kleine Firmen entwickeln Antibiotika
Derzeit seien 80 Prozent der Forschungsprojekte zu neuen Antibiotika in den Händen kleiner Start-Ups, sagte er weiter. Diese Firmen hätten massive Finanzierungsprobleme und meist auch keine anderen Medikamente, die sie exklusiv vermarkten könnten. Daher müsse auch ein Ersatzmarkt geschaffen werden, auf dem diese Unternehmen das Recht für eine längere Exklusivvermarktung an andere Pharmaunternehmen verkaufen könnten.
Alleine in der Europäischen Union sterben nach Angaben der EU-Gesundheitsbehörde ECDC jährlich 35.000 Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger. Wenn Antibiotika eingesetzt werden, töten sie laut Robert Koch-Institut nicht alle Bakterien - die resistenten überleben und vermehren sich weiter. Die Entstehung von Resistenzen könne nicht verhindert, sondern nur verlangsamt werden, hieß es.