Werbeplakat für den Grünen Tunnel nahe der Waiblinger Bahnlinie. Foto: Dirk Herrmann

Während die Fellbacher Stadtpolitik einen tiefergelegten Nord-Ost-Ring vehement ablehnt, setzt die dortige Industrievereinigung auf eine „konstruktive Lösung“.

Immer mal wieder flackert die Debatte über den von vielen gefürchteten und von manchen anderen insbesondere aus der Wirtschaft ersehnten Stuttgarter Nord-Ost-Ring auf – und ebbt dann wieder ab.

 

Zuletzt hat der vom Industriellen Rüdiger Stihl (Motorsägen-Weltfirma Stihl) bereits vor fünf Jahren ins Spiel gebrachte sogenannte Grüne Tunnel einmal mehr Anlass zu deftigen Meinungsbeiträgen geliefert. Erneut forciert beworben wurde das Ansinnen vor einigen Monaten mit einer kräftigen Anzeigenkampagne, Radiospots und Werbung auf den Trikots der in Bittenfeld beheimateten Bundesligahandballer des TVB Stuttgart.

10,7 Kilometer langer Tunnel

Die Stadt Fellbach (Rems-Murr-Kreis) berief dabei Ende Januar gar eine Sondersitzung des Gemeinderats ein, um sich einmal mehr klar gegen den Nord-Ost-Ring zu positionieren – und auch gegen die tiefergelegte Variante. Auf 1,6 Milliarden Euro wird diese 10,7 Kilometer lange Vision zwischen Waiblingen und Kornwestheim/Ludwigsburg taxiert – doch für die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull wäre auch bei einer unterirdischen Lösung „die Landschaft großräumig zerstört“, durch den Grünen Tunnel werde vielmehr „Grün vernichtet“, die Realisierung sei „undenkbar“. Der SPD-Fraktionschef Andreas Möhlmann erklärt: „Auch eine grün lackierte Asphaltschneise bleibt ein Verkehrsbauwerk, das die freie Landschaft zwischen Waiblingen und Fellbach zerstören würde.“

Zu Wort gemeldet hat sich mittlerweile auch die Wirtschaft aus der Stadt unterm Kappelberg in Form der Industrievereinigung Fellbach (IVF). Die ansonsten konstatierte „einmütige Ablehnung“ in Fellbach gegenüber dem Nord-Ost-Ring wie dem Grünen Tunnel lässt sich allerdings, was manche überraschend dürfte, aus der Stellungnahme nicht unbedingt herauslesen.

Der mögliche Verlauf eines „Grünen Tunnels“ Foto: Archiv

So betont die IVF die erhebliche Herausforderung der Verkehrssituation im Raum Fellbach für die ansässigen Unternehmen wie auch für die Beschäftigten. „Sowohl der tägliche Arbeitsweg unserer Mitarbeiter als auch der Materialtransport und die Abholung unserer Produkte sind durch die derzeitige Infrastruktur stark beeinträchtigt. Eine Lösung zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse ist daher dringend erforderlich.“

Während die Befürworter des „Infrastrukturprojekts“ Grüner Tunnel die verkehrliche Entlastung und eine optimierte Anbindung der Region betonten, warnten Kritiker vor Umweltbelastungen und hohen Kosten ohne nachweisbaren langfristigen Nutzen.

Als Industrievereinigung Fellbach begrüße man grundsätzlich alle Maßnahmen, die eine Verbesserung der Verkehrs- und Standortbedingungen für die Industrie ermöglichen, gleichzeitig müsse aber sichergestellt werden, dass eine Lösung gefunden werde, die sowohl den wirtschaftlichen als auch den ökologischen Anforderungen gerecht werde. Eine fundierte, aktuelle Untersuchung sei notwendig, „um die verkehrlichen Auswirkungen und die wirtschaftliche Machbarkeit verschiedener Varianten objektiv zu bewerten.“

Dabei müssten sowohl die Interessen der Industrie als auch der Beschäftigten und Anwohner gleichermaßen berücksichtigt werden, damit eine nachhaltige und zukunftsorientierte Verkehrslösung entstehe. „Entscheidende Grundlage für eine solche Lösung ist ein transparenter, faktenbasierter Dialog mit allen Beteiligten, um eine tragfähige Entscheidung zu treffen, die den Anforderungen von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft gleichermaßen gerecht wird.“

Erhalt wertvoller Lebensflächen

Die klare Haltung der Fellbacher Industrievereinigung: „Der aktuelle Zustand ist nicht tragbar – für unsere Mitarbeiter, unsere Unternehmen und die wirtschaftliche Entwicklung der Region.“ Die IVF setze sich daher für eine konstruktive und zukunftsweisende Lösung ein, „die sowohl eine leistungsfähige Infrastruktur als auch den Erhalt wertvoller Lebens- und Wirtschaftsflächen im Blick behält“. Kompromiss statt der von der Fellbacher Stadtpolitik geäußerten kompromisslosen Ablehnung des Grünen Tunnels – so lässt sich die Haltung der Interessenvertretung der Fellbacher Wirtschaft also zusammenfassen.