Ines Aufrecht will als neue Wirtschaftsförderin der Landeshauptstadt den Dialog fördern. Foto: Mierendorf

Ines Aufrecht will als neue Wirtschaftsförderin der Landeshauptstadt den Dialog fördern.

Stuttgart - Ines Aufrecht, seit dem 15. März dieses Jahres die neue Leiterin der Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt, gibt unumwunden zu, dass sie gegen die Einführung des Stuttgarter Stadtentwicklungsmodells Sim war. Danach sollen Investoren von Gewerbeimmobilien stärker vertraglich in die Pflicht genommen werden, ab einer Geschossfläche von 450 Quadratmetern die erste öffentlich geförderte Wohnung zu bauen und ab einer Geschossfläche von 1350 Quadratmetern die erste Sozialwohnung.

Das stößt auf massive Kritik der Immobilienwirtschaft. Aufrecht gibt sich pragmatisch: Da das jetzt aber so sei, müsse man in die Phase des Erklärens eintreten. Die Nachfolgerin von Wirtschaftsförderer Klaus Vogt ist sich sicher, dass sie im Dialog mit der Immobilienwirtschaft und hier besonders mit der IWS Immobilienwirtschaft Stuttgart den Widerstand gegen Sim etwas schmälern könne. „Hier geht es teilweise nur noch um Detailfragen”, will die neue Wirtschaftsförderin die Kritiker beschwichtigen. Den einen oder anderen Vorbehalt gegen Sim könne man sicher noch ausräumen, glaubt sie.

Keine leichte Arbeit für die Wirtschaftsförderin, die bislang als rechte Hand Vogts bei der Stadt tätig war. Aufrecht räumt allerdings auch ein, dass sie ihre Aufgabe nicht darin sieht, Sim auf einmal als etwas Gutes verkaufen zu müssen. Sie sieht sich hierbei eher als Moderatorin, die den Investoren, der Immobilienwirtschaft und dem Gemeinderat aufzeigt, wie man mit dem Thema umgehen sollte. „Hier muss ich eine Brücke für alle Beteiligten bauen”, so die neue Wirtschaftsförderin. Dabei soll Sim aber nicht zerredet werden. Es gebe klare Regelungen, aber teilweise auch unbestimmte Rechtsbegriffe, die den Umgang mit Sim schwierig machen könnten. Das werde aber die Praxis zeigen. Aufrecht will dabei aber nicht ausschließen, dass nach Ablauf der zweijährigen Probephase das Stuttgarter Stadtentwicklungsmodell erneut mit dem Gemeinderat diskutiert werden muss.

Die Angst der Investoren, durch das Stuttgarter Stadtentwicklungsmodell womöglich draufzulegen, ist sehr groß, spürt auch sie. Umso wichtiger sei es, hier massiv Aufklärungsarbeit zu leisten, sagt Aufrecht. Dazu wird zurzeit ein vom IWS ausgearbeiteter Fragenkatalog zu Sim von der Stadtverwaltung Punkt für Punkt beantwortet. Das werde aber nicht ausreichen, die Bedenken einzelner Investoren zu zerstreuen, ist sie sich sicher. Dass der eine oder andere Bauträger bereits verärgert der Landeshauptstadt den Rücken gekehrt hat und in einer der Kreisstädte des Umlandes mit offenen Armen empfangen wurde, weiß auch die Wirtschaftsförderin. Ines Aufrecht will deshalb aber nicht aufgeben: „Ich werde um jeden einzelnen Bauträger kämpfen”. Dazu reicht ein runder Tisch, etwa mit der Immobilienwirtschaft, allein längst nicht aus. Das sieht auch Aufrecht so. Die immobilienafine Juristin setzt deshalb auf erklärende Einzelgespräche und einen ständigen Dialog.

Das Stuttgarter Stadtentwicklungsmodell ist längst nicht die einzige Baustelle, die die neue Wirtschaftsförderin in den nächsten Jahren zu beackern hat. Die Kritik der Immobilienbranche an dem jüngsten Messeauftritt der Landeshauptstadt auf der internationalen Immobilienmesse Mipim in Cannes hält sie für ungerechtfertigt. Ohne das Engagement der Immobilienbranche könne die Wirtschaftsförderung diesen Messeauftritt einfach nicht schultern, auch wenn das der eine oder andere so sehe. Schließlich gehe es auch um rund 300 000 Euro Steuergelder. Wie es im kommenden Jahr aussieht, weiß Ines Aufrecht noch nicht. Man sei im intensiven Gespräch mit der Immobilienwirtschaft, heißt es lediglich. Selbst wenn die Mittel bereitstehen sollten, ist noch offen, in welcher Form sich Stuttgart wieder beteiligen könnte. Denn die Standfläche im vierten Stock des Kongreßzentrums von Cannes ist mittlerweile anderweitig vergeben und die Alternative im Untergeschoss ist wenig attraktiv. Aufrecht bezweifelt ohnedies, ob ein derart großer Stand mit Terrasse wie in den zurückliegenden Jahren tatsächlich den Nutzen hat, der immer heraufbeschworen werde. Ihr sei Kontinuität wichtiger.

Während der eine oder andere Immobilienexperte schon kolportiert, dass sich die Stadt bei einem Scheitern von Stuttgart 21 den Mipim-Auftritt sowieso schenken könne, gibt sich die neue Wirtschaftsförderin in punkto Stuttgart 21 noch optimistisch. „Wir brauchen dieses Projekt.” Deshalb gebe es bei der Wirtschaftsförderung auch noch keine Überlegungen für ein mögliches Ausstiegsszenario. Aufrecht sieht derzeit auch keinen Bedarf, das Städtebauprojekt international zu bewerben, wie in der Vergangenheit von der Immobilienwirtschaft gefordert. Zurzeit sei es wichtiger, für das Projekt vor Ort für Zustimmung zu werben, zumal die mögliche Realisierung dann auch nicht von heute auf morgen erfolge. Wichtig sei ihr aber, den Bürger dann möglichst frühzeitig in alle Planungen des neuen Stadtteils mit einzubeziehen.

Die neue Wirtschaftsförderin muss auch deshalb auf Stuttgart 21 setzen, weil sie langfristig für die wirtschaftliche Entwicklung der Landeshauptstadt Flächen braucht. Aufgrund der topografischen Lage ist Stuttgart nun mal vom Flächenangebot eher eingeschränkt, so dass man auch schon mal über die Stadtgrenzen hinaus auf die Fildern schielt. Auf der Gemarkung von Leinfelden-Echterdingen plant die Landeshauptstadt gemeinsam mit der Stadt auf den Fildern das erste gemeinsame interkommunale Gewerbegebiet. Zwar liegen die Aktivitäten zur Zeit mehr oder weniger auf Eis, weil es zwischen den beiden Städten zu Unstimmigkeiten wegen des neuen Standortes des Fernomnibusbahnhofes im letzten Jahr gekommen war, doch haben sich die Misstöne mittlerweile gelegt und Ines Aufrecht will schon erste Sondierungsgespräche mit den Kollegen geführt haben. Allerdings sei hier noch viel Vorarbeit seitens der Stadt zu leisten, schränkt sie ein. Die Wirtschaftsförderin hält das interkommunale Gewerbegebiet „Echterdingen-Ost” für ausgesprochen wichtig, weil Stuttgart selbst „definitiv” keine Gewerbeflächen mehr habe.

Selbst bei den in der Zeitstufenliste der Landeshauptstadt aufgeführten freiwerdenden Flächen in Stuttgart könne es sich nur um Planspiele handeln, da sich die meisten dieser Grundstücke im Privatbesitz befänden und nicht zur Disposition stünden. Allerdings sei auch das interkommunale Gewerbegebiet nicht von heute auf morgen zu realisieren. Hier handele es sich um eine langfristige Planung, bei der man erst am Anfang stehe. Ines Aufrecht blickt mit Zuversicht in die Zukunft, wenngleich ihr Start in die neue Aufgabe als Leiterin der Wirtschaftsförderung gleich mit einem bösen Treppensturz auf einer Tagung verbunden war, wo sie sich eine Sehnenzerrung am Fuß zu zog. Die neue Direktorin - so die offizielle Bezeichnung - nimmt es gelassen und schaltet sich per Telefonkonferenz in wichtige Gespräche und Verhandlungen ein.

Die Frage nach ihrer Zukunft, wenn Oberbürgermeister Wolfgang Schuster - den sie nach eigenen Aussagen sehr schätzt - in zwei Jahren nicht mehr antreten sollte oder er abgewählt wird, will sie dann aber doch nicht beantworten. Verständlich.